Samstag, 19. Oktober 2013

Tastatur-Hooligans mit Cyber-Tourette

Manfred Walter aus Linz weiß, dass er sich exponiert, und dass das gefährlich werden kann. Dennoch gibt der 44-jährige Elektriker und Betriebsrat, der an der Uni Linz arbeitet, sein Gesicht her, um auf ein politisches Minenfeld hinzuweisen: die vor Hass triefenden Postings rechtsrechter Internetnutzer in diversen geheimen Facebook-Zirkeln. Walter ist Sprecher der Facebook-Initiative „Heimat ohne Hass“. Ein Interview im Vorfeld des internationalen Aktionstages gegen Faschismus und Antisemitismus am 9. November, der heuer unter dem Motto steht: „Stop Hate Speech Online!“

Manfred Walter – vor der Homepage seiner Aktivistengruppe gegen Hass-Poster – klagt „zunehmende Radikalisierung in Wort und Bild“ an. Bild: VOLKER WEIHBOLD Quelle: nachrichten.at

OÖN: Herr Walter, Ihre Gruppe beobachtet ultrarechte Personen, die sich auf Facebook austauschen. Was war denn da zu beobachten in letzter Zeit?
Walter: Eine zunehmende Radikalisierung in Sprache und Bild und immer häufigere Androhungen von Gewalt. Eines der schlimmsten Postings aus jüngster Zeit lautete: „Diesen ganzen Muslimenscheißhaufen mit Benzin übergießen und anzünden. Ich zahle die Benzinrechnung.“

Ein irrer Ausreißer?
Wenn ein stellvertretender Bundesparteiobmann der FPÖ (Johann Gudenus, Anm.) öffentlich auf einem großen Fest seiner Partei sagen kann: „Jetzt heißt es ,Knüppel aus dem Sack!’ für alle Asylbetrüger, Verbrecher, illegalen Ausländer, kriminellen Islamisten und linken Schreier!“, dann ist das klar die Botschaft an die Leute, Gewalt sei okay. Er kann es vielleicht als Metapher gemeint haben, weiß aber genau, wie das bei seinem Zielpublikum ankommt.

Wie kam es dazu, dass sich dieses Publikum auf Facebook eine Ecke eingerichtet hat, wo es offen Hass predigen kann?
Gleich nach der Pornoindustrie ist von den Rechten erkannt worden, dass das Internet eine geeignete Plattform ist, auf der man Inhalte schnell und kostengünstig verbreiten kann. Mit dem Auftreten von Facebook hat sich das potenziert, weil jeder persönlich darin seine Meinung kundtun kann, und weil viele meinen, das Internet sei ein rechtsfreier Raum. Von linker Seite hat es zwar öfter Versuche gegeben, antifaschistische Kräfte zu bündeln, aber das hat nie wirklich funktioniert.

Aber jetzt dann doch, wie Ihre Initiative zeigt, oder?
Vor knapp einem Jahr ist der Lukas Mayer (Tarnname, Anm.) mit einer Idee und einem Konzept aufgetreten. Er hat es geschafft, österreichweit knapp 70 Leute zu finden, die nun nachsehen, was auf Facebook Einschlägiges abgeht, auch in den geschlossenen und geheimen Gruppen.

Wie ging das konkret vor sich?
Wir haben Fake-Accounts geschaffen mit kompletter Biografie vermeintlich Rechtsgerichteter. Da steckt viel Arbeit dahinter, damit die glaubwürdig wirken. Daraufhin sind wir in geschlossene Gruppen eingeladen worden. Eine der bekanntesten Erfindungen war der Rudi Bechwaltzer, den wir dann auch ganz offiziell sterben haben lassen. Er war mit höheren FPÖ-Funktionären befreundet und ist dann in die geheimen und geheimsten Gruppen hineingeholt worden. Dort hat man sich wirklich kein Blatt vor den Mund genommen.

Je geheimer, desto radikaler?
Je verschworener der Bereich ist, desto radikaler sind die Sprache und die angebotenen Lösungsansätze. Es gibt Exponenten in diesen Gruppen, die sich klar zum Nationalsozialismus bekennen.

