Freitag, 21. November 2014

Gastkommentar - Eine Gerichtsverhandlung von vielen.

Als ich vor dem Verhandlungssaal 254 im 2. Stock des Landesgerichtes Wr. Neustadt eintraf, saß sie schon da, die "Coco Jill" mit bürgerlichem Namen Gertraude S. und wartete auf ihren Prozess. Im Oktober ist sie 63 Jahre alt geworden. Mich erkannte sie sofort, würdigte mich aber keines Blickes. Sie sah einfach durch mich durch.

Ich nahm schräg gegenüber von ihr Platz, in jener Sesselreihe, wo schon Medienvertreter warteten, die über den Prozess berichten wollten. „Ein schräger Sitzplatz“ lässt direkten Augenkontakt vermeiden und das Gesicht von Beschuldigten wahren. Ein kleiner Trick, um Spannungen zu vermeiden. "Coco" fühlte sich alleine gelassen, auch ihr Anwalt verspätete sich. "Coco Jill" ist eine kleine verbiesterte Frau. Ihr Gesicht ist mit Falten zerfurcht, die schmalen Lippen endeten in hängenden Mundwinkel. Auch der zarte Lippenstift konnte keine Freundlichkeit in ihr Gesicht zaubern. Trotz des Umstandes, dass sie gut gekleidet war, wirkte Ihr gesamter Ausdruck irgendwie explosiv, und die schmalen im Sonnenlicht funkelnden Augen vermittelten eine Anspannung, die am besten mit Geifern abgebaut hätte werden können. Geifern gegen mich, gegen das Gericht und natürlich gegen alles was irgendwie nach Ausländer riecht. Aber Coco wusste, dass hier wäre der falsche Ort. Sie blieb ruhig, nestelte ein bisschen an ihrer bunten mit Pailletten besetzten Handtasche und saß. Sie ahnte dass sie heute verurteilt werde. Vielleicht könnte sie die Strafe ein wenig herunterhandeln wenn sie genügend Einwände in ihre Verteidigung einbauen könne, vielleicht auch nicht.

Ihr Anwalt, Herr Mag. K., erschien, im schwarzen Anzug mit über den Bauch umgehängter Aktentasche mit dicken Lederriemen tänzelte zu ihr. Cocos Lichtblick. Wie vor Gerichtssälen so üblich, tuschelte auch Coco sofort mit ihrem Anwalt. Ihr Gesicht wirkte plötzlich entspannt, ja sogar heiter. Sie kramte aus ihren Akten Schriftstücke, die sie ihrem Rechtsanwalt vorlegte, als wären es rettende Trumpfe für das Verfahren. Mir kehrte Coco den Rücken zu, nur manchmal drehte sie sich leicht um und warf mir verächtliche Blicke zu. Ihr Anwalt war im Bilde. Hier sitzt er, der Verräter, den es nun gelte in der Verhandlung zu grillen, so der Tenor ihrer Körpersprache.

Die Richterin eine schlanke junge Dame und der Staatsanwalt der in Yad Vashem Zivildienst geleistet hatte eröffnen die Verhandlung. Ich als Zeuge betrete den Saal erst nach Aufruf. Zeugen dürfen einer Verhandlung bekanntlich erst beiwohnen, wenn sie ihrer Zeugenpflicht nachgekommen sind.

Der Verhandlungssaal 254 wirkt klein. Gerade mal 10 Sesseln standen bereit für das Publikum, die Hälfte davon leer, der Rest belegt mit Journalisten. Kellernazis oder FPÖ-Anhänger waren nicht gekommen. "Coco" allein vor der Richterin im Zeugenstand. "Coco" bemühte sich immer noch, die Richterin zu überzeugen, dass das doch alles nicht so war, wie es in der Anzeige und Anklage steht, sie habe doch nur in geschlossen Gruppen und Profilen gepostet und doch nie und nimmer auf ihrem eigenen Profil und alles nur aus Tierliebe heraus, doch niemals gegen Ausländer, Moslems oder Bosnier. Ja „Coco Jill, das war mein Profil“, gab sie dem Gericht zu verstehen, ehe sie den Zeugenstuhl für mich räumen musste.

