Freitag, 22. August 2014

Gastkommentar der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ)

Quelle: http://www.derislam.at

Abscheu vor den IS Gewaltexzessen – Appell an die Öffentlichkeit diesen Terror nicht mit „dem Islam“ zu verbinden


In tiefer Erschütterung verurteilen wir als Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich IS zum wiederholten Male. Angesichts der von ihnen verübten Gräueltaten fehlen die Worte das Entsetzen zu beschreiben. In ihrem politischen Anspruch sind sie völlig wirr und verblendet. Sie haben nicht das geringste Recht, Muslime vertreten zu wollen. So wie sie sich aufführen, pervertieren sie unsere Religion. Sämtliche Werte des Islams von der Achtung der Menschenwürde bis zum Schutz für religiöse und ethnische Minderheiten werden von ihnen mit Füßen getreten. Ihnen muss klar vermittelt werden, dass Muslime sie global dermaßen heftig ablehnen, dass jegliches Eintreten in einen theologischen Diskurs ausgeschlossen ist. Sie sind Verbrecher.

Wir appellieren an die Öffentlichkeit, diese klare Haltung der schärfsten Verurteilung von IS seitens der Muslime wahrzunehmen. Wir vermeiden es, IS mit religiösen Argumenten abzuqualifizieren und zwar nicht, weil wir diese nicht hätten, sondern weil wir ihnen mit dem Einstieg in theologische Dispute keinen Anlass zu ihrer Aufwertung geben möchten. Von jedem Standpunkt der Menschlichkeit und der Barmherzigkeit – auch das ein zentraler Wert des Islams! – richten sie sich selbst.

Es wäre fatal, wenn die Politik des Terrors und Schreckens eine Entfremdung zwischen Muslimen und Andersgläubigen zur Folge hätte. Denn genau dies ist eines der Ziele dieser Terroristen, deren krude Sicht ja von der Polarisierung zwischen ihnen und allen anderen – den „Ungläubigen“ – lebt. Dazu rechnen sie auch uns Muslime, die ihr wirres und gefährliches Weltbild nicht teilen.

Wir drücken unser Mitgefühl mit allen Menschen aus, die unter der Barbarei von IS leiden, insbesondere auch der christlichen und jesidischen Minderheit. Gleichzeitig erinnern wir daran, dass IS nicht über Nacht so stark wurden. Sie konnten sich in Syrien von der Weltöffentlichkeit völlig ungestört ausbreiten, auch weil das dortige Regime ein Interesse daran hat, diesen Terrorismus zu fördern. Dutzende Extremisten wurden von Baschar al Asad eigens dazu aus den Gefängnissen entlassen.

Eine Befriedung der Region kann nur erreicht werden, wenn die Komplexität der Situation erfasst wird. Dazu können unabhängige Medien einen entscheidenden Anteil leisten. An dieser Stelle drücken wir unsere Hochachtung vor der journalistischen Arbeit des ermordeten James Foley aus. Er wie allen seinen Kolleginnen und Kollegen, die unter Gefährdung ihres Lebens ihre Arbeit tun, um gerade angesichts von Propagandaschlachten in Krisenregionen ein möglichst reales Bild der dortigen Lebenswirklichkeit zu vermitteln, ist die vollste Solidarität auszusprechen.

Rückfragehinweis:

Carla Amina Baghajati
Medienbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft




Quelle: http://www.derislam.at/index.php?f=news&shownews=1884&kid=1

Donnerstag, 21. August 2014

Neues von ganz rechts mit altbekannten FPÖ-Funktionären

Vor einiger Zeit berichteten wir bereits von einer Facebook-Gruppe namens “NEIN! - zum EU-Beitritt der Türkei! - (moderierte Gruppe)”. Neben vielen anderen schrecklichen Gruppen, die wir beobachten, sticht diese durch eine sehr hohe Dichte besonders radikaler Inhalte hervor. Bei mutmaßlich strafrechtlich relevanten Inhalten bringen wir Sachverhaltsdarstellungen bei der Staatsanwaltschaft ein. Anbei ein wirklich sehr kleiner Auszug, was in dieser Gruppe so gepostet wird:

Neben nationalsozialistischem Material, wie ein Abbild Adolf Hitlers mit dem Text “Es wird eine Zeit geben wo Ihr mich für jeden lebenden Juden beschimpfen werdet, weil ich nicht alle ausrotten ließ” . . .


Screenshot / (C) Facebook Inc.

. . . oder NS-Propagandabilder mit dem Text “Bewahrt Euer Erbe” . . .

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. . . über weitere NS-Propagandabilder mit dem Austausch des Wortes “Juden” durch “Moslems”.


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Zwischendurch posten Gruppenmitglieder Bilder von ihren Stichwaffen . . .


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. . . oder bedauern die “Schicksalsjahre der Deutschen”.
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Wer nun der Meinung ist, dass allein die Themen der Postings schon schockierend sind, hat leider weit gefehlt. Wie schon in unserem letzten Bericht aus der Gruppe, veröffentlichen wir auch dieses Mal nur einen kleinen Teil von Kommentaren aus lediglich 24 Stunden in der Gruppe:

Natürlich dominiert in der Gruppe z.Z. das Thema "Islamismus" und es gibt leider wie so oft keine Differenzierung, sondern es werden alle Angehörigen einer Religion in einen Topf geworfen. Gefordert wird bei dieser Gelegenheit die völlige Auslöschung aller Muslime, alle möglichen Gewaltphantasien werden dabei ausgelebt.


Screenshot / (C) Facebook Inc.
Screenshot / (C) Facebook Inc.


Unter einer Falschmeldung über einen angeblichen Freispruch eines türkischen Migranten, der ein Mädchen vergewaltigt haben soll und danach freigesprochen wurde, finden sich folgende Meldungen (es handelt sich bei der Meldung übrigens um eine Falschmeldung, für die im Jahr 2013 bereits der Obmann der FPÖ Lichtenwörth für die Verbreitung eben dieser rechtsextremen Lügengeschichte erstinstanzlich wegen Verhetzung verurteilt wurde):

Einige User wollen sich als Racheakt offenbar an türkischen Kindern und Frauen vergreifen, andere fordern Kastrationen und Massenvernichtungen.