Das Feindbild, sind das allein die Muslime, oder andere auch?
Das Feindbild ist nicht mehr der Jude, sondern der Moslem. Da wird von Anzünden geschrieben, von Kastrieren und Zurückamputieren – alles Drohungen verbunden mit körperlicher Gewalt. Da ist keine Menschlichkeit mehr. Als die Tragödie vor Lampedusa passierte, hieß es sofort: „selber schuld“, „zu feige zum Zuhausebleiben“, „jedes Flüchtlingsschiff auf dem Meer versenken!“.

Das sind Aussagen, die auffallend an jene des norwegischen Attentäters und Massenmörders Anders Breivik erinnern …
Ich sehe mehr den Kontext zu den 1930er-Jahren. Wie es damals hieß „Juden unerwünscht“, heißt es heute „Moslems unerwünscht“, und es geistern auch ähnliche Bilder durch das Internet. Breivik war sicherlich ein Ergebnis der Propaganda vom rechten Rand, die er schließlich umgesetzt hat. Und die Gefahr ist nicht zu unterschätzen, dass auch in Österreich ein Wahnsinniger das für bare Münze nimmt.

Ist Ihnen noch irgendwie erklärlich, was da vor sich geht?
Es ist fast unvorstellbar: Da sind Menschen unter den Hass-Postern, die selbst Familie haben, ein soziales Umfeld, wo es nett zugeht. Die gehen jeden Tag brav arbeiten, aber am Abend werden sie zu regelrechten Tastatur-Hooligans. Eigentlich unglaublich!

Wie groß ist die rechts-rechte Hass-Szene?
Die Gruppe, die wir kürzlich gesprengt und bei der Staatsanwaltschaft angezeigt haben, war 150 Leute groß, davon die Hälfte FPÖ-Funktionärinnen und -Funktionäre, von Gudenus abwärts. Diese Gruppe war hauptsächlich in und um Wien tätig. In Linz haben wir die „Austrian Defense League“ angezeigt, die von zwei Linzern angeführt wurde. Bei denen wurden schon Hausdurchsuchungen gemacht. Ansonsten gibt es auch immer wieder Exponenten aus Oberösterreich, zumeist aus der niederen FPÖ-Funktionärsschicht.

Was treibt diese Leute an?
Bei den Funktionären geht es vor allem darum, Inhalte weiterzugeben, Propaganda zu machen. Aber bei sehr vielen in diesen Gruppen dient das Hassposten zum Frustabbau. Es handelt sich dabei großteils um die C- und D-Wählerschicht, die durchaus auch reale Ängste hat, etwa um ihren Arbeitsplatz. Und diese Ängste werden speziell von der FPÖ kanalisiert.

Ist die Szene nach der Aufdeckung der Hass-Gruppen vorsichtiger geworden?
Ja, insbesondere in der Auswahl der Gruppenmitglieder. Aber in der Diktion hat sich nichts verändert.

Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, „Heimat ohne Hass“ agiere als Agent provocateur?
Jedes unserer Postings mit den Fake-Accounts wird juristisch darauf abgeklopft, ob es auf dem Boden der Rechtsordnung steht, damit wir uns nicht selbst strafbar machen und genau diesen Vorwurf entkräften können. Das ist zeitaufwändig, aber unumgänglich, wenn man das Material der Staatsanwaltschaft übergeben will. Der Staatsanwaltschaft Wien haben wir 30 Gigabyte an Daten übermittelt.

Was wird herauskommen bei Ihren Anzeigen nach Wiederbetätigung, Verhetzung etc.?
Schwer zu sagen. In Oberösterreich hat die Staatsanwaltschaft bei der „Austrian Defense League“ sehr schnell reagiert; aber da ist es auch schon um Bombendrohungen gegangen. Wie lange die Wiener brauchen, um das Material zu sichten, wissen wir nicht. Man ist dort personell unterbesetzt.