Ich kenne Verfahren. Unzählige habe ich schon besucht und absolviert. Zuerst wird das Nationale abgefragt, ob man eh der sei der geladen wurde, ob Verwandtschaftsverhältnis bestehe, dann zur Wahrheit ermahnt, weil als Zeuge habe man die Wahrheit zu sagen und dann beginnt die Fragerei.

Zuerst die Richterin. Sie will wissen, ob die Postings von "Coco Jill" auf ihrem Profil waren. Ich bejahte und füge hinzu auch eines wäre auf der Timeline von Y.S. und eines auf der Timeline von Werner L. gewesen. Die Richterin zeigte sich ob meiner Aussage erfreut das mit dieser Y.S. oder so und dem Werner L. wollte sie erst gar nicht wissen. Ihre Frage war gestellt, die Sache für sie klar.

Der Staatsanwalt wollte nur wissen, wie denn das so vor sich ginge, das Einschleichen mit einem Fake-Account bei Hetzpostern. Ich antwortete, dass das kein großes Problem darstelle. Hetzer fühlen sich anerkannt, wenn man ihre Hetze nicht verurteilt. Und wenn man genügend Hetzer als Freunde in seinem Profil hat - ich vermied das Wort FPÖ-Anhänger- laden diese Herrschaften einen schon ein. So auch geschehen bei "Coco Jill".

Der Anwalt von Coco wollte mich „grillen“. So heißt das in der Umgangssprache bei Gericht, wenn der Zeuge zerlegt werden soll. Nur hatte Mag. K. nicht damit gerechnet, dass ein Profi vor ihm saß, sowohl in technischer Hinsicht, als auch mit seinen Erfahrungen. „Herr Zeuge“ hob K. an, meine Mandantin hat nur in geschlossenen Gruppen gepostet wie „Ja und Österreich“ oder wie diese Seite hieß und „Österreich zuerst“ oder so. Ich antwortete ihm, dass kann schon möglich sein, aber diese Gruppen stehen nicht zur Diskussion, weil ich mit Postings in diesem Zusammenhang keine Anzeige erstattet habe.

Plötzlich meldete sich die Richterin wieder zu Wort. „Wie Herr Zeuge“ zischelte sie zu mir hinüber, „soeben haben Sie gesagt, dass die Postings alle auf dem Profil von „Coco Jill“ waren, und nun wären sie doch woanders gewesen“. In solchen Fällen heißt es Ruhe bewahren. Solche Ungereimtheiten in Aussagen von Zeugen entwickeln sich immer dann, wenn das Gericht glaubt schon alles zu wissen und abblockt und die Verteidigung versucht den Zeugen unglaubwürdig zu machen und mit Verdrehungen in das Verfahren geht. Hier hilft immer nur eines. Zu jeder Frage das entsprechende Schriftstück vorlegen zu lassen und nie aus Erinnerung argumentieren. Mag. K. konnte keine Schriftstücke vorlegen. Aber die Richterin war hellhörig geworden und war nun offen dafür, jedes einzelne Posting zu erörtern. Das kostete Zeit, beseitigte aber alle Unklarheiten. Jedes Posting konnte ich klar definieren und zuordnen samt URL. Nur drei mussten ausgeschieden werden, weil für eine schlüssige Beurteilung ich in den Quelletext Einsicht hätte nehmen müssen. Ich hatte die Sicherungen aber nicht mitgenommen, wohl wissend, dass Gerichte immer die Haare aufstellen, wenn sie bei Verhandlungen kein Papier in der Hand halten können. Alles muss niedergeschrieben werden, aber Quelltexte mit Metadaten, Adresszeilen, IDs und Zuweisungen. Das übersteigt die Kompetenz eines Gerichtes.