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Ein User hat sogar ein Computerspiel so umprogrammiert, dass er damit seine Feindbilder unter österreichischer Flagge virtuell exekutieren kann.


Screenshot / (C) Facebook Inc.



Jetzt besteht natürlich die große Frage, was denn die FPÖ mit alledem zu tun hat.

Unter den Postings in der Gruppe finden sich auch immer wieder Wahlempfehlungen und Wahlwerbung der FPÖ, dafür kann man natürlich nicht der Partei direkt die Schuld zuweisen:


Screenshot / (C) Facebook Inc.

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Ein wenig näher an eine FPÖ-Beteiligung kommen schon die Postings von Marisa S.. Frau S. ist auch auf zahlreichen FPÖ-nahen Facebook-Gruppen und -Seiten sehr aktiv und versorgt diese täglich mit neuen Beiträgen, allerdings ist Frau S. unseren Recherchen zufolge zumindest keine Funktionärin.


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Ein aktiver FPÖ-Funktionär war bis jetzt Ronny Zöchmeister (Bezirksobmann-Stv. in Horn und 2013 Kandidat bei der LT-Wahl), der zumindest einen Beitrag in der Gruppe mit einem “Gefällt mir” markierte:


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Ansonsten findet sich zwar eine große Anzahl an FPÖ-Funktionären in der Mitgliederliste, allerdings als passive Mitglieder, die weder posten noch kommentieren. Einige solcher Mitglieder, wie etwa den Polizisten und Funktionär der freiheitlichen AUF-Gewerkschaft Hannes Stiehl, haben wir von Heimat ohne Hass schon auf die Mitgliedschaft und die Inhalte dieser Gruppe aufmerksam gemacht. Allerdings kommt oft von dieser Seite - wie beim Beispiel von Hannes Stiehl - dieselbe Antwort: Man hätte nichts gesehen und wisse nicht, wie man in die Gruppe gekommen ist, aber zumindest sind einige FPÖ-Funktionäre auf unsere Initiative hin aus der Gruppe ausgestiegen.

So weit, so mühsam. Uns blieb nur übrig, die Gruppe weiterhin zu beobachten und strafrechtlich relevante Inhalte der Staatsanwaltschaft zu melden, nachdem sich vermeintlich politisch Verantwortliche ihrer dahin gehenden Aufgabe entziehen.

Diese Tatsache änderte sich allerdings vor Kurzem. Zu unserer Verblüffung tauchte nämlich plötzlich ein neuer User namens “Markus Ripfl” auf, der auch bald darauf damit begann, zahlreiche Postings in der Gruppe zu verfassen. Und dieser Markus Ripfl ist niemand anderer als der neue Emporkömmling der FPÖ und Obmann des RFJ Gänserndorf.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.





Der junge FPÖ-Politiker ist in seiner kurzen Laufbahn schon des Öfteren durch fragwürdige Aktionen vor allem in digitalen Medien aufgefallen und erlangte unlängst mediale Berühmtheit, nachdem er per Petition ein Auftrittsverbot eines deutschen Musikers auf einem österreichischen Festival erwirken wollte.

Wir fragten uns, wie der Jung-FPÖler in diese rechtsradikale Gruppe gekommen war, um ausgerechnet dort Werbung für seine Homepage zu machen und stießen dabei prompt auf einen weiteren Funktionär: Manuel Noe - Stellvertretender Obmann der FPÖ Mödling. Dem Eintrag nach war auch Manuel Noe erst vor Kurzem in die Gruppe gekommen und fand diese scheinbar so interessant, dass er gleich danach Markus Ripfl hinzufügte. Manuel Noe selbst wurde an diesem Tag von Wolfgang Zistler aus unbekannter Motivation der Gruppe hinzugefügt. Wolfgang Zistler ist Bezirksparteiobmann und Gemeinderat der FPÖ Schwechat und war 2013 FPÖ NR-Kandidat. Zistler selbst wurde offenbar vor einigen Monaten von einem der Administratoren der Gruppe hinzugefügt.


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Interessant ist nun die Tatsache, dass FPÖ-Funktionäre offenbar doch in der Gruppe aktiv sind, bzw. zumindest mitlesen, aber eben keine Spuren durch Kommentare oder “Gefällt mir”-Angaben hinterlassen.

Wenn man nun die Protagonisten unserer heutigen Episode und deren politischen Freundeskreis genauer betrachtet, schließt sich wieder ein Kreis altbekannter Personen, die mit Gruppen wie dieser angeblich so überhaupt nichts zu tun haben.

So offenbaren z.B. gemeinsame Fotos von Markus Ripfl und Manuel Noe nicht nur ihre Freundschaft und Zusammenarbeit, sondern bringen auch wieder einmal Christian Höbart (Nationalratsabgeordneter und geschäftsführender Obmann der FPÖ NÖ) in das Geschehen, eine mittlerweile bei uns altbekannte Haupt- und Nebenfigur in vielen unserer Artikel über den rechten Rand der FPÖ.

Auf diesem Foto sehr plakativ zu sehen, ist eine gemütliche Grillerei mit jungen FPÖ-Funktionären, darunter auch Markus Ripfl und Manuel Noe. Übrigens, der Herr, der bei dem Foto so schön kommentiert, ist niemand geringerer als Mister “ich habe nichts gesehen” Hannes Stiehl.

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Ein weiteres Foto, diesmal auf der Facebook-Seite von Manuel Noe, präsentiert dieser stolz, da er darauf beim EU-Wahlkampf in Mödling mit zahlreichen Funktionären zu sehen ist. Darunter auch Wolfgang Zistler, der ihn der in diesem Artikel thematisierten rechtsradikalen Gruppe hinzugefügt hat. Und direkt neben ihm ...man sehe und staune…schon wieder Mister “ich habe nichts gesehen” Hannes Stiehl. Auch der Mentor der freiheitlichen Jugend Christian Höbart ist wieder auf dem Foto markiert, obwohl dieser gar nicht darauf abgebildet ist.


