Samstag, 26. Juli 2014

Maximilian Krauss - eine steile Karriere

Am Dienstag, dem 22.07.2014, wurde bekannt, dass die FPÖ einen 21-jährigen Jus-Studenten und Burschenschafter zum stellvertretenden Stadtschulratspräsidenten nominieren wird, viele Medien berichteten. Kritik, quer durch die politischen Lager und auch von Seiten einiger Menschenrechtsorganisationen, ließ nicht lange auf sich warten. Grund genug für Heimat ohne Hass, uns auf Facebook und generell im Internet ein wenig genauer über den Emporkömmling umzuhören. Vor allem der Grund für die auffällig hohe Gunst der FPÖ-Parteispitze interessierte uns.

Zur Einleitung ein kleiner Eintrag aus Krauss’ Facebookprofil vor wenigen Jahren, als die Prioritäten noch bescheidener waren:

Screenshot / (C) Facebook Inc



Werdegang und politisches Profil

Über die deutschnationale Einstellung des 21-jährigen und seine Mitgliedschaft in der schlagenden Burschenschaft “Aldania” wurde bereits in den Medien berichtet. Einige Infos dazu im folgenden Screenshot. 




Mit der Ernennung von Krauss will Strache "frischen Wind" in den Stadtschulrat bringen und "Probleme an Schulen ansprechen". Von seiner bisherigen Karriere als Bundesobmann-Stellvertreter und geschäftsführender Landesjugendobmann des RFJ Wien, sowie als Bezirksobmann der FPÖ Josefstadt wurde er durch viele polarisierende Aussagen und Aktionen bekannt. So gehören zu Krauss' politischen Forderungen die Separierung von "ausländischen Schülern" in reine "Ausländerklassen" oder die "chemische Kastration von Kinderschändern", wie er in einem STANDARD-Interview vergangenen August erklärte. "Ausländer mit türkischem Blut" will der 21-jährige heimschicken.


Es folgen auch einige Beispiele von der Facebook-Seite Krauss’


So spricht er von der “Asylmafia” im Zusammenhang mit den Votivkirchen-Flüchtlingen. . .
Screenshot / (C) Facebook Inc



. . . ist sich sicher, ein “Potenzielles Terroristen-Nest” in der Josefstadt ausfindig gemacht zu haben . . .


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. . . will generell türkische Migranten “zurückschicken” . . .


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. . . oder verbreitet Angstmeldungen, dass täglich Jugendliche von Ausländern schwer verletzt und ausgeraubt werden.



Selbstverständlich schließt sich Krauss auch beim Thema Song-Contest dem Großteil der freiheitlichen Meinungen an und befürchtet in “seinem Land” ein “Zentrum der Transvestiten”:


Screenshot / (C) Facebook Inc



Besonders gerne greift er offensichtlich auch den nur um 7 Jahre älteren Außenminister Kurz an. So bringt es Krauss äußerst in Rage, dass Sebastian Kurz muslimischen Österreichern ein frohes Ramadanfest wünscht.


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Vermutlich deswegen sieht er in Aussenminister Kurz einen “Multi-Kulti Fetischisten”, wie er auf seiner Facebook-Seite und auf der Homepage der FPÖ-Wien bekanntgibt.


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Sogar eine Anzeige wegen Verhetzung hatte sich der junge Politiker bereits eingehandelt. SOS Mitmensch brachte die Anzeige ein, da Krauss eine in rechtsextremen Kreisen kursierende Lügengeschichte über „straffreien Kindesmissbrauch durch Türken“ verbreitete. Bereits ein Jahr davor war der Obmann der FPÖ Lichtenwörth für die Verbreitung ebendieser rechtsextremen Lügengeschichte erstinstanzlich wegen Verhetzung verurteilt worden. Allerdings wurde das Verfahren gegen Maximilian Krauss eingestellt, SOS Mitmensch sprach von “einer höchst fragwürdigen Begründung”.

Jetzt scheint es abermals eng zu werden für den Nachwuchspolitiker. Wie am 24.07.2014 bekannt wurde, prüft nun der Verfassungsdienst rechtlich eine Bestellung von Maximilian Krauss zu seinem neuen Amt. Krauss bezeichnete den Wiener Bürgermeister Häupl als “Türkenbürgermeister”, Häupl ist formell für die Berufung der Stadtschulratpräsidenten zuständig.

Qualifikation für die “Beförderung”

Genug aber nun von der politischen Gesinnung Maximilian Krauss’. Wir wollten eigentlich der Frage nachgehen, was Krauss ansonsten für Qualitäten aufweist, die die Symphatie der FPÖ-Parteispitze begründen würden. Auf seiner Facebook-Seite befindet sich verhältnismäßig wenig Zuspruch von potentiellen Wählerschichten. 

So erntet folgender Kommentar neben einigen Gratulanten zu seiner “Beförderung” die meisten “Gefällt mir”-Angaben

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Weitere Beispiele auf der “Gratulations-Seite”


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Dieser Kommentar von 2013 führt offenbar die “Gefällt mir”-Liste auf seiner gesamten Facebook-Seite an.



Etwas aufschlußreicher erscheint dann schon das selbstlose Posting, wo sich Krauss solidarisch mit Heinz-Christian Strache zeigt, der auf seinem privaten Facebook-Profil offensichtlich eine längere Sperre ausfasste und sagt Facebook den Kampf an.

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In einigen seiner Kommentare agiert er ganz nach seinem politischen Mentor und bringt bei Kritik sofort die “von den Medien aus dem Kontext gerissen”-Ausrede:


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Weitere Pluspunkte dürften ihm die häufigen gemeinsamen Touren mit seinem “besten Chef” Johann Gudenus (Strache-Vize) in der Passage Wien eingebracht haben. . .

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. . . mit Heinz-Christian Strache zum “Dank der Leber” unterwegs gewesen zu sein, erhöhte seine Beliebtheit offenbar weiter.

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Die größte Erkenntnis und weitere interessante und humorvolle Details diesbezüglich brachte jedoch ein Posting in einer Facebook-Gruppe einer Wiener Burschenschaft ein. Wir gingen davon aus, dass Maximilian Krauss außer von Gudenus und Strache zumindest auch aus den Reihen der deutsch-nationalen Burschenschaften Rückendeckung bekommen dürfte. Allerdings hat es den Anschein, als ob der 21-Jährige auch dort keinen allzuguten Ruf hat, wie das Posting von Thomas Hüttner - Bezirksrat FPÖ Donaustadt belegt.

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Thomas Hüttner hätte Herwig Götschober - Bezirksrat Rat FPÖ Leopoldstadt auf dem Posten vermutet, diesem fallen auf Anhieb 8-10 “geeignetere” Kandidaten für Krauss’ Posten ein.



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Thomas Hüttner mit einem guten Tipp für Götschober (offenbar ist uns dieses Detail auf Krauss’ Facebook-Seite verborgen geblieben).


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Es folgen weitere, teils erheiternde Kommentare zur von der FPÖ erhofften Ernennung von Krauss zum Vize-Stadtschulratspräsident . . .


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. . . und auch nochmal ein ausführlicheres Statement von Götschober:

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Bei den darauffolgenden Kommentaren waren wir nicht wenig überrascht, als sich zeigte, dass Maximilian Krauss angeblich nichteinmal geeignet für das österreichische Bundesheer sein sollte . . .

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. . . aber für das blutige Mensurfechten bei den Burschenschaften durchaus fit genug wäre (wenn auch scheinbar nicht sehr erfolgreich).

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Natürlich ist es nur reine Spekulation, dass sich Maximilian Krauss vor dem Wehrdienst gedrückt haben sollte, denn zumindest auf seiner Facebook-Seite hat er ganz nach freiheitlicher Manier stolz eine Frage natürlich mit “Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes” beantwortet.


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Fazit: 

Im Endeffekt konnten auch wir nicht eindeutig herausfinden, weshalb gerade Maximilian Krauss so hoch qualifiziert für den Posten als stellvertretender Stadtschulratspräsident sein sollte, aber eines ist klar: Er weiß offenbar, was seinen politischen Vorbildern gefällt.
Freitag, 25. Juli 2014

Strache und die Satire

Wissen vorgaukeln und über Wissen verfügen, sind zweierlei Dinge. Der FP-Chef kann ersteres sehr gut und bewies das dieser Tage brillant, indem er einen Satire-Artikel als "wahr" teilte.


