Es ist kaum zu übersehen, die politische Rechte hat ihre Liebe zu Obdachlosen entdeckt. Bürger, die vor Kurzem noch Obdachlose in die Kategorien “versoffene Arbeitsscheue”, “drogensüchtiges Punkergesindel” oder “millionenschwere Bettlermafia” unterteilten, werden plötzlich nicht müde, in sozialen Netzwerken den erhobenen Zeigefinger zu schwingen, um auf genau diese, in schlimmste Armut geratene, Gruppe der Gesellschaft hinzuweisen und mehr Unterstützung und Verständnis zu fordern. Was ist geschehen? Wurde unsere Gesellschaft endlich von einer Welle der Empathie und Hilfsbereitschaft überschwemmt, die sogar den schlimmsten Neidhammeln ein Mindestmaß an Solidarität mit Benachteiligten entlockt?
Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen kurzen Blick nach Deutschland, wo es immer wieder vorkommt, dass
Obdachlose von rechtsextremen Skinheads verprügelt oder sogar ermordet werden. Ausgerechnet dort wirbt seit einigen Jahren die
rechtsextreme Kleinpartei “NPD”, deren Wahlkampf-Flyer auch gerne von
FPÖ-Abgeordneten verwendet werden, mit angeblichem Engagement und Verständnis für Obdachlose. Allerdings entpuppt sich das “Engagement” bei genauerem Hinsehen als nichts anderes, als
Hetze gegen Ausländer und Flüchtlinge, unter dem Vorwand, dass man Obdachlosen helfen wolle. Man argumentiert gegen Hilfe für Vertriebene damit, dass sich um “unsere Obdachlosen” angeblich auch niemand kümmern würde. Verständlich, aus Sicht der NPD, deren tatsächliche Hilfsbereitschaft für Obdachlose sich praktisch
kaum bemerken lässt.
 |
Quelle: Screenshot / © Facebook Inc. |
Aber zurück nach Österreich, wo nun FPÖ-Tschürtz, der neue Landeshauptmann Stellvertreter im Burgenland, ebenfalls mit einer Forderung für mehr Unterstützung für Obdachlose aufhorchen ließ - natürlich nicht ohne den obligatorischen Fußtritt auf Asylsuchende, wie man es von den Kollegen aus Deutschland gewohnt ist.
 |
Quelle: Screenshot / © Facebook Inc. |
In seinem beigefügtem Brief finden sich wenig konkrete Vorschläge, wie man denn dieses zweifellos lobenswerte Projekt umsetzen könnte. Man stellt lediglich fest, dass Österreicher auf der Straße leben und viele davon an Erfrierungen oder unbehandelten Krankheiten leiden. Tschürtz fordert “professionelle Unterstützung für einen Neuanfang” und hier gelte es “gemeinsam an Lösungen zu arbeiten”, was der FPÖ-Politiker in seinem Brief unter Anführungszeichen setzt. Dem Rest von Österreich dürften diese dargelegten Fakten und Vorschläge nicht neu sein, für Aufregung sorgte z.B.
ein Fall im Dezember 2014 in Wien, als ein verstorbener Obdachloser stundenlang unbeachtet in einem Aufzug lag. Auch die Forderungen nach einer “professionellen Unterstützung” ist für FPÖ-ler erstaunlich, sind es doch hauptsächlich die von der FPÖ so oft kritisierten NGOs wie z.B. die Caritas, die sich um Obdachlose sehr professionell kümmern - trotz Widerstandes der FPÖ.
Aber wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen, sehen wir uns einfach an, wie sehr sich die FPÖ bisher für Obdachlose einsetzte, als es in rechten Kreisen noch nicht so angesagt war, Obdachlose gegen Asylwerber auszuspielen:
Bereits im Jahr 2009 gibt es dazu eine Pressemeldung des Wiener Landtagsabgeordneten David Lasar, der sich gegen eine Essensausgabe in Floridsdorf ausspricht.
 |
Quelle: Screenshot / © www.ots.at |
Im Text wird der Forderung mit einem Szenario von Alkoholabhängigen, Dealern, Süchtigen und Prostituierten Nachdruck verliehen. Wir sind uns nicht sicher, ob und wie sehr das Obdachlosen in Österreich geholfen hat.
 |
Quelle: Screenshot / © www.ots.at |
Auch in Salzburg gab es 2009 ein Engagement des ehemaligen Klubobmanns der FPÖ im Zusammenhang mit Obdachlosen, allerdings eindeutig gegen die “Sandler”, wie sie Schöppl in seiner Aussendung bezeichnet:
 |
Quelle: Screenshot / © www.fpoe-stadtsalzburg.at |
Über einen “Sandlertreff am Hanuschplatz” und dadurch von Belästigungen für die auf den Bus Wartenden ist die Rede. Wir sind uns nicht sicher, ob die Obdachlosen den Vorschlag nach einer polizeilichen Vertreibung als große Hilfe empfanden.
 |
Quelle: Screenshot / © www.fpoe-stadtsalzburg.at |
Im Jahr 2013 zeichnete auch die FPÖ Niederösterreich ein eindeutiges Bild von Obdachlosen, mit folgendem Plakat:
 |
Quelle: Screenshot / © www.format.at |
Die FPÖ Landstraße erfreute sich 2013 über die Räumung des Obdachlosenlagers im Stadtpark.
