Freitag, 21. März 2014

Gastkommentar - Double Standards

Ich freue mich! Ehrlich! Johann Gudenus, Johannes Hübner und Ewald Stadler sind wohlbehalten von ihrer "Fraud-Finding-Mission" zurückgekehrt. Von der Krim. Und sie hatten eine gute Nachricht für uns Österreicher und den Rest der Welt: Alles paletti! Ich gestehe als kritischer und der FPÖ gegenüber auch etwas misstrauischer Zeitgenosse: Nichts anderes habe ich erwartet!

Weniger erfreulich allerdings war die Nachlese der Presseaussendung des "Hammer in der Kammer", Bundesobmann der FA, Bernhard Rösch, der auf "massive Wahlmanipulationen" bei der Arbeiterkammerwahl in Wien hinwies. Diese "massiven Wahlmanipulationen" machte Rösch unter anderem am "nicht ausreichenden Sichtschutz" fest, der "sicherstelle, dass die Wahl geheim erfolge" und gipfelte in der hellseherischen Feststellung "viele Mitarbeiter hatten Angst und wählten die Roten, obwohl sie uns die Stimme geben wollten."




(Screenshot der Presseaussendung vom 14.03.2014)


Abgesehen von dieser Fähigkeit Bernhard Röschs - zu der ich ihm herzlich gratuliere (und auf diesem Wege ersuche, mir die Gewinnzahlen für die kommende Euro-Millionen-Ziehung vertraulich zukommen zu lassen) - erstaunt mich dennoch das zweierlei Maß, mit dem innerhalb der FPÖ die Abhaltung von Referenden beurteilt wird.

War es in Wien der "fehlende Sichtschutz", der eine geheime und somit freie Willensbekundung behinderte, hatten die Wahlbeobachter auf der Krim scheinbar nichts daran auszusetzen, dass die ausgefüllten Wahlzettel ohne Kuvert in eine transparente Wahlurne eingeworfen werden mussten. 



(Screenshot der Online-Ausgabe “Die Presse”)

Genügt in Österreich scheinbar die bloße Anwesenheit eines (roten?) Betriebsrates, die abzugebende Stimme eines verschreckten Arbeitnehmers, einer verschreckten Arbeitnehmerin - ganz gegen die ursprüngliche Intention jener - zur FSG statt zur FA wandern zu lassen, so zeigt sich die Ukrainerin und der Ukrainer von der russischen Militärpräsenz völlig unbeeindruckt.

Verpulvert man in Österreich Hunderttausende Euro für Wahlwerbung und (gewiss einseitige!) Berichterstattung der (rot-linken) Medien, kappen russische Spezialeinheiten kurzerhand Telefon- und Internetverbindungen zur Krim oder es werden ukrainische Fernsehstationen abgedreht. Und das ist grundvernünftig, denn: Der freie Wählerwille findet auch ohne kritische (US-amerikanische!) Nachrichtensprecher, die vor laufender Kamera des staatlich finanzierten "Russia Today" ihren Job schmeißen, weil sie die Verbreitung gezielter Desinformation nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, zum richtigen Abstimmungsverhalten. (Vom Einsparungspotential ganz zu schweigen!)

Auch darf man sich nicht daran stoßen, dass bei einem Bevölkerungsanteil der russischstämmigen Krimbewohner von ~59% (Volkszählung 2001), einem Bevölkerungsanteil russischsprachiger von 77% (Volkszählung 2001) und einer Wahlbeteiligung von 83% beinahe 97% für die Angliederung an Mütterchen Russland votierten. Eine Eindeutigkeit des Ergebnisses, die vermutlich sogar Kim Jong-un würde verschämt erröten lassen.

Und auch nicht daran, dass die "NGO", die zur Referendumsbeobachtung Vertreter rechter, aus unterschiedlichen Gründen zufällig auch "putinfreundlicher", Parteien lud, die EODE (Eurasian Observatory For Democracy & Elections) von Luc Michel und Jean-Pierre Vandermissen geleitet wird. Beides "Schüler" des mittlerweile verstorbenen Vordenker der “Neuen Rechten” Jean-Francois Thiriart und Mitglieder der von Luc Michel geleiteten national-bolschewistischen Gruppierung "Parti Communautaire National-Européen (PCN-NCP)", deren Ziel die Schaffung eines "Vereinten Europa" ist. Allerdings eines "Vereinten Europa", das von Russland bis zum Atlantik reicht. Jener Luc Michel, der Mitglied der neo-nazistischen FANE (Fédération d'action nationale et européenne) war. Jener Luc Michel über den Johann Gudenus sagt: "Ich habe Michel bis vor wenigen Tagen aber nicht gekannt. Zu mir hat er gesagt, er sei ein Linker." (Ja, eh, ein Linker muss er sein, findet sich doch auf seinem Blog "Transnational Action" eine Eloge auf Nordkorea...)




(Screenshot des Blog-Beitrags von Luc Michel, automatisch übersetzt mit Google-Translate)

Und schon gar nicht daran, dass die USA, die EU und die OSZE das Referendum als unzulässig bzw. illegal einstuften. Nicht, weil die USA, die EU oder die OSZE gegen freie Willensentscheide wäre, sondern weil es für Referenden Mindeststandards gibt und so nebenbei auch noch rechtliche Rahmenbedingungen.

Nein, diese und weitere Bedenken kann man, muss man aber nicht haben. Denn: Alles paletti! Oder, wie Andreas Mölzer es formulierte, man werde sich nicht zum Feigenblatt machen lassen. Und das hat man sicher nicht, schreibt doch Johann Gudenus auf seiner Facebook-Seite: 


"Ein riiiiiieeeesen Aufreger, wenn ich mit eigenen Augen das feststelle, was man anscheinend bei den ach so freien Medien bei uns nicht hören will: Ja es war ruhig, ohne Druck und Einschüchterung.

Oder soll ich lügen?"
Screenshot / (C) Facebook Inc




(Screenshot der Fanpage “Johann Gudenus”)

Na, bitte, da fällt mir doch ein riiiiiieeeesengroßer Stein vom Herzen: Alles paletti! Und nein, Herr Gudenus, natürlich sollen Sie nicht lügen!

Was mir allerdings wirklich sauer aufstößt: Dass wir Österreicherinnen und Österreicher offensichtlich Dünnbrettbohrer und Beckenrandschwimmerinnen sind und nicht aus jenem harten väterchen-russischen Holz geschnitzt so wie die Bewohner der Krim es sein müssen! Denn anders kann ich mir diese Double Standards nicht erklären.

Gezeichnet, ein kritischer Bürger

P.S. Den vorhersehbaren Kommentaren und Kommentatoren zuvorkommend: "The will of the people, freely and fairly expressed through periodic and genuine elections, is the basis of the authority and legitimacy of government." (Kopenhagen Dokument, Paragraph 6)

P.P.S. Interessierten und zukünftigen Wahlbeobachtern sei das "Election Observation Handbook" der OSZE ans Herz gelegt. Spannende 120 Seiten, die die Komplexität der Wahlbeobachtung veranschaulichen.

Quellen:


Screenshots: