Samstag, 13. Juni 2015

Das Blaue vom Himmel - Gastkommentar von Uwe Sailer

Alle Untersuchungen ergeben ein eindeutiges Bild. Die FPÖ hat keine Wirtschaftskompetenz. Nur 19% der Österreicher schreiben laut einer aktuellen Trend-Umfrage der FPÖ ausreichend Wirtschaftskompetenz zu. Bei der ÖVP liegt dieser Wert bei 49%, bei der SPÖ bei 30%.

Unter dem Titel "Wird ER euch auch belügen?" beschäftigt sich die Wochenzeitung FORMAT mit dem Thema, was kommt, wenn die FPÖ die Regierungspartei stellt. Und das kommt laut FORMAT "wenn HC Strache regiert":

Die FPÖ verspricht das Blaue vom Himmel
Ihr Wirtschaftsprogramm ist Geld verteilen à la Haider

Die Schulden würden weiter steigen.

Foto: FORMAT, Ausgabe 24/2015, Cover

Das freiheitliche Impulsprogramm zur Wirtschaft stammt von 2010, neuere konkrete Ansätze gibt es zum Thema Steuern. Was also will die FPÖ? In ihrer Diktion würde das wahrscheinlich "Mittelstand und kleiner Mann statt Asylant" bedeuten, schreibt Format.

"Historisch betrachtet, war die FPÖ eine Partei jener Unternehmer, die nicht katholisch geprägt waren", sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Und da die FPÖ sich wieder stark dem Nationalen zuwendet, rückt die Wirtschaft in den Hintergrund. Auch dass sie die Sozialpartnerschaft aushebeln will und den Bürgern viel "Blaues" vom Himmel verspricht, sorgt für Skepsis.

Die Distanz der FPÖ zur Wirtschaft hat mehrere Gründe: das Thema ist schlicht nicht wahlentscheidend, sich gegen Zuwanderung zu stemmen bringt mehr Stimmen. "Kommt die FPÖ allerdings in Regierungsverantwortung, wird sich das ändern - und sich die Partei schnell entzaubern", so Kathrin Stainer-Hämmerle. Der Partei fehlen schlichtweg Vordenker-Organisationen. Erfolgreiche Wirtschaftstreibende gehen deutlich auf Distanz zum freiheitlichen Lager. Deklarierte Strache-Fans findet man höchstens unter Inhabern von Klein- und Mittelbetrieben.

Das sieht der oberösterreichische FPÖ-Landesrat Manfred Haimbuchner natürlich anders, wenn er meint: "Dadurch sind wir viel unabhängiger und kein Lobbying-Privatclub von Industriellen.". Haimbuchner ist Teil einer Arbeitsgruppe im Parlament. Als "Wirtschaftsnachhilfe-Club" wird dieser Kreis von Spöttern bezeichnet.

"Der Strache-FPÖ fehlt jegliche Wirtschaftskompetenz, mit Wirtschaftspolitik weiß sie mangels Personen und Programmatik wenig bis gar nichts anzufangen. Die FPÖ habe sich der Leistungsfeindlichkeit verschrieben" sagt Helmut Haigermoser, der der FPÖ den Rücken gekehrt hat.

Manfred Haimbuchner widerspricht dieser Sichtweise und meint, dass die FPÖ eine "Leistungsträgerpartei" sei und daher sollen aus Sicht der FPÖ die Nicht-Leistungsbringer, das sind also jene, die Mindestsicherung empfangen, künftig noch weniger Unterstützung erhalten, denn Arbeit muss wieder attraktiver gemacht werden. Die FPÖ bestraft somit genau jene, die diese Partei wählen. Sollten die Blauen in eine Regierung kommen, dann wird sie ihre Handschrift klar in den Bereichen Sicherheit und Zuwanderung manifestieren.

Wie irrend die FPÖ zum schwierigen Thema Arbeitslosigkeit vibriert, zeigt ihre Orientierung, dass diese nur wegen der "Zuwanderung" gegeben sei. Daher heißt das blaue Rezept "sektorale Schließung des österreichischen Arbeitsmarktes für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger, vor allem am Bau und im Reinigungsgewerbe. Dass das rechtlich gar nicht möglich ist, stört die Strache FPÖ offenbar wenig.

EU und EURO sind der FPÖ schon lange ein Dorn im Auge. Um heimische Betriebe zu schützen, sollte es laut FPÖ "Strafsteuern" gegen Billigimporte geben. Starke Volkswirtschaften wie Österreich sollen den "Nordeuro" bekommen, schwächere den "Südeuro" meint Manfred Haimbuchner. Unter einer FPÖ-Regierung wird Österreich dann wohl beim "Südeuro" landen, dafür aber eine stolze Heimatpartei haben.

FPÖ nahe Manager sind rar geworden oder verstorben. Was im Wahlkampf 1999 unter Jörg Haider schon sichtbar geworden ist, hat sich im Jahr 2015 zu einem großen Loch entwickelt. Die Wirtschaftskompetenz hatte sich nie bei der FPÖ eingefunden und ist jetzt endgültig geflohen. Die FPÖ will aus ihrer Geschichte lernen, in der schwarz-blauen Koalition von 2000 mangelte es an geeignetem Personal. So will man es zukünftig mit Experten auch außerhalb der FPÖ versuchen, aber nur mit Experten. Frauen spielen in dieser Partei nämlich keine Rolle. Und wollen diese Experten wirklich für die FPÖ arbeiten?

Früher sagten sich die Leute "Ich sehe schwarz". Den Schwarzen werden aber die meisten Kompetenzen in Sachen Wirtschaft zugeschrieben. Wenn die Strache-FPÖ die Macht ergreifen sollte, dann werden sie "blau sehen", weil diese Partei nämlich nur das Blaue vom Himmel verspricht, vom Bierzelthimmel.

Überlasst dieses Land nicht den Heimatsozialen! - Gastkommentar von Georg Friedrich Haas

Keine österreichische Partei wird heute so unklug sein, sich selbst als „national“ zu bezeichnen. Dieser Begriff ist obsolet geworden. Heute werden dafür andere Formulierungen gewählt. „Heimat“ zum Beispiel. Oder „Österreich zuerst“.

Keine österreichische Partei wird sich heute noch als „sozialistisch“ bezeichnen. Auch dieser Begriff ist – leider - veraltet. Das heißt jetzt „sozial“.

Aber alle verstehen, wie es gemeint ist.

Wenn eine Partei sich als „soziale Heimatpartei“ bezeichnet, dann weiß jeder Mensch in diesem Land: das ist eine verbotsgesetzkonforme Umformulierung von „nationalsozialistische Partei“. Jeder Österreicher weiß das. Und jede Österreicherin.

Seit „der traut sich was, der Jörg“ (gemeint war: „Er traut sich, mit nazistischen Parolen zu spielen und am Verbotsgesetz anzuecken“), oder auch seit den gelben Plakaten für Waldheim ist das augenzwinkernde Spiel mit der Nazivergangenheit ein erfolgreiches Mittel in Wahlkämpfen.

Das ist entsetzlich.

Aber leider ist es Realität.

Die Parallelen zwischen der FPÖ (der heimatsozialen Österreichischen Arbeiterpartei) und der NSDAP (der nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei) sind offensichtlich:

Beide Parteien sind/waren offen anti-intellektuell.
Beide Parteien haben/hatten kein Programm, das ideologisch fundierte Inhalte formuliert/formulierte - an die Stelle von gesellschaftspolitischen Konzepten treten/traten Emotionen eines organisierten „Wir-Gefühls“.
Beide Parteien machen/machten eine Gruppe von Menschen, die zwischen uns leben/lebten und sich kulturell von der Mehrheit unterscheiden zum Feindbild, zu Sündenböcken, die an allem schuld sein sollen/sollten, was gesellschaftlich schiefläuft/schieflief.
Beide Parteien haben/hatten einen „Führer“, der aus dem „einfachen Volk“ kommt/kam, der die Partei autoritär leitet/leitete.
Und nicht zuletzt: sie stellen sich selbst als die Opfer dar: Die „armen“ xenophoben, rassistischen „Ausgegrenzten“...

usw.

Selbstverständlich gibt es Unterschiede. So etwas wie die Propagandamaschinerie der NSDAP ist in der Zeit des Internet gottseidank nicht mehr möglich. Und: Während die Nazis leider erfolgreich auch durchaus kluge Menschen in ihre Reihen integrieren konnten, gibt es heute niemanden, der als WissenschaftlerIn, KünstlerIn oder ÖkonomIn von Rang bei der FPÖ auch nur anstreifen wollte.

Vielleicht ist die FPÖ deshalb nicht ganz so gefährlich, wie die Nazis waren. Vielleicht.

Andererseits haben sie auch klar angekündigt, wie sie mit Andersdenkenden umzugehen beabsichtigen: Wenn sie erst an der Macht sein werden, würden diejenigen, die jetzt gegen sie protestieren, „die Luft zum Arbeiten brauchen“.
Wir müssen diese Drohung ernst nehmen. Genauso wie man vor 85 Jahren das Geschreibsel von „Mein Kampf“ ernst nehmen hätte müssen.

Georg Friedrich Haas, © Substantia Jones

Dass im Vorfeld der letzten Wahlen Texte und Anzeigen von FPÖ-Leuten auftauchten, die groteske Rechtschreibfehler aufwiesen, war keine Panne. Es war Teil des Systems. Die Botschaft war klar: „Wir sind dumm. Ihr seid auch dumm. Also wählt uns!“ Dieses System funktioniert. Strache sagt – ich fürchte zu Recht – „Man kann uns nicht mehr aufhalten.“ Denn das Potential ist vorhanden: „Dummköpfe aller Bundesländer, vereinigt euch!“

Ein Freund von mir zog in den 80iger Jahren durch die öffentlichen Toiletten von München. In mühsamer Kleinarbeit klebte er Abziehbilder von Franz Josef Strauß in die Klomuscheln. „Damit die Arschlöcher sehen, wen sie gewählt haben“, sagte er.
Es wäre unnötig, Vergleichbares in Wien mit Strache-Bildchen zu machen - oder gar mit Konterfeis seiner Vasallen in den Bundesländern. Denn wer die FPÖ wählt, braucht durch keine Aktion mehr aufgeklärt zu werden, dass er(sie) etwas Schmutziges tut. Er(sie) weiss es.

Man komme mir jetzt nicht mit dem Märchen von den Proteststimmen! Es gab in der Steiermark und im Burgenland genügend Alternativen: Grüne, NEOS, die Kommunisten, die Piraten - sogar die Stronach-Partie wäre noch seriöser gewesen als die „Freiheitlichen“. Ein Protest hätte durchaus sehr wirksam formuliert werden können, ohne eine heimatsoziale österreichische Arbeiterpartei zu wählen.

Das einzige Erfreuliche an diesen Wahlergebnissen ist, dass Voves und Niessl für Ihren Anbiederungskurs an die FPÖ gebührend abgewatscht wurden. Gelernt haben sie aber offensichtlich nichts daraus. Im Gegenteil.

Es ist an der Zeit aufzustehen und deutlich zu sagen „Nicht mit mir.“ Aus dem Schoss, der die FPÖ hervorgebracht hat, ist bis jetzt nichts herausgekrochen, das gut war. Lernen wir doch Geschichte! Der (Deutsch)-Nationalismus, die Großdeutschen, die Nationalsozialisten, der VDU, das BZÖ und die FPÖ haben in den letzten 120 Jahren nichts, aber auch gar nichts Positives in Österreich bewirkt. Wohl aber eine Unmenge von schrecklichen Dingen – in den letzten Jahren das System Haider mit der Hypo-Alpe-Adria und eine Verrohung im Umgang mit Flüchtlingen.

Wenn sie an die Macht kommen sollten, würden sie weiterhin Furchtbares tun. Schlimmeres als nur ein paar Milliarden Euro zu verpulvern

Stoppen wir sie. Schaffen wir eine BEWEGUNG – nach dem Motto „Wählt was immer Ihr wollt, aber wählt. Überlasst dieses Land nicht den Heimatsozialen“.

Ich weiß nicht, wie das geschehen soll. Eine Möglichkeit scheint mir darin zu bestehen, sich zu Wort zu melden. Wenn Hundertausende aufstünden und lautstark erklärten: „Wir wählen diese nationalistischen und unmenschlichen Dummköpfe nicht.“ – dann wäre das vielleicht ein erster Schritt, dem blaunen Treiben Einhalt zu gebieten.

Ich träume von einer Internet- oder Plakatkampagne:
Ich wähle sie nicht, weil...
... ich an dem Mist, den sie bauen würden, nicht mitschuldig sein möchte
... ich dieses Land zu sehr liebe, um es ihnen zu überlassen
... weil diese Leute in den letzten 120 Jahren schon genügend Unheil angerichtet haben
... weil ich lesen und schreiben kann
... weil sie herz- und hirnlos sind
... weil sie uns ihre Konzeptlosigkeit als „Gspür“ zu verkaufen versuchen
... weil mein IQ größer als 43 ist
... weil ich nicht von Biertischen aus regiert werden möchte
usw.

Es gibt Tausende von Gründen.
Sprechen wir sie aus.

Wir können nicht verhindern, dass frustrierte, vom Leben enttäuschte, dumme und irregeleitete Menschen in der Wahlzelle das Kreuzchen bei der „FPÖ“ machen. Aber wir sollten sie dazu bringen, sich dafür wenigstens zu schämen. Vielleicht wählen einige von ihnen dann nächstes Mal anders.


Georg Friedrich Haas (*1953) ist einer der international renommiertesten österreichischen Komponisten. Seit 2013 ist er MacDowell Professor of Music an der Columbia University New York.