Aber Mag. K. wollte nicht aufgeben und behauptete, dass ich die Unwahrheit sage. So krass hatte er es nicht formuliert, aber er meinte es so. Erst als ich ihm die URLs und Ausschnitte aus dem Quelltext vorhielt, war er ruhig. Er konnte mangels technischer Kenntnis nicht mehr argumentieren.

Coco Jill wurde wieder in den Zeugenstand gerufen. Sie verwarf meine Aussagen augenblicklich , meinte sie stimmen nicht, sie habe immer nur in Bereichen gepostet, wo selbst Freunde nicht mitlesen konnten, schlichtweg, ich hätte der Richterin „Larifari“ erzählt. Ich muss dazu anführen, dass ich nach meiner Zeugenaussage als Kiebitz auf einem der leeren Stühle Platz genommen habe. Ich lächelte vielleicht etwas zu auffällig, als "Coco" mich des „Larifaris“ bezichtigte. Die Richterin meinte zu mir, was ich zu Cocos Aussage zu sagen hätte. Ich trat also wieder in den Zeugenstand und entnahm meinem Akt den Screen eines Postings in dem Coco“ selbst gepostet hatte.


„Meine Einträge können nur „Freunde“ lesen“..... hier hockt eine miese Zecke in meiner Liste..... ich werde Dir draufkommen und dann fliegst Du... solche Typen mag ich im Leben nicht ...hinterhältig und feige....“


Das war es, also doch Freunde die mitlesen können und das waren 573. Verhetzung verlangt nur nach 150 Personen, darüber hinaus ist Öffentlichkeit gegeben, auch wenn es "nur" Freunde sind. Der Screen wurde zum Akt genommen, der Verteidiger fand keine Fragen mehr, das Beweisverfahren wurde geschlossen.

Die Richterin verurteilte „Coco Jill“ wegen Verhetzung nach § 283 , 1 und 2 StGB zu 5 Monaten bedingt auf 3 Jahre und zum Ersatz der Gerichtskosten (noch nicht rechtskräftig). Die Richterin hielt eine Geldstrafe für weniger zielführend, da die Beschuldigte über einen langen Zeitraum verhetzend tätig war und auch wegen der Schärfe ihrer Hetzpostings. Mildernd wirkte sich aus, dass die Beschuldigte einen ordentlichen Lebenwandel führte, keine strafrechtlichen Vormerkungen aufwies, ihr Geständnis, wenn auch verspätet. Die Aussagen vor der Polizei, wo Frau “Coco Jill” noch dagegen gehalten hatte und und ihre Aussagen im Internet auch noch bestärkte, werte die Richterin als Schutzbehauptung.

Drei Tatbestände wurden aus dem Verfahren ausgeschieden und werden extra verhandelt. Also Frau “Coco Jill” wird sich nochmal vor dem LG Wr. Neustadt verantworten müssen.
Wie bei Verurteilten üblich, die Stätte der Strafe hatte auch „Coco Jill“ im Turbotempo verlassen.
Staatsanwalt und Beschuldigte gaben keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

Weitere Infos:
Donnerstag, 20. November 2014

Das Ritual der Hetze

Das Vorgehen dürfte regelmäßigen LeserInnen unserer Beiträge wohlbekannt sein, wird in FPÖ-Kreisen, angefangen bei Strache, immer wieder angewendet und hat beinahe schon rituellen Charakter:

Man nehme eine möglichst emotionale Meldung mit (vermuteter oder tatsächlicher) ausländischer Beteiligung (ob der Beitrag den Tatsachen entspricht, ist dabei weniger wichtig), poste diesen gemeinsam mit einem empörten Kommentar auf seiner Facebook-Seite und “vergesse” dann darauf, die Seite zu moderieren. So entlädt sich innerhalb kürzester Zeit der Zorn der AnhängerInnen in wüsten Beschimpfungen, Mord- und Gewaltphantasien und Beiträgen am Rande der Verhetzung. 