Warum glauben diese Leute, dass sie sich im Internet kein Blatt vor den Mund nehmen müssen?
Viele glauben, das Internet sei ein rechtsfreier Raum. Sie glauben, Eingaben aus Österreich seien nicht strafbar, wenn der Server in den USA steht: ein weit verbreiteter Irrglaube. Auch der Glaube, dass man auf Facebook anonym unterwegs sein könne, ist falsch. Facebook arbeitet mit den Behörden in allen Ländern sehr eng zusammen.

Warum werden die Behörden nicht von sich aus tätig?
Es scheint schon so zu sein, dass manche Behörde auf dem rechten Auge wenig sieht. Andererseits ist Wiederbetätigung ein Offizialdelikt. Das heißt: Wenn mir so etwas unterkommt, muss ich es anzeigen. Und das tun wir.

Auch in Zeitungsforen liest man zuweilen Aussagen, die im wirklichen Leben nicht ausgesprochen würden. Wie kommt das?
Das macht die Distanz. Am Stammtisch überlege ich mir eine Aussage selbst noch bei 1,5 Promille, wenn der Kontrahent direkt gegenübersitzt. Aber daheim in der Distanziertheit, in der eigenen Höhle fühlt man sich sicherer. Und dort kriegen manche dann Cyber-Tourette.

Ist das ansteckend? Oder was stimmt nicht mehr in unserer Gesellschaft?
Wenn wer öffentlich derart hasst, dann kann etwas Grundlegendes nicht stimmen. Man muss schauen, dass man seinen Kindern schon von klein auf Respekt vor dem anderen beibringt. Aber unsere Gesellschaft ist stark in Richtung Entsolidarisierung abgedriftet. Jahrelang wurde uns eingeimpft: „Du bist der Größte, der Beste, nimm auf andere keine Rücksicht! Denn dir hilft auch keiner.“ Das war eine neoliberale Gehirnwäsche über die vergangenen 30, 40 Jahre.

Wie sehen Sie die Zukunft?
Mit Sorge. Wenn man sich den Werdegang der FPÖ seit 1986 anschaut, dann wurde immer wieder ein Schäuferl nachgelegt – und die Leute stumpfen immer mehr ab. Die Partei hat sich von den Buberln zu den Burschenschaftern entwickelt. Ich muss dann immer an Stefan Zweig denken, der gesagt hat: „Der Nationalsozialismus hat sich in kleinen Dosen durchgesetzt.“ Wenn unser Landeshauptmann sagt, Oberösterreich habe kein Problem mit dem Rechtsextremismus, und ein paar Wochen später wird das Objekt 21 ausgehoben, dann weiß ich, woher der Wind weht. Man will negieren, dass es durchaus Probleme gibt. Dazu kommt: Junge Männer wählen bereits mehrheitlich FPÖ. Ich weiß auch nicht, wie man damit umgehen soll, aber politische Bildung an den Schulen wäre ein Ansatz.

Ihr Rat an die Politik?
Konstruktiv zusammenarbeiten und öffentlich diskutieren. Nicht alles, was vom politischen Gegner kommt, in Bausch und Bogen verdammen!

Netzwerktreffen von 68 Organisationen

Manfred Walter ist einer der Referenten beim Treffen des Oö. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus (Antifa-Netzwerks), das am Samstag (19. Oktober) um 14 Uhr im Bildungshaus Schloss Puchberg in Wels stattfindet. Das Netzwerk wurde 2001 gegründet und wächst seither ständig. Heute gehören ihm 68 Organisationen an, darunter die Katholische Aktion, die Gewerkschaftsjugend, die Volkshilfe, die Pfadfinder, die Kulturplattform KUPF, der Gemeindevertreterverband und das Museum Arbeitswelt. Miteinander haben die Netzwerk-Organisationen mehr als 40.000 Mitglieder. „Wir engagieren uns gemeinsam für Demokratie und Menschenrechte, gegen Rassismus und Rechtsextremismus“, sagt Netzwerk-Sprecher Robert Eiter.
Ein weiterer Referent beim Treffen ist Morten Kjaerum, der Direktor der EU-Grundrechteagentur, die ihren Sitz in Wien hat.