Screenshot / (C) Facebook Inc
Dass auf der Facebook-Seite von Strache “unabsichtlich” ein Satire-Artikel des Online-Magazins “Der Postillon” als neueste Schlagzeile verkauft wird, wurde bereits gestern in den Medien erwähnt. Aber da gäbe es noch viel mehr dazu, Dinge, welche die Medien ohne permanente Beobachtung der Seite nicht feststellen können. Denn noch lange bevor die Admins den Artikel gelöscht haben, wurden zahlreiche Kommentare ausgeblendet:

Es wurden beispielsweise folgende Kommentare binnen weniger Augenblicke vom Seitenbetreiber ausgeblendet: 

“Hahaha ….. wie doof darf man sein auf dieser Welt?”
“Auch ein Rechtspopulist muss ab und zu mal seinen Horizont erweitern! :-)”
“Der gängige Internetjargon hält für Postings wie dieses den Anglizismus “Fail”, wahlweise verstärkt duch das Adjektiv “Epic”, bereit. Nur zur Information. Ein Postillon-Leser”
“Mit Verlaub: Sie sind saudumm. Und diejenigen die das glauben”


*Anmerkung: Wir bitten um Verständnis, die Kommentare liegen nur in Form eines Textabzuges vor, für Screenshots waren diese leider zu kurz sichtbar.

Was kann man daraus nun ableiten?

Richtig gestellt wurde das falsche Posting selbstverständlich nicht. Die treue Anhängerschaft könnte dies ja ansonsten in den falschen Hals bekommen. Denn obwohl bereits einige Benutzer darauf aufmerksam gemacht haben, dass es sich um einen Satire-Artikel handelte, kommentierten manche munter weiter:

Screenshot / (C) Facebook Inc

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Screenshot / (C) Facebook Inc

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Was lässt sich daraus schließen?

1. Herr Strache teilt Artikel anscheinend ohne Überprüfung, wenn diese seiner Weltanschauung entsprechen (dazu in einem späteren Artikel mehr).

2. Solche Artikel werden von seiner AnhängerInnenschaft völlig unkritisch aufgenommen und benutzt, um ihre Meinung zu unterstützen. Egal wie die Faktenlage tatsächlich aussieht.

3. Während die Kommentare die - natürlich völlig zurecht - darauf hinweisen, dass es sich hier um einen Satireartikel handelt sofort gelöscht werden, bleiben Wortmeldungen die im Sinne Straches gepostet werden stehen, selbst dann wenn sie in ihrer Wortwahl in einer gesitteten Diskussion nichts zu suchen haben.

Fazit: 

Diese irrtümliche Teilung eines Satire-Artikels zeigt beispielhaft auf, welche bedenklichen Methoden Herr Strache (bzw. die Admins seiner Seite) verwenden, um Meinungsmache zu betreiben und billige Ressentiments zu erzeugen.

Nun verabschieden wir uns nach der Auswertung von rund 218 Screenshots (einen herzlichen Dank an unsere aufmerksamen LeserInnen) ins Wochenende.

Gastkommentar Natascha Strobl

Autorinnen-Info: Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Rechtsextremismusforschung und Mitautorin des Buches "Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa" (Unrast 2014). Sie schreibt über Rechtsextremismus auf www.schmetterlingssammlung.net und engagiert sich bei Offensive gegen rechts. 

Über das Fischen mit grobmaschigen Netzen

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht erschien vor wenigen Tagen. Er deckt das Jahr 2013 ab, die vielen aktuellen Ereignisse wie der WKR-Ball 2014 mit dem sehr bedenklichen Polizeieinsatz, die Fälle Josef, Martin und Hüseyin, der Marsch der Identitären sowie die internationale klerikalfaschistische Vernetzung bei der Gegendemonstration gegen den Christopher Street Day sind nicht erfasst.

Die Hälfte dieser Ereignisse wird auch nicht, schon gar nicht mit Namen versehen, drinnen stehen. Denn eines ist gewiss, wenn es um Verfassungsschutzberichte geht: Rechtsextremismus wird ungenau erfasst, banalisiert und abgetan.

So wird gleich am Anfang des Berichts großmütig erklärt, dass Rechtsextremismus keinerlei Gefahr darstelle und im Vergleich zu anderen Ländern auf niedrigem Niveau sei. Mit welchen Ländern hier verglichen wird, bleibt unklar. Vielleicht mit der Weimarer Republik. Vorangeschickt muss werden, dass der Verfassungsschutz auf der Extremismustheorie aufbaut, also von einer verfassungsfreundlichen, normativ guten und erstrebenswerten Mitte ausgeht, von der sich zwei, normativ gleich schlechte Ränder abheben: Der Links- und der Rechtsextremismus.

Die Grenzen der Extremismustheorie

Interessanterweise wird relativ prominent ein Phänomen aufgenommen, was genau diese, recht einfach gestrickte, Einteilung aufbricht: Die Neue Rechte und die Identitären. Wenngleich Letztere nicht namentlich genannt, sondern akrobatisch umschrieben werden, so wird ihnen viel Platz eingeräumt. Aber genau bei der Neuen Rechten zeigt sich, dass Rechtsextremismus kein Phänomen eines imaginären Randes ist. Hier reden wir von Personen, die zu einer (zukünftigen) Elite zählen: Rechtsanwält_innen, Publizist_innen, sogar ehemalige Chefredakteure namhafter Zeitungen usw. Der Ort, an dem rechtsextreme Diskurse stattfinden und befeuert werden, befindet sich also tief drinnen in dieser „Mitte“. Das zeigen auch Leute wie Sarrazin, Herrmann und Pirinçci. Das sind nicht irgendwelche „Modernisierungsverlierer_innen“, wie es so schön heißt. Das sind Leute in einer extrem privilegierten Position, die mit all den vielfältigen Ressourcen nach unten treten, die ihnen die Gesellschaft zur Verfügung stellt. Dazu passen auch die Gabaliers dieser Welt. Denn was die Neue Rechte will, ist nicht Parteienpolitik sondern Diskursverschiebung nach rechts. Neben den organisierten Kadern, die sich um Publikationsprojekte wie die Blaue Narzisse, eigentümlich.frei oder die Sezession gruppieren, gibt es den aktionistischen Arm wie die Identitären. Die Wirkung geht aber darüber hinaus mit mehr oder minder losen Anbindungen an Parteien wie die FPÖ (die neuerdings sogar Sujets der Identitären übernimmt), die AfD und die NPD. Und dann gibt es die ganz großen Multiplikator_innen, die bewusst oder unbewusst die rechtsextremen Narrative und Botschaften weitertragen. Ob gewollt oder ungewollt, spielt dabei gar keine Rolle mehr. In den meisten Fällen, wie bei Sarrazin und Pirinçci, ist das gewollt, das zeigt auch deren Teilnahme an Blogs oder Konferenzen aus genau diesem Lager. Diese komplexe Realität der Neuen Rechten ist vom Verfassungsschutz nicht erfassbar, weil sie diametral der Extremismustheorie widerspricht. Wenn plötzlich bis in sehr etablierte Parteien hinein rechtsextreme Diskurse weiter getragen werden, dann steht der Verfassungsschutz vor einem großen Problem, denn dann müsste er genau das in einen Bericht hineinschreiben.

Als Zwischenfazit kann also festgehalten werden, dass die sehr grobmotorischen Analyseinstrumente des Verfassungsschutzes nur einen sehr kleinen Teil des Rechtsextremismus überhaupt erfassen können. Und selbst bei diesem Teil wird nur sehr schaumgebremst berichtet, so fand sich über das Objekt 21 kein Wort und auch die Burschenschaften kamen jahrelang schlichtweg nicht vor. Die erfreuliche Änderung in diesem Jahr ist, dass von ihnen zumindest am Rande (im Zusammenhang mit den Identitären) die Rede ist.

Statistiken wenig aussagekräftig

Die säuberlich aufgelisteten Statistiken werden zwar mit dem Warnhinweis, dass sie nicht wirklich die Realität abbilden, versehen, aber die ganze Absurdität offenbart sich erst im Detail. So wird angegeben, dass es 0 (in Worten: null) Verletzte durch rassistische Straftaten gab. Durch antisemitische Straftaten gab es laut Statistik ganze zwei Verletzte. Es bedarf viel Naivität, diese Zahlen wirklich als realistisch einzuschätzen. Auch sonst sind die Statistiken über Straftaten sehr wenig aussagekräftig, da die Einteilung unklar bleibt und die Dunkelziffer beträchtlich sein dürfte.