Sollte dann ein Medium auf diese abscheulichen Vorgänge aufmerksam machen, hat man selbstverständlich übersehen, was auf der eigenen Seite vorgefallen ist und distanziert sich halbherzig von den entsprechenden Aussagen, nur um kurze Zeit später erneut eine ähnliche Reaktion zu provozieren.

Diesmal wollen wir dies am Beispiel von Mario Kunasek demonstrieren, seines Zeichens Abgeordneter der FPÖ zum österreichischen Nationalrat.

Er postet auf seiner Facebookseite, natürlich mit empörtem Kommentar, am 14. November einen Bericht aus der Kronenzeitung wonach “zwei 8-jährige türkischstämmige Kinder” (das Detail der angeblichen ausländischen Herkunft vergisst die Krone natürlich nicht zu erwähnen) einem Mitschüler angeblich ein Kreuz in den Rücken geritzt hätten. 

Screenshot / (C) Facebook Inc





Nun verurteilen wir die Tat, wenn sie denn tatsächlich so passiert ist, natürlich auf das Schärfste, aber das, was sich dann in Kunaseks Kommentarbereich abspielt, ist ähnlich verabscheuungswürdig. Zur Erinnerung: Die Kommentare beziehen sich auf zwei 8-jährige Kinder:


Da findet sich alles an stupider Grausamkeit, was die Palette menschlicher Abgründe zu bieten hat.

Von wüsten Beleidigungen...







...über Menschen die ihre hassverseuchten Vorstellungen anscheinend gerne auf ihre Kinder projizieren möchten…




...bis hin zu brutalsten Gewalt- und Mordphantasien (nochmal zur Erinnerung: Wir sprechen immer noch von 8-jährigen Kindern):










..und zu Drohungen, die sich unverhohlen gegen ganze Religionsgemeinschaften richten (und die - eigentlich oben schon augenfälligen - Parallelen der Ähnlichkeit der Wunschträume der FPÖ-AnhängerInnenschaft mit den Ideen des IS noch mehr betonen):





..auch Anspielungen auf den Massenmord der Nazis fehlen nicht:






All diese Kommentare stehen zum Zeitpunkt des Verfassens des Artikels (20.11.2014) weiterhin unkommentiert online. 


Herr NR-Abgeordneter Kunasek, wir fragen Sie: 

  • Wieso haben Sie diese Kommentare nicht gelöscht? Die von Strache gerne verwendete Ausrede, er könne nicht alle Kommentare im Auge behalten, funktioniert bei Ihnen nicht (insgesamt sind es zu dem erwähnten Artikel zum aktuellen Zeitpunkt 71 Kommentare, die meisten nicht länger als ein, zwei Sätze).
  • Ist es Ihnen egal, dass Ihre AnhängerInnenschaft am liebsten brutal gegen 8-jährige Kinder (!) vorgehen möchte?
  • Unterstützen Sie die in diesen Kommentaren zum Ausdruck kommenden Meinungen vielleicht sogar?

Sachverhaltsdarstellungen gegen den Seitenbetreiber und die Kommentierenden werden von uns eingebracht.

Edit: Wir haben die Seite über mehrere Tage beobachtet und konnten feststellen, dass kritisch Kommentierende teilweise gelöscht wurden, alle oben genannten Hasskommentare aber weiterhin online blieben.

Offener Brief an Christian Höbart

(Ursprünglich veröffentlicht auf der FB-Seite von Christian Höbart)

Herr Höbart. Auf die Gefahr hin, dass Sie diesen Beitrag blockieren oder löschen, werde ich sicherheitshalber einen Screenshot anfertigen.

Sie sind ein Ungustl, wenn Sie sich in die Opferrolle verkriechen, weil Sie einen Ton angeschlagen haben, der nicht mal einem Höhlenmenschen geziemt.