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Wie üblich würde Hannes Stiehl jetzt wohl behaupten, dass er nur zufällig auf dem Foto abgebildet ist und mit den übrigen Personen überhaupt nichts zu tun hat. Nach dieser Logik ist natürlich die “Gefällt mir”-Angabe von ihm - und wahrscheinlich auch die von Christian Höbart - rein zufällig auf ein weiteres Foto von Manuel Noe gelangt.

Screenshot / (C) Facebook Inc.





Aber nun genug von Markus Ripfl, Manuel Noe, Hannes Stiehl und Christian Höbart. Sehen wir uns ein Foto von Wolfgang Zistler genauer an, der bereits seit mehreren Monaten Mitglied in der oben genannten, rechtsradikalen Gruppe “NEIN! - zum EU-Beitritt der Türkei! - (moderierte Gruppe)” ist. Sapperlott, da sind doch tatsächlich wieder ganz zufällig Hannes Stiehl und Christian Höbart mit drauf, die gemeinsam mit den jungen Fans beim “Stammtisch FPÖ Schwechat” posieren.


Screenshot / (C) Facebook Inc.



Abschließend wollen wir unseren LeserInnen noch einen Kommentar von Manuel Noe nicht vorenthalten, den er vor Kurzem auf der Facebookseite von Heimat ohne Hass zum Thema “Löschen von Hasspostings und Mordaufrufen” (konkret ging es um die Facebookseite von Johann Gudenus) verfasste und der nun in diesem Kontext fast schon ironisch wirkt:

Screenshot / (C) Facebook Inc.



Resultat der Recherche und offene Fragen:

  • Benutzt Markus Ripfl bewusst radikale Gruppen für seine Werbung?
  • Was hat Manuel Noe in solchen Gruppen verloren und wieso hat er Markus Ripfl der Gruppe zugefügt?
  • Was hat Wolfgang Zistler in solchen Gruppen verloren und wieso hat er Manuel Noe der Gruppe zugefügt?
  • An alle (auch Ronny Zöchmeister): Haben Sie mutmaßlich strafrechtlich relevante Kommentare bei der Staatsanwaltschaft gemeldet?
  • Wie entzieht sich Christian Höbart diesmal der Verantwortung über seine Schützlinge und Kollegen?
  • Wieso steht ausgerechnet Hannes Stiehl mit dieser Konstellation in so enger Verbindung und wie kann er solche Tendenzen der Jugend übersehen?

Mittwoch, 20. August 2014

Stellungnahme des KZ-Verbands zu bedenklichen Entwicklungen bei Polizei und Justiz


Vorwort


Dieser Gastkommentar auf "Heimat ohne Hass" ist eine Stellungnahme der beiden Vorsitzenden des KZ-Verbandes Wien, der bereits vor einigen Tagen veröffentlicht wurde. Diese mahnende Stimme der Vertreter jener, die zum Teil die Schrecken der Verfolgung durch den Nationalsozialismus noch am eigenen Leibe erdulden mussten, wollen wir auch zu Wort kommen lassen. In der Auseinandersetzung mit den aktuellen Diskussionen rund um die immer weiter nach rechts rückende veröffentlichte Meinung fehlen diese Stimmen im rauschenden Blätterwald des Boulevards fast völlig. 

Gegründet nach der Befreiung Österreichs 1945 als überparteilicher Zusammenschluss der WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus, vereint der “KZ-Verband / Verband der AntifaschistInnen” über seine Landesverbände heute die letzten noch lebenden WiderstandskämpferInnen, Opfer und deren Hinterbliebene sowie die jüngeren Generationen von AntifaschistInnen.





Stellungnahme des KZ-Verbands zu bedenklichen Entwicklungen bei Polizei und Justiz 



WKR-Ball bis „Identitäre“ – Polizei- und Justizopfer Josef und Hüseyin – die Polizei als „Freund und Helfer“ von Wohnungsspekulanten

Am Samstag, dem 17. Mai 2014, hatte die Wiener Polizei neuerlich den Beweis geliefert, dass die neue Linie lautet: beim Schutz rechter bis rechtsextremer Kundgebungen von Anfang an gewaltsam vorzugehen und bei Gewalttätigkeiten von Gegendemonstranten nicht zu de-eskalieren zu versuchen, sondern diese zu benützen, um hinterher die eigene Gewalt zu rechtfertigen. Dass sich das Gerücht, eine der misshandelten Demonstrantinnen habe eine Fehlgeburt erlitten, als unrichtig erwies, ist für die Polizei der Beweis, dass alle in Fotos, Videos und zahlreichen Zeugenaussagen dokumentierten Übergriffe haltlose Beschuldigungen seien. Wieder einmal versuchte die Polizei, die Berichterstattung zu beeinflussen und JournalistInnen daran zu hindern, das Vorgehen der Exekutive aus der Nähe zu beobachten.

Der KZ-Verband Wien fordert eine unabhängige Untersuchung und die Abberufung der Verantwortlichen, die schon für die Eskalation der Gewalt bei der Kundgebung gegen den “Akademiker”-Ball im Jänner 2014 verantwortlich waren.

Im Frühjahr hatte eine neue rechtsextreme Gruppierung ihren Auftritt in Wien: Die „Identitären“. Das Besondere an dieser Gruppierung erklärte Roman Schweidlenka, Sektenbeauftragter des Landes Steiermark und Experte für Weltverschwörungstheorien und neue rechte Bewegungen, in einem Gespräch mit der Tageszeitung “Der Standard“: Die Rechtsradikalen seien heute nicht mehr unbedingt an Glatze und Uniformen erkennbar, „Aktionsformen und Outfit klauen sie sich von den Linken, das ist nicht neu, das gab es schon in der NS-Zeit, als Nazis linke Arbeiterrituale übernahmen und ihre Ideologie hineinstopften. Heute gibt es Rechtsextreme mit langen Haaren und Palästinenserschal auch, das machen die ganz bewusst so.“

Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl von der „Offensive gegen Rechts“ hat vor kurzem gemeinsam mit Kathrin Glösel und Julian Bruns das Buch „Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa“ herausgebracht. Bei der Buchpräsentation am 7. Mai 2014 an der Grazer Universität haben sich, wie sie auf ihrer Web-Site berichtete, rund ein Dutzend „Identitäre“ gewaltsam Zutritt zum Veranstaltungsraum verschafft. Die herbeigerufene Polizei sei sehr freundlich gewesen und habe die Störaktion ernst genommen, ebenso der Verfassungsschutz. Auf diese Weise war es möglich, die „Identitären“ aus dem Saal zu befördern bzw. in einen neuen umzuziehen, wo die Veranstaltung schließlich mit eineinhalb Stunden Verspätung beginnen konnte. In Wien hingegen, sagte Strobl in einem „Standard“-Interview, fühle sie sich „nicht so ernst genommen“. Hier wurde ihre Küchenfensterscheibe mit einem Luftdruckgewehr beschossen, die „Identitären“ machten sich auf ihrer Web-Site darüber lustig, dass die Polizei keine Patronen fand.

In Wien wurde am 17. Mai die Kundgebung von rund 100 „Identitären“ durch ein Großaufgebot von rund 500 Polizisten vor den 400 TeilnehmerInnen einer Gegendemonstration beschützt, die von der „Offensive gegen Rechts“ angemeldet war. Die Übergriffe von Demonstranten (darunter Steinwürfe) gegen die Polizisten, die sich zu einem späteren Zeitpunkt ereigneten, sind zu verurteilen, machen aber die in einer Fülle von Augenzeugenberichten belegten Polizeibrutalitäten gegen die TeilnehmerInnen an der antifaschistischen Gegendemonstration nicht ungeschehen. Außerdem fragt man sich, warum die mit gewaltiger Übermacht ausgerückte Polizei diese Gewalttaten einzelner Demonstranten (gegen die die Polizisten durch ihre Schilde gut geschützt waren) zwar filmen konnte, aber nicht in der Lage war, sie zu verhindern. Der Verdacht, dass hier (nicht zum ersten Mal!) durch den Einsatz von Provokateuren versucht wurde, die Öffentlichkeit zu desinformieren und die friedlichen TeilnehmerInnen zu kriminalisieren, steht im Raum, zumal die Polizei allen Ernstes eine der international seit Mahatma Gandhi üblichen gewaltlosen Aktionsformen, nämlich das Hinsetzen auf eine Straße („Sitzblockade“), als Gewaltakt bezeichnete und mit dem Einsatz von Steinschleudern und Pflastersteinen auf eine Stufe stellte.

Zur Desinformationspolitik der Polizei gehört auch die Behauptung, ein Geschäftslokal, in dem ein geringfügiger Schaden verursacht wurde, sei „verwüstet“ worden. In einer TV-Konfrontation zwei Tage später von einer Journalistin darauf angesprochen, wie eine „Verwüstung“ aussehe, deren Schaden nicht mehr als 200 Euro betrage, sah sich Oberst Johann Golob, Pressechef der Bundespolizeidirektion Wien, nicht in der Lage, darauf zu antworten.

Da Polizeibeamten sich in der Regel gesetzwidrig weigern, die Dienstnummer bekannt zu geben, verlangten die Grünen das Tragen der Nummer auf der Uniform, das in zahlreichen Staaten üblich ist, auch in Österreich einzuführen. Innenministerin Mikl-Leitner erklärte darauf, sie sei nicht bereit, die Polizei mit „Nummerntafeln“ zu kennzeichnen, die es ermöglichen würden, dass „einzelne Beamte und Beamtinnen vernadert werden“. Dass die FPÖ-Gewerkschaft AUF forderte, statt der Polizisten Demonstranten zu kennzeichnen, ist wohl ein verspäteter schlechter Faschingsscherz. Der – von der Polizeigewerkschaft umgehend abgelehnte – Vorschlag von Mikl-Leitner, Polizisten bei derartigen Einsätzen mit automatisch filmenden Videokameras auszurüsten, um die Dokumentation zu objektivieren, wäre diskutierenswert gewesen; die Exekutive wird wohl ihre Gründe haben, warum sie auch von einer solchen Dokumentation nichts wissen will.

Bei der WKR-Demo im Jänner wurde Josef S.verhaftet und bis zum Ende seiner Verhandlung (eine Anklage gegen alle AntifaschistInnen) im Juli in Untersuchungshaft behalten. Zur Draufgabe wurde nach der Demo am 04.06.2014 der Antifaschist Hüseyin verhaftet – mit derselben Begründung wie bei Josef: er hätte bei der WKR-Demo „Landfriedensbruch“ begangen.

Nachdem Josef (wenn auch noch nicht rechtskräftig) vorerst ohne stichhaltige Beweise, auf Grund der Aussage eines (!) Beamten, verurteilt wurde, ist für Hüseyin dasselbe Schicksal zu erwarten. Teile der österreichischen Justiz (von denen viele mit dem Milieu der Burschenschafter verbunden sind) und die von der AUF durchsetzte Polizei zeigen mit diesem Vorgehen gegen Demokraten ein Weltbild, das Angst macht: Am rechten Auge blind sein und mit allen Mitteln demokratische Bewegungen diskreditieren.

Die nächste Stufe der Eskalation im Vorgehen gegen Linke und soziale Bewegungen war die Räumung des Hauses in der Mühlfeldgasse im 2 Bezirk am 28. Juli: Mit 1.700 Mann aus dem gesamten Bundesgebiet wird das Haus von der Früh bis in die Nacht belagert – und im Endeffekt werden 19 Personen aus einem Haus entfernt, die vom Hauseigentümer persönlich eingeladen worden waren dort zu wohnen. Der öffentlich sogar eingestandene Hintergedanke war, auf diese Weise würde der Hausbesitzer die Alt-Mieter loswerden. Nachdem diese Rechnung nicht aufgegangen ist, weil sich Jugendliche und Mieter solidarisierten, wurde die Staatsgewalt eingesetzt, um die Interessen der Wohnungsspekulanten durchzusetzen.

Der pikante – wohl leider nur vorläufige – Abschluss dieser „Fehlleistungen“ von Polizei und Justiz (zu denen auch der so genannte „Tierschützer-Prozess“ von Wiener Neustadt gehört) war wohl, dass seitens der Justiz die Namen und Adressen von AntifaschistInnen, die die Betreiber einer neonazistischen Internet-Seite wegen Wiederbetätigung angezeigt hatten, in einer Weise offen gelegt wurden, dass sie prompt auf genau dieser Neonazi-Internetseite auftauchten. Was zunächst so aussah, als wäre dies eine Unachtsamkeit jenes Staatsanwalts gewesen, der Antifaschisten wegen Landfriedensbruch mit an den Haaren herbeigezogen und nicht nachvollziehbaren Beweisen anklagte, stellte sich schließlich als noch wesentlich bedenklichere Entwicklung heraus: Wie der Vorsitzende der Vereinigung der Staatsanwälte klar stellte, hatte besagter Staatsanwalt dem Betreiber der Homepage als Beschuldigtem den Akt zuerst nur auszugsweise zur Einsichtnahme übermittelt. Als dieser sich beim zuständigen Haft- und Rechtsschutzrichter beschwerte, trug das Gericht dem Staatsanwalt auf, den Betreibern der Neonazi-Homepage alles (!) zu übermitteln, also auch Namen, Telefonnummern und Adressen derjenigen, die die Wiederinbetriebnahme der illegalen Homepage angezeigt hatten. Das ist keine Fehlleistung mehr, sondern der Versuch, jenen, die illegale Aktionen von Neonazis anzeigen, den Schutz des Staates zu verweigern. Dazu passt auch, dass der Sprecher der Landespolizeidirektion Steiermark öffentlich (in einem Interview mit den “Salzburger Nachrichten” am 13.8.2014) erklärte, wenn Polizeibeamte, die Anzeigen von Antifaschisten aufnehmen, in denunziatorischer Absicht auf Neonazi-Homepages namentlich genannt werden, dann könnten sie ja gegen die Veröffentlichung klagen (!).

Als KZ-Verband sind wir von all diesen Vorgängen unmittelbar betroffen. Wir verstehen uns nicht nur als Teil der „Offensive gegen Rechts“, sondern aller demokratischen Kräfte, die gegen Nationalismus und Kriegstreiberei auftreten. Wir befürchten, dass es sich nicht um eine Kette von Fehlleistungen handelt, sondern dass mit einem solchen Vorgehen etwas ausprobiert werden soll: Nämlich innerhalb der Polizei zu sehen, wie weit es der AUF gelingt, ihre Kollegen auf eine stramm-rechte Linie zu bringen und widerstrebende Vorgesetzte unter Druck zu setzen, und gesamtgesellschaftlich, wie die Polizei gegen demokratische Bewegungen in Stellung gebracht werden kann, um bei größeren sozialen Auseinandersetzungen gerüstet zu sein.

Lernen wir aus der Vergangenheit: antifaschistisches Handeln ist kein Verbrechen, sondern die Verteidigung der demokratischen Grundrechte.

Wir rufen alle Antifaschistinnen und Antifaschisten auf: unterstützt demokratische Bewegungen in der Gewerkschaft und in sozialen Bewegungen. Zeigt auf, welche Haltung die Großparteien im Parlament gegenüber solchen Vorstößen einnehmen. Auch von der Forderung des Wiener Bürgermeisters nach den Polizeiexzessen am Rande der „Identitären“-Demo, das Verhalten der Exekutive zu untersuchen, war bald nichts mehr zu hören.

Für den KZ-Verband Wien:

Friedl Garscha (Landesobmann)                                                                   Ernst Wolrab (Landessekretär)



Hinweis:
Podiumsdiskussion auf dem Volksstimmefest, Samstag, 30.8.2014, Jesuitenwiese:

Sonntag, 17. August 2014

Wie umgehen mit religiösem Fanatismus?


Vorwort



01.pngViele unserer LeserInnen wissen, dass ich mit Efgani Dönmez nicht immer konform gehe, mich seine Statements manchmal in Nullkommanix auf die Palme bringen, soweit, dass ich ihn schon zum Rück- und Austritt aufgefordert habe. Warum also nun ein Gastkommentar von ihm? Das hat mehrere Gründe:

1.) Wer sich, so wie Heimat ohne Hass, mit Rechtsextremismus und Rassismus beschäftigt, muss auch über den Tellerrand schauen. Dass unser Hauptaugenmerk dabei der FPÖ gilt, hat den simplen Grund, dass sich in Österreich vor allem diese Partei um den Spitzenplatz auf diesen Gebieten bemüht. Wir verkennen aber nicht, dass es hierzulande auch nicht-österreichische Nationalismen gibt, ebenso wie religiösen Fanatismus. Hier haben wir mit Efgani Dönmez einen ausgezeichneten Kenner der Materie gefunden.

2.) Efgani Dönmez ist oft kontroversiell und pointiert in seinen Aussagen. Eine Diskussion mit ihm verläuft nie nach dem Schema „ach, was haben wir nicht alle ja SO recht“, nein, man kann mit ihm vortrefflich streiten. Das macht es sehr spannend und interessant. Bei allen Gegensätzlichkeiten in unseren Positionen gibt es doch eine Sache, die uns verbindet: Wir BRENNEN dafür, was wir tun. Bei Efgani Dönmez gibt es keine Halbheiten und auch kein diplomatisches Blabla. 

3.) Ein Gastkommentar ist ein Gastkommentar ist ein Gastkommentar – und der muss nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion von HoH widerspiegeln. KommentatorInnen unserer Seite wissen, dass wir auch gerne mal kontroversiell diskutieren, solange die Diskussion sachlich bleibt. Wer nur zum Rumtrollen kommt, fliegt raus. Der Kommentar von Efgani gibt uns wieder einmal die Möglichkeit, dieser Leidenschaft zu frönen.

Manfred Walter
Sprecher der Initiative Heimat ohne Hass

Wie umgehen mit religiösem Fanatismus?

Gastkommentar von Efgani Dönmez (Bundesrat der Grünen)



Ich habe bereits vor Jahren auf diese äußerst bedenklichen Entwicklungen hingewiesen, jedoch wurde ich als Rechter oder Islamophober, insbesondere aus den eigenen Reihen, abgestempelt und in ein rechtes Eck gedrängt, wo ich sicherlich nicht hingehöre. Ich wusste, dass viele Kritiker diese Position aus einer ideologischen Verblendung, aus der geschichtlichen Entwicklung der Grünen, die jahrzehntelange automatische Schutzhaltung gegenüber MigrantInnen und AsylwerberInnen und ohne jegliche Kenntnis über die aktuelle Situation heraus bezogen, ohne jegliche böse Absicht. Denn es ist unvorstellbar, ja unmöglich, dass linke Intellektuelle Leute in Schutz nehmen, die die hart erkämpften demokratischen Werte mit Füßen treten, den Frauen nicht die gleichen Rechte zugestehen sowie Österreich als die eigene Kolonie für neo-osmanische Eroberungen, samt Unterwanderung der österreichischen Parteienlandschaft, missbrauchen.

Pro-Erdogan-Demonstrationen in Österreich, Wahlkampfveranstaltungen der AKP in Wien, Anti-Israel-Demonstrationen in Graz und Wien, organisiert und veranstaltet von „NGO-Ablegern“ der AKP sowie diversen muslimischen Gruppierungen. Denunzierungen und Gewaltaufrufe gegen JournalistInnen, wie Lisa Gadenstätter vom ORF, aus dem Umfeld dieser Bewegungen u.v.m. öffneten vielen ÖsterreicherInnen die Augen. Zu diesem Zeitpunkt war es nicht mehr nötig, durch überspitzte Aussagen auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Nun war es unübersehbar, was sich hier über Jahre und Jahrzehnte zusammengebraut hatte. Dieses gesellschaftspolitische Feld alleine den rechten Parteien zu überlassen, wäre ein großer Fehler.

Mittlerweile kursieren in den sozialen Netzwerken Fotos und Texte, meist von jungen Männern aus Ländern wie Tschetschenien, der Türkei, Bosnien, Albanien und anderen muslimischen Ländern, welche ganz offen mit Terrororganisationen sympathisieren und Andersdenkende ganz offen mit Gewalt und Mord bedrohen. Die Frage des Imports islamistischer Gewalt durch Kämpfer der Terrororganisation IS (vormals ISIS), die in Syrien und im Irak Angst und Schrecken durch unvorstellbar grausame Massaker verbreiten, begrenzt sich nicht nur auf das Internet. Eine größere Zahl IS-Terroristen sind Konvertiten und Staatsbürger eines europäischen Mitgliedsstaates. Der österreichische Verfassungsschutz schätzt deren Zahl alleine aus Österreich auf mindestens 100 Personen und ca. 20 Personen sind bereits bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen. Die Zahl radikalisierter Sympathisanten wächst.

Nun kommt die bittere Rechnung für eine blauäugige Einwanderungspolitik und die Fragen werden immer mehr. Antworten gibt es viele, je nach ideologischer und politischer sowie religiöser oder atheistischer Ausrichtung.

Man muss, wie bei jeder gesellschaftlichen Diskussion, die richtigen Fragen stellen, um am Ende zu einem Ergebnis zu gelangen, welches von so vielen wie möglich mitgetragen wird.

Es kann dabei nicht um die Frage “Abschottung oder totale Öffnung gegenüber Fremden” gehen. Es darf auch nicht darauf reduziert werden, dass eine bestimmte Religion für diese Entwicklungen verantwortlich ist.

Es formen unterschiedliche Faktoren, wie ethnische Abstammung, religiöse Interpretation und daraus resultierende Verhaltens- und Handlungsweisen, sozio-ökonomische Situation, Ausgrenzungserfahrungen, Akzeptanz in einer Gesellschaft und soziale Aufstiegsmöglichkeiten einen Menschen. Warum Jugendliche in dritter oder vierter Generation in Europa lebender MigrantInnen sich von islamistischen Strömungen angezogen fühlen und wer den Nährboden dafür aufbereitet, gehört ebenso hinterfragt wie die pauschale Verunglimpfung und die Mechanismen der Ausgrenzung.

Das Problem liegt nicht im Islam sondern im politischen Islam. Die Anhänger dieser Strömung wurden jahrzehntelang von internationaler Ebene bis hin zu den Nationalstaaten salonfähig gemacht. Als aktuelles Beispiel unter den vielen Beispielen kann man Recep Tayip Erdogan auf internationaler Ebene heranziehen. Vor Jahren noch von der internationalen Gemeinschaft, wie den USA, der EU und anderen Staaten noch als Beispiel für die Vereinbarkeit von Demokratie und Islam hofiert, entpuppte er sich als autoritärer Führer mit re-osmanisierungs-Phantasien, welcher eine Gesellschaft nach seinen islamischen Gesellschaftsvorstellungen zu transformieren versucht. Selbst türkische WählerInnen aus Österreich, welche durch die Wahlrechtsreform erstmals zur Wahl zugelassen waren, wählten zu über 80% Erdogan. Die Wahlkampfauftritte in europäischen Städten wie Wien ließen eine noch gespaltenere Gesellschaft zurück, insbesondere innerhalb der MitbürgerInnen, welche aus der Türkei stammen.

Warum die Politik des Herkunftslandes die türkischen bzw. muslimischen MitbürgerInnen mehr bewegt als die Politik ihres Landes, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben, wirft einige Fragen auf, welche einer kritischen Selbstreflexion der österreichischen Innenpolitik bedürfen. Hier wird auch eines deutlich ersichtlich: Die Grenzen der Außen- und Innenpolitik fließen immer mehr ineinander. Die Außenpolitik wird zur Innenpolitik, die Innenpolitik zur Außenpolitik.

Das von Saudi Arabien finanzierte und von der ÖVP, in der Person vom damaligen Außenminister Michael Spindelegger, massiv unterstützte King Abdullah Zentrum für „interreligiösen Dialog“ wurde gemeinsam mit dem Vatikan sowie dem spanischen Königshaus mit diplomatischen Immunitäten ausgestattet und in Österreich installiert. Islamistischen Extremismus in Österreich zu thematisieren und dieses unter dem Deckmantel des interreligiösen Dialogs von den Saudis finanzierte Zentrum nicht anzusprechen, wäre eine grobe Themenverfehlung, aber dies in allen Facetten darzustellen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Diese Verbrechen, welche im Namen des Islam begangen werden, haben absolut nichts mit dem Islam zu tun. Denn selbst das Wort „Scharia“ wird sehr oft in den falschen Kontext gestellt, selbst von Muslimen. Scharia wird von vielen Muslimen und Nichtmuslimen als eine Ansammlung von juristischen Gesetzestexten und als Verhaltensregelwerk betrachtet und verstanden. Der Begriff Scharia bedeutet im arabischen „der Weg zur Quelle“. Auf den Islam übertragen bedeutet Scharia “der Weg zu Gott”. Mouhanad Korchide fragt in seinem Buch “Scharia – der missverstandene Gott” auf Seite 73, welcher Weg nun zu Gott führt. Ist der Weg wirklich ein juristischer Weg? Wird die Gott-Mensch-Beziehung im Islam über diesen Weg bestimmt?

Die Antwort auf diese Fragen hängt von der jeweiligen Gottesvorstellung und der Gott-Mensch-Beziehung ab. In seinem Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ nimmt er Bezug auf zwei Auslegungen des Gottesverständnisses. Die eine Gottesvorstellung nimmt Gott als restriktiven Befehlshaber wahr, der lediglich Gehorsam verlangt, dem sich die Menschen bedingungslos zu unterwerfen haben. Gott sucht in diesem Fall nach Sklaven, welche nur Befehle ausführen. Die andere Gottesvorstellung nimmt Gott als barmherzigen, liebenden Gott wahr. Dem es darum geht, dass die Menschen in Liebe, Respekt, Vernunft miteinander und zu ihm in Verbindung treten und keinesfalls ihn verherrlichen und ihm blind gehorchen.

Erstere sind jene, die den politischen Islam befürworten und sich in der ausgeprägtesten Form in extremistischen Strömungen wiederfinden, Andersdenkende ausgrenzen und töten. Letztere sind Menschen, die so wie ich denken und Vernunft sowie konkretes Handeln nicht losgelöst voneinander betrachten, den politischen Islam als Wegbereiter für Fundamentalismus und Extremismus auf das Schärfste ablehnen und nicht den Islam als Religion. Denn Religion und Nicht-Religiosität ist immer das, was die Menschen daraus machen. Die Verantwortung liegt letztendlich beim Individuum, denn der Mensch wurde mit freiem Willen geboren.

Wie ist die Haltung der muslimischen Vereine zu ISIS und den Vorgängen im Irak?


Es gibt, wie in jedem Theater, eine Bühne. Die Zuschauer, welche nicht hinter die Kulissen blicken, nehmen das Geschehen auf der Bühne wahr. Da nimmt jeder seine Rolle ein und trägt die vorgegebenen Texte dem Publikum vor. Dann gibt es das Leben hinter der Kulisse, da bekommt man mehr Einblick, was sich wirklich abspielt. Wie in vielen muslimischen Ländern ist die Religion Hauptbestandteil der schulischen Bildung. Neben islamischer Glaubenslehre, islamischem Recht, Koranexegese und Koranrezitation wird Millionen von Kindern eingeimpft, wer ein Muslim ist und wer nicht. Viele der sunnitischen Gelehrten prägen den Kindern ein, dass das Schiitentum ein Irrglaube sei, dass Schiiten vom Islam Abtrünnige seien. 

Der innerislamische Zwist hat seinen Ausgangspunkt nach dem Tod des Propheten Mohammed, seit jeher gibt es massive Spannungen, die in Gewaltorgien münden. Dass jede andere Religion, insbesondere jene, welche von der salafistischen, wahabitischen Strömung abweicht, eine Irrlehre ist, dies braucht man erst gar nicht zu betonen. Die muslimischen Gruppierungen haben sich zu Wort gemeldet und die Vorgänge im Irak verurteilt. Dass die Brandstifter gelegentlich mit dem Feuerlöscher in der Hand in Erscheinung treten, sollte den Blick für die Ursachen der Konflikt-  und Brandherde nicht trüben.

Selbst der islamische Religionsunterricht an österreichischen Schulen, welcher von der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) organisiert und durchgeführt wird, sowie auch von dieser kontrolliert wird, (eine systemische Fehlkonstruktion sondergleichen) vermittelt den SchülerInnen, dass der Islam eine Ansammlung von Erlaubtem und Verbotenem sei. Die Entwicklung einer eigenen Religiosität und ethischen Verantwortung wird kaum in Erwägung gezogen. Dem Import von Imamen und Seelsorgern aus dem Ausland, welche kaum eine Ausbildung haben, wird kein Riegel vorgeschoben. Diese Multiplikatoren, finanziert aus dem Ausland, stehen dann in gesellschaftsrelevanten Bereichen und machen Stimmung. Deswegen haben wir, unter anderem in Österreich, gerade mit muslimisch-stämmigen MigrantInnen trotz Islamgesetz die größten Schwierigkeiten.

Warum beziehen diese Vereine nicht oder kaum öffentlich Stellung zu dem Thema?