 |
Quelle: Screenshot / © www.ots.at |
Auch FPÖ-Kops spricht eine eindeutige Sprache, die ein besonderes Hilfsbedürfnis für Obdachlose bezweifeln lässt. Es sei genug Platz für Obdachlose vorhanden, fertig.
 |
Quelle: Screenshot / © www.ots.at |
Der Linzer Sicherheitsstadtrat Wimmer beschwerte sich darüber, dass Obdachlose die “zweitbeste Einkaufsmeile Österreichs zum Schandfleck” machen.
 |
Quelle: Screenshot / © www.fpoe-linz.at |
“Bettler und Obdachlose” bereiten “Ärger auf Facebook” und verursachen Müll. Die Lösung des Obdachlosenproblems sieht Wimmer in einem polizeilich verordnetem Bettelverbot. Die Obdachlosen und Bettler haben sich sicher gefreut über die große Hilfe.
 |
Quelle: Screenshot / © www.fpoe-linz.at |
Es gäbe noch
zahlreiche weitere Einträge über den “traditionellen” Standpunkt der FPÖ zu Obdachlosen, aber das würde unseren Rahmen sprengen. Nicht immer stieß die FPÖ bei ihren Forderungen gegen Obdachlose und Bettler auf Zustimmung in der Allgemeinheit. Manche jedoch versuchte man jedoch mit der Theorie der “Bettlermafia” zu überzeugen. In Tirol z.B. setzte die FPÖ extra zu diesem Zweck - angeblich auf eigene Kosten - einen
Privatdetektiv auf Bettler und Obdachlose an, um “die Gutmenschen mit Fakten zu widerlegen”, sagte Rudolf Federspiel, Klubobmann der Tiroler FPÖ. Zeugen, dass jemand zum Betteln gezwungen werde, konnte er allerdings keine vorweisen. Im Endeffekt liefen alle Spekulationen der FPÖ über die “Bettlermafia” immer auf eine Untermauerung von Forderungen nach generellen Bettelverboten hinaus, die zweifellos die “heimischen” Bettler und Obdachlosen genau so treffen würden, wie Mitglieder der “Bettlermafia”, wenn es denn diese so geben sollte, wie von der FPÖ behauptet.
Tatsächlich gibt es sogar dokumentierte Fälle von “heimischen” Obdachlosen, die durch die “Bettlermafia”-Theorie der FPÖ persönlich betroffen sind. So findet sich z.B. in der
Obdachlosenzeitung “Augustin” die Geschichte von Christian M., ein ehemaliger Topgastronomiekellner, der durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in die Obdachlosigkeit schlitterte. Ungewollt wurde er Teil der ominösen “Bettlermafia”, da die FPÖ in einer U-Bahnzeitung ein Inserat gegen diese mit einem Foto des obdachlosen Österreichers schaltete.
 |
Quelle: Screenshot / © www.augustin.or.at |
Eine weitere eindrucksvolle Sammlung über die Meinung der FPÖ, aber auch von anderen Politikern, zum Thema “Betteln und Obdachlosigkeit” fanden wir im Magazin “Augustin”.
Natürlich spiegelt sich die Meinung über Obdachlose und Bettler auch in sozialen Netzwerken wieder. Anbei einige Beispiele unter anderem aus der Facebookgruppe “FPÖ:
“Selbstjustiz” gegen obdachlose Bettler
 |
Quelle: Screenshot / © Facebook Inc. |
Neid auf “original cola und marlboro”
 |
Quelle: Screenshot / © Facebook Inc. |
Andrea Kellner ist FPÖ-Gemeinderätin und Administratorin der oben genannten Gruppe “FPÖ”. In diesem Posting auf ihrer Facebookseite echauffiert sie sich über Bettler, die angeblich einen Kinderspielplatz in Salzburg zur Übernachtung nutzen würden.
 |
Quelle: Screenshot / © Facebook Inc. |
Eine für FPÖ-Anhänger typische “Lösung” für das angebliche Problem wird prompt kommentiert:
 |
Quelle: Screenshot / © Facebook Inc. |
Fassen wir zusammen: Neben jeder Menge negativer Postings auf Facebook fällt die FPÖ bezüglich Obdachlosen vor allem dadurch auf, dass sie nach polizeilichen Vertreibungen dieser schreit und gegen neue mögliche Einrichtungen für Obdachlose sofort mit wildesten Assoziationen demonstriert.
Auf Bundesebene ist die FPÖ gegen Vermögenssteuern und man war vor allem gegen die bedarfsorientierte
Mindestsicherung, die für viele
Obdachlose den letzten Strohhalm bedeutet.
Herr Tschürtz: Könnte es angesichts des ständigen Hinhackens auf Obdachlose und Bettler sein, dass die größte Unterstützung für Obdachlose (die sie in ihrer letzten Aussendung fordern) wäre, wenn sich die FPÖ einfach zurückziehen und damit aufhören würde, gegen alle Projekte zu stimmen, die sich diesem Thema widmen?