Quelle: http://www.nachrichten.at/nachrichten/web/Tastatur-Hooligans-mit-Cyber-Tourette;art122,1216500
Freitag, 18. Oktober 2013

Wer noch Fragen haben sollte WARUM wir das machen ...

Der Kampf gegen den rechten Rand ist wie der Kampf gegen Windmühlen - aber wir geben nicht auf. Alleine folgendes Posting sagt relativ viel aus darüber, wie es in unserem Land aussieht:



279 Freundschaftsanfragen hat diese Person seit dem Morgen erhalten...

Zu finden ist dieses Posting auf der Timeline von Irene S. welche die mutmaßliche Verfasserin einer Bombendrohung ist:


Die Arbeit wird uns so schnell nicht ausgehen ...

Neue Aufdeckung ...

"Heimat ohne Hass" hat aufgedeckt und Uwe Sailer hat es bei der Staatsanwaltschaft Wels angezeigt. Hier sollen Leute mit "Bomben" und Kugeln entsorgt werden. Und wer mischt mit. Wieder einmal der "Bunte" und äußerst Rechte Ludwig Reinthaler aus Wels. "I mog Wels nimma"

https://www.facebook.com/groups/136585889740507/?fref=ts


Ein kleiner Auszug aus den dortigen Postings. Alles hier zu posten würde den Rahmen sprengen...


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.



Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.



Screenshot / (C) Facebook Inc.

Update 18. Okt. 2013

Nach der Veröffentlichung im Kurier wurde das Posting gelöscht, dafür munter weiter geschimpft.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Die rechte Gefahr: Droht Europa eine Nazi-Revolution?

Der Focus in Deutschland schreibt einen sehr nachdenklich stimmenden Artikel...

Deutschland ist längst nicht mehr die einzige Nation, die mit rechten Strömungen assoziiert wird. In Ländern wie Schweden, Frankreich oder Griechenland rückt die Nazi-Szene immer öfter in den Fokus. Doch woran liegt das? Und was können demokratische Parteien dagegen tun?

„Nazis vor den Toren!“ Das hört man in Europa landauf, landab. Stimmt es? Beginnen wir mit Deutschland. Von hier kamen die Nazis, wenngleich der Faschismus Anfang der 1920er Jahre in Italien sozusagen erfunden wurde. Hier wurde der Nazismus zum Urverbrechen der Menschheit. Zurecht blicken daher bundesdeutsche Demokraten immer nach rechts, vor allem auf die NPD. Deren Verbot wird von vielen wortgewaltig gefordert. Ob man dumme, gefährliche Gedanken verbieten kann, darf bezweifelt werden. Unabhängig davon sprechen die Tatsachen eine klare Sprache. Eine Massebewegung ist die NPD so wenig wie andere Neu-Nazismen.

Vor knapp einem Monat stimmten 1,3% der Bundesbürger für die NPD. Das waren 1,3% zu viel, aber man achte auf die Größenordnungen. In einigen Ost-Bundesländern ist die NPD im Landesparlament, aber selbst in den schlimmsten Albträumen kann man die NPD nicht vor den Toren deutscher Macht sehen. Neunazistische Gewalttäter gibt es aus DDR-historischen Gründen (die leider noch wirken) im Osten zuhauf. Das ist ein wirtschaftliches, erzieherisches und nicht zuletzt ein polizeiliches Problem. Freilich findet man jene Gewaltbereiten auch im Westen. Aber weder in West- noch Ostdeutschland können sie unsere Demokratie kippen.

Frankreich: Rechte Bewegung könnte zur echten Gefahr werden
Ganz anders sieht es in Frankreich aus. Dort ist die Sorge, die extreme Rechte der Front National könnte so stark, gar stärker als Linke und Konservativ-Liberale werden, begründet. Die Gründe wurden oft genannt: die Unfähigkeit der sozialistischen Regierung von Präsident Hollande, die totale Zerstrittenheit der bürgerlichen Opposition, die Wirtschaftsmisere und die EU-Verdrossenheit, Kartellierung der Macht durch Traditionsparteien, die eigentlich abgewirtschaftet haben.