Das Islamgesetz und die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) sind das beste Beispiel für einen permanenten Fehlauftritt. Die IGGÖ hätte die Möglichkeit gehabt, innerhalb dieser rechtlichen Autonomie außerhalb eines muslimischen Staates, die IGGÖ so zu organisieren, dass sich alle islamischen Strömungen vertreten fühlen. Diese Möglichkeit hat sie nicht ergriffen, weder unter dem alten Präsidenten Anas Schakfeh, welcher den Saudis sehr nahe steht, noch unter dem gegenwärtigen Präsidenten Fuat Sanac, welcher der islamistisch-nationalistischen Milli Görüs und den AKP-Ablegern sehr nahe steht. Unter dem falschen Vorwand, alle in Österreich lebenden MuslimInnen zu vertreten, wurde Jahrzehntelang die Öffentlichkeit bewusst in die Irre geführt. Es wurden nur jene muslimischen Richtungen vertreten, welche bereits im Herkunftsland dominierend sind. Die politisch genehme Variante des Islams wurde somit zum Exportschlager. Alle anderen Richtungen innerhalb des Islams wurden im besten Falle negiert. Durch diesen einseitigen Zugang verspielt die IGGÖ es bis heute, die Vielfalt innerhalb des Islams auch zu verdeutlichen. Die Konsequenz daraus war, dass sich die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft durch zig Instanzenzüge und Widrigkeiten das Recht auf einen eigenen Status als Glaubensgemeinschaft erkämpfte. Weitere Anträge von unterschiedlichen muslimischen Strömungen sind gegenwärtig im Kultusamt in der Pipeline. Die Verantwortlichen für diese Entwicklung sind eindeutig in der IGGÖ sowie dem zuständigen Ministerium und bei den lange Zeit als „schwarze ÖVP-Enklave“ bekannten Kultusamt-Beamten zu suchen.

Selbst innerhalb der IGGÖ gibt es Stimmen, welche die Entwicklungen und Zugänge sowie die politische Instrumentalisierung der Religion nicht teilen. Die wenigen kritischen Stimmen wurden vorsorglich entsorgt, jene die als Lehrkörper an den Schulen tätig waren, wurden ihrer Existenz beraubt, indem sie keine Lehrberechtigung mehr erhielten.  

Wie gefährlich schätzen Sie / schätzen diese Vereine radikale Islamisten in Österreich ein?


Man muss hier zwischen religiösen Menschen, die in Ruhe ihren Glauben leben wollen, und Vertretern eines politischen Islams, welche den Weg für eine fundamentalistische sowie extremistische Einstellung vorebnen, unterscheiden. Die österreichische Politik hat auch in der Vergangenheit durch Bauverbote für Moscheen und Minarette, bzw. durch vorgeschobene Argumente wie Bauordnungen, dazu beigetragen, dass sich Menschen, welche ihren Glauben leben wollen, jedoch sich in nicht würdigen sowie angemessenen Räumlichkeiten sammeln können, diesen radikalen Kreisen aussetzen mussten. Durch die Zurückdrängung von Moscheen in Hinterhöfe und Kellerabteile wurde der Nährboden für fundamentalistische sowie extremistische Strömungen vorgeebnet.

Menschen einer anerkannten Religionsgemeinschaft fühlten und fühlen sich ausgegrenzt, als Menschen zweiter Klasse, ein optimaler Nährboden für die radikalen Seelenfänger. Würden unsere verantwortlichen Politiker mit etwas mehr Fingerspitzengefühl vorgehen, hätten wir unter anderem viele gegenwärtigen Probleme zumindest nicht in diesem Ausmaß. Statt mit saudischen Islamgelehrten aus Saudi Arabien in Dialog zu treten, wäre es angemessener mit jenen in Dialog zu treten, die in Österreich ihren Lebensmittelpunkt haben. Durch die Mitwirkung der politisch Verantwortlichen bei der Errichtung von Moscheen in Österreich hätte man sich ein Mitspracherecht seitens der Politik und der anliegenden BürgerInnen sichern und den Hunderten von Hinterhof- und Kellermoscheen den Nährboden entziehen können.

Die extremistische Gefahr geht primär auch nicht von den bekannten Vereinen aus, schon gar nicht von der IGGÖ. Denn so eine offene Flanke können sie sich nicht leisten. Es gibt zwar stark konservativ-nationalistische Haltungen einiger führender Mitglieder, jedoch sind diese nicht gefährlich. Die größte Gefahr geht von kleinen Gruppierungen aus, die unter anderem als Wanderprediger unterwegs sind. Diese treffen sich meist in Privatwohnungen und Kellern und läuten bei ausländisch-muslimisch klingenden Namen gezielt an der Haustüre, um die Menschen zum gemeinsamen Gebet in eine naheliegende Moschee einzuladen. Jugendliche werden meist über soziale Netzwerke angesprochen und mit Informationen versorgt.

Wie reagieren Sie auf radikale Islamisten?


Wer unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat in Frage stellt, hat meiner Meinung nach jegliche Aufenthaltsberechtigung verwirkt. Hier bedarf es einer klaren Haltung und keiner falsch verstandenen Toleranz. Zweifelsohne braucht unser Land MigrantInnen und an der Willkommenskultur muss sicherlich noch einiges verbessert werden, aber wer den Rechtsstaat durch die Scharia ersetzen möchte, wer Frauen als minderwertig betrachtet und ihnen nicht die gleichen Rechte einräumen möchte, wer in Österreich neo-osmanische Eroberungsphantasien in die Realität umsetzen möchte, diese Leute und deren Geisteshaltung müssen im Interesse der Demokratie und deren Erhalt bekämpft werden.

Eine engere Zusammenarbeit durch das Innenministerium, den Verfassungsschutz und die Behörden, welche die Aufenthaltstitel verleihen, wäre ein erster Schritt, um Österreich vor importiertem Extremismus zu schützen.

Fühlen Sie sich bedroht durch radikale Islamisten?


Es liegen einige Morddrohungen gegen mich und andere liberale Muslime vor. Der Verfassungsschutz und die Polizei sind eingeschaltet, Anzeigen wurden erstattet. Nichtsdestotrotz lasse ich mich von diesen Leuten nicht einschüchtern, denn dies wäre ein Kniefall vor den Radikalen.