Linke als Feindbilder

Während neben den Identitären immerhin noch alpen-donau.info und die Fußballhooligans, die eine Gewerkschaftsversammlung im Ernst-Kirchweger-Haus, überfallen haben, vorkommen, bleibt es sonst sehr mau mit Namen bzw. Andeutungen von rechtsextremen Parteien, Personen, Zeitschriften und Organisationen. Immerhin wird Linken noch bescheinigt, sie hätten aktiv zur Verhinderung von rechtsextremen Aufmärschen beigetragen. Sonst bleibt das bekannte Bild in der Abteilung „Linksextremismus“: Linke sind gewaltbereit. Die wichtigen Themen der Linken, wie „gegen rechts“, Kapitalismuskritik und Kritik am österreichischen Asylwesen werden fein säuberlich aufgelistet. Damit sollen diese Thematiken an sich schon anrüchig werden. Zentral sind natürlich die Proteste gegen den WKR-Ball, der wieder einmal nur bei „Linksextremismus“ aber nicht bei Rechtsextremismus auftaucht, obwohl sich namhafte Rechtsextreme dort vernetzen. Der Vernetzungscharakter wird hingegen bei den Linken betont. Hier wird das Bild weitergezeichnet, was sich spätestens seit den diesjährigen Protesten gegen den Ball etabliert hat: Gewalttätige „Linksextreme“ aus ganz Europa kommen zum Randalieren nach Wien. Damit lassen sich dann auch gut Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, riesige Sperrzonen sowie Zensur der Presse rechtfertigen. Interessant an den, ansonsten auch wenig aussagekräftigen, Statistiken ist, dass die Anzeigen nach den Paragraphen „Landfriedensbruch“ und „Sprengung einer Versammlung“ deutlich in die Höhe geschnellt sind. Das sind jene Gummiparagraphen, nach denen jetzt massiv gegen Antifaschist_innen vor gegangen wird.

Abschließend lässt sich sagen, dass sich eine leichte Professionalisierung in der Analyse von Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz durchgesetzt hat. Trotzdem scheint es, als würden sie mit viel zu grobmaschigen Netzen fischen, so dass ihnen relevante Zusammenhänge schlichtweg entgehen bzw. das politisch so gewünscht ist. Bei „Linksextremismus“ ist hingegen jede Regung verdächtig, die sich nicht mit den aktuellen Verhältnissen zufrieden gibt. Das ist kein Zufall, sondern Teil der Repression.
Donnerstag, 24. Juli 2014

Schuldspruch für Antifaschisten am Jahrestag brauner Morde

Gedenkkundgebung anlässlich des
ersten Jahrestags des rassistischen Mordes
in Traun (Juli 2012)
Vorgestern wurde in Wien der junge Antifaschist Josef S. wegen mehreren Straftaten, die er bei einer Demonstration gegen den rechtsextremen „Akademikerball“ begangen haben soll, zu einem Jahr Haft, davon acht Monate bedingt, verurteilt (nicht rechtskräftig). Im Laufe des Prozesses berichteten zahlreiche Medien, vor allem aus Josef S.' Heimatland Deutschland, über die äußerst fragwürdigen Methoden, die die österreichische Justiz im Umgang mit Josef an den Tag legte. So wurde etwa der (Gummi-)Paragraph des Landfriedensbruches, der in Österreich bis vor kurzem totes Recht war, gegen Josef bemüht. Der Beschuldigte wurde rund ein halbes Jahr in U-Haft gehalten, mit der dubiosen Begründung, es bestehe Tatwiederholungsgefahr. Das Urteil gegen Josef stützt sich auf die Aussage eines einzigen Polizeibeamten, der noch dazu anonym blieb. Dies sind nur einige Beispiele aus einer ganzen Reihe von Details, die Fragen über die Vorgangsweise der Justiz aufwerfen:

Will man die Teilnahme an antifaschistischen Demonstrationen kriminalisieren und Menschen davon abhalten, dass sie gegen Rechtsextremismus öffentlich ihre Meinung kundtun?

Das Urteil erging übrigens ausgerechnet am dritten Jahrestag des Massenmord-Anschlags des norwegischen Neonazis Anders B. Breivik. Dieser ermordete am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen, viele von ihnen waren TeilnehmerInnen eines Zeltlagers einer sozialdemokratischen Jugendorganisation. Und nicht „nur“ in Norwegen mordete am 22. Juli ein Neonazi. In den Nachtstunden des Mordanschlags von Breivik schoss im oberösterreichischen Traun der Rechtsextremist Johann Neumüller auf eine rumänische Familie. Zwei Personen wurden schwer verletzt, der 65-jährige Alecsandr H. starb am Tatort. Der Leiter des Verfassungsschutzes, Peter Gridling, bemerkte in der Folge, er könne bei der Tat keinen politischen Hintergrund erkennen und sprach von einem „Nachbarschaftsstreit“.

Bedenkt man, mit welcher Härte und mit welchem Eifer antifaschistisch orientierte Menschen von der österreichischen Justiz verfolgt werden, erscheint der gleichzeitige Samthandschuh-Umgang mit Rechtsextremen (in Ried im Innkreis wurden in den letzten Wochen etwa zwei Rechtsextremisten trotz erwiesener Nazi-Sprüche freigesprochen) umso fataler.