Vergleichbare Gründe kann man für andere europäische Staaten nennen, wo rechte oder ganz allgemein im Trüben fischende oder Nur-Protest-Parteien große Erfolge erringen: Man denke an Österreich, die Niederlande, Italien, Griechenland, Belgien (Flandern vor allem), Finnland, Schweden. Nicht in allen genannten Ländern, doch in vielen, sind die Protest-Parteien rechtsextrem oder nazistisch, und nicht bei allen ist der EU-Überdruss entscheidend.

„Die neue Europäische Revolution“
Entscheidend ist, dass die meisten demokratischen Parteien Europas, übrigens auch Putins autoritäres Russland, sich der wirklichen Europäischen Revolution nicht stellen: Der fundamentalen Veränderung ihrer eigenen und der gesamteuropäischen Gesellschaft. Wo man hinschaut, wird Europa bunter. Menschen aus aller Herren Länder strömen nach Europa. Sie gehören völlig unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Ethnien an. Das mag man begrüßen oder bedauern. Es ist eine Tatsache, es ist DIE Tatsache Europas, es ist die neue Europäische Revolution.

Ja, Revolution, denn eine Revolution verändert und verkehrt alles vollständig, kehrt oben nach unten und umgekehrt. Unsere meist einheitlich nationalen Gesellschaften sind längst multinational, multireligiös, multikulturell. Die Alteingesessenen und die neu Zugewanderten kommen damit meistens noch (?) nicht zurecht. Jene fühlen sich bedroht, diese nicht angenommen. Sie bleiben einander fern und dadurch fern und weil fern und fremd entwickelt sich bei vielen Alten und Neuen Feindschaft.

Demokratische Parteien haben selten etwas zu bieten
Gedanklich-konzeptionell haben die demokratischen Parteien leider selten dazu etwas zu bieten. Weder gedanklich noch – woher auch? – politisch, faktisch. Meistens verharmlosen und überzuckern sie die revolutionäre Wirklichkeit ihres Landes und Europas. Umgekehrt Le Pen, griechische Nazis & Co. Sie pöbeln ´rum, haben gedanklich auch nichts zu bieten, aber sie klopfen knallharte Sprüche, denen noch härtere, nämlich gewalttätige Aktionen folgen. Das Ergebnis ist klar: Beide Seiten verhärten sich.

Womit vielleicht auch erklärt wurde, weshalb es in Deutschland nicht knallt. Gewiss, auch Deutschland ist bezüglich der Europäischen Revolution kein Modell, erst recht kein Paradies. Aber hier haben schon seit langem viele ernsthaft nachdenkende Menschen in Gesellschaft, Kultur und Politik – und keineswegs nur Multikultiromantiker – darüber nachgedacht, wie man Alt- und Neubürger zusammenbringen kann. Manchmal gab es dabei abenteuerliche, auch lächerliche, teils dumme Ideen.

Deutschland braucht mehr als Phrasendrescherei
Insgesamt aber ergaben sich für Alt- und Neubürger eindeutige Signale: dass man sich des Problems bewusst ist und zu lösen versucht. Nicht jeder Versuch ist erfolgreich, doch auch erfolglose Versuche sind auf diesem Gebiet wichtige Signale des guten Willens. Davon gibt es bei uns mehr als in Frankreich und den anderen europäischen Staaten, wo Vorstädte und Autos und manchmal eben nicht nur Autos brennen.
Gefragt sind Konzepte, die der Mehrheit der Altbürger zeigen, dass sie ihre traditionelle Lebensform fortsetzen können und (wenn sie wollen, also Nachwuchs haben) Mehrheit bleiben, zivilisatorische Grundregeln gelten und durchgesetzt werden, ohne den Neubürgern ihre Eigenidentität zu rauben. Dafür bedarf es mehr als der Phrasendrescherei – auch in Deutschland. Es ist auch hier wahrlich nicht alles Gold, was glänzt. Vorsicht, wenn revolutionäre Ursachen nicht rechtzeitig erkannt, benannt und ausgeräumt werden, droht massenhaftes Blutvergießen.


Quelle: http://www.focus.de/politik/gastkolumnen/wolffsohn/knallharte-sprueche-statt-visionen-die-rechte-gefahr-droht-europa-eine-nazi-revolution_aid_1130146.html
Mittwoch, 16. Oktober 2013

Schafft das Wort Extremismus ab!

Zwar ein Artikel aus dem Jahr 2011 und unserem Nachbarland, aber hier genauso gültig ...

Schafft das Wort Extremismus ab!
Die Regierung mag nicht ablassen von dem Dogma, Rechts- und Linksextreme seien das gleiche Problem unterschiedlicher Ausprägung. Das ist gefährlich. Kommentar VON CHRISTIAN BANGEL

Sollte man jemanden ablehnen, weil er linksextrem denkt? Kommt darauf an. Akzeptiert er Gewalt? Schwebt ihm eine autoritäre Führung vor? Dann ja. Oder besteht sein Linksextremismus darin, gesellschaftliche Güter – Geld, Bodenschätze, Arbeitskraft – radikal umverteilen zu wollen? Dann ist er vielleicht ein Dogmatiker, vielleicht ein Träumer. Jedenfalls ist er weder menschenverachtend noch gefährlich für andere.

Sollte man jemanden ablehnen, der rechtsextrem denkt? In jedem Fall. Neonazis (dis-)qualifizieren Menschen vor allem nach angeborenen Merkmalen: Ethnie, Hautfarbe, Geschlecht. Deshalb ist ihre Weltsicht selbst dann menschenverachtend, wenn sie gewaltfrei auftreten.

Schon dieser Unterschied wäre Grund genug, Rechts- und Linksextremisten nicht in denselben Karton zu packen, wie es die Bundesregierung in einer Erklärung gerade wieder getan hat. Man kann aber auch die reinen Zahlen hernehmen – Neonazis sind nicht nur in der Theorie brutaler. Knapp 150 Todesopfer rechtsextremer Gewalt seit der Einheit zählten ZEIT ONLINE und der Tagesspiegel . Dem steht ein linksextremer Mord gegenüber – verübt von der mittlerweile aufgelösten RAF.

Schröders Linken-Feindseligkeit

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kämpft schon lange für die Gleichsetzung von rechts- und linksextrem, Neonazis scheint sie vor allem für überschätzt zu halten. Rassismus, prangerte sie vor einiger Zeit an, werde immer häufiger von Migranten gegen die deutsche Mehrheitsgesellschaft ausgeübt. Antisemitismus sei ein großes Problem der Linkspartei. Und Linksextremisten müsse man schon am Rand der SPD fürchten. Der sichtbarste Ausdruck dieser altherrenrechten Haltung war die von ihr eingeführte Extremismusklausel.

Initiativen gegen Rechtsextremismus müssen seit einiger Zeit ihre Kooperationspartner eine Unterschrift auf das Grundgesetz leisten lassen – obwohl zahlreiche Wissenschaftler und Initiativen in einem offenen Brief warnten, die Arbeit gegen Neonazis werde diskreditiert und gefährdet. Selbst das Familienministerium hat bei der Einführung der Klausel keinen Fall benennen können, in dem Verfassungsfeinde staatliche Gelder erhalten haben.

Dass der Kampf gegen die Neonazis auf diese Weise operativ geschwächt wird, ist noch das kleinere Problem. Viel schlimmer ist, dass Schröder in ihrer Partei keine Außenseiterin ist. Selbst Angela Merkel bekennt sich zur Totalitarismustheorie "Rechtsextrem gleich Linksextrem". Sie wird wissen, dass in dem Thema eine der letzten konservativen Überzeugungen verborgen liegt.


Man kann sich diese Denkschablone wie ein nach oben geöffnetes Hufeisen vorstellen: Unten die gemäßigte Mitte; an den Rändern, gleichweit von der Mitte entfernt, Rechts- und Linksextreme.

Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-11/schroeder-extremismus-kommentar
Dienstag, 15. Oktober 2013

Licht ins Dunkel ?

Gerhard Deimek - Quelle:
http://www.parlament.gv.at
Heimat ohne Hass fühlt sich selbstverständlich der Wahrheit verpflichtet. Der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Gerhard Deimek behauptet nun via Twitter unser Bericht über Thomas Raffetseder (Titel: der 47. Zwerg von links) sei falsch, Herr Raffetseder hätte keinen Rechtsbeistand durch die FPÖ erhalten und lüge selber.

Wer hat nun recht? Eine offizielle Stellungsnahme der niederösterreichischen Landespartei zur Causa könnte vielleicht für mehr Klaheit sorgen.


Screenshot / (C) Twitter

Screenshot / (C) Twitter

Hetze darf nicht Normalität werden

Die mediale Debatte um Entgleisungen der FPÖ-Funktionäre droht zu verebben.

Jetzt wird "aufgeräumt in unserem schönen Österreich!", soll der Klubobmann der FPÖ Wien, Johann Gudenus, im Wahlkampf bei einem Rathausfest gesagt haben. Das berichtet "Profil" in seiner aktuellen Ausgabe. Wer damit gemeint ist, steht für Gudenus außer Zweifel: "Jetzt heißt es Knüppel aus dem Sack für alle Asylbetrüger, Verbrecher, illegalen Ausländer, kriminellen Islamisten und linken Schreier." Die mediale Empörung über Gudenus' Ansage fällt verhalten aus. Das kann an der geschäftigen Zeit der Koalitionsverhandlungen liegen. Eher liegt es an der fortschreitenden Abgestumpftheit der Kommentatoren, Kolumnisten und politischen Gegner.

Anlass zur Empörung liefern die Freiheitlichen laufend: Ein Videospiel, das zum "Abschießen" von Minaretten, Moscheen und Muezzins einlädt; das Gerede von drohender "Umvolkung" aus dem Mund eines Spitzenkandidaten; eine grausliche Karikatur, die antisemitische Vorurteile reproduziert; eine mit Hetzreden bestückte Facebook-Fanseite; ein vermeintlich satirischer Comic, der Zwangstaufe als gelungene Integration der Muslime darstellt; zuletzt ein durch das Motto der Nächstenliebe perfide verschleierter Anti-Ausländerwahlkampf. Das ist nur eine kleine Auswahl an Entgleisungen, die sich die FPÖ in den letzten drei Jahren geleistet hat.

Zwei Anklagen (und zwei Freisprüche) später ist die mediale Empörung verebbt. Gudenus' Knüppel-Sager lockt in diesen Tagen keinen (wahlkampf)müden Innenpolitikkommentator mehr hinter dem Ofen hervor.

Man kann wohl von Abgestumpftheit sprechen. Die Medien sind zusehends müde, die politischen Gegner sprachlos geworden. Stellt man die FPÖ zur Rede, kommen die immergleichen Ausreden und Erklärungen: falschverstandene Satire, Einzelfälle, Missverständnisse. Es handelt sich aber schon lange nicht mehr um eine Einzelfälle oder Ausrutscher. Es ist eine Strategie der gezielten Provokation, des Auslotens der Grenzen. Wenn die mediale Öffentlichkeit darauf reinfällt und aus Angst vor Redundanz auf das Thematisieren verzichtet, spielt sie den Provokateuren und Hetzern in die Hände.

Eine aufmerksame und kritische Debatte über die Grenzüberschreitungen der freiheitlichen Funktionäre ist dringend nötig. Ohne eine lebendige Diskussion und offene Verurteilung von verhetzenden Ansagen seitens aller politischen Mitspieler droht Normalität einzukehren, die einer demokratischen Gesellschaft nicht würdig ist. (Olivera Stajić, daStandard.at, 12.10.2013)

Quelle: http://mobil.dastandard.at/1381368354012/Hetze-darf-nicht-Normalitaet-werden