Ich werde Sie und Ihre Partei sicher nicht wählen. Denn eine Gesellschaft, in der Worte wie "Behindert", "Schwul" oder "GUTMENSCH" als Schimpfworte funktionieren hat ein Problem.
Sie gehen auf eigene Landsleute los, beschimpfen sie als Ratten, weil Sie nicht Ihrer Meinung sind und obendrein wiegeln Sie auch noch Ihre Lemminge auf, damit der Mob entweder auf Asylwerber oder eigene Landsleute losgeht. Großartige Masche der Radikalisierung, das muss man Ihnen schon lassen.

Sie sollten sich eigentlich schämen, überhaupt noch politisch tätig zu sein mit diesem Vokabular. Sie sollten sich schämen, sich als Patriot zu bezeichnen. Sie sollten sich schämen, so respektlos über andere Menschen zu sprechen und dann noch zu jammern, weil jemand offen gesagt hat, dass das nicht in Ordnung war.

Man sollte meinen, Sie sind in Ihrer Entwicklung irgendwo zwischen Schweizer Käse und Knäckebrot steckengeblieben, denn jeder mit klarem Verstand (und der muss, so wie ich nicht zwangsweise ein Linker - oder wie Ihre Partei es so oft propagiert eine linke RATTE sein) würde so einen geistigen Durchfall gar nicht erst von sich geben.

Sie sollten sich für Ihre Art, mit der Situation umzugehen schämen.
Ihre Partei sollte sich für sich schämen.

Ich wähle sicherlich keine Partei, die am Ende auf eigene andersdenkende Landsleute losgeht, und sie am Ende als Ratten bezeichnet.

Ich wähle sicherlich keine Partei, deren Parteifunktionäre Menschen anderer Herkunft als Höhlenmenschen bezeichnet.

Sie, Herr Höbart sind nichts weiters als ein Prolet mit Krawatte, deren einziger Zweck der Pfeil zu Ihrem Genital zu sein scheint, denn ein modisches Kleidungsstück. Hätten sie die Krawatte nämlich als solches und Ihr Amt verdienterweise inne, dann hätten Sie sich für so eine Aussage längst entschuldigt.

Ich schäme mich für Sie. Ich schäme mich für Österreich, wenn so jemand wie Sie und Ihre Partei wirklich so etwas ohne Konsequenzen in der Politik bleiben dürfen.

PFUI!

Dienstag, 18. November 2014

Hö(hl)bart und die Herrenrasse (überspitzt formuliert)

Kaum jemandem ist der vor kurzem getätigte “Erd- und Höhlenmenschen”-Sager von FPÖ NaAbg. Christian Höbart entgangen. Sogar FP-Obmann Strache musste zähneknirschend dem öffentlichen Druck nachgeben und dem Parteifreund per Aussendung darlegen, “dass seine Wortwahl ausgesprochen unpassend und überspitzt war”. Gar nicht gut so kurz vor den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich, dürfte sich der Parteichef gedacht haben, wenn man bedenkt, dass Höbart letzten Endes nicht einmal auf der von ihm selbst initiierten Demonstration vor dem Flüchtlingslager Traiskirchen eine Rede halten durfte. Ein kurzes “winke-winke” zu den angereisten FPÖ-Fans musste genügen, dann musste er schon wieder von der Rednerbühne.

Aber was motiviert den schlagenden Burschenschafter (Tauriska zu Baden) zu solchen herablassenden Aussagen? Was ist es, das ihn denken lässt, er gehöre zu einer Elite mit angeborenen Vorzügen, und was ist es, das ihn für Strache so wichtig macht?

Eine äußerst große Distanz zu rechtsextremem Gedankengut dürfte es nicht sein - in zahlreichen Artikeln berichteten wir schon über solche Umtriebe und fast schon auffällig oft taucht Christian Höbart in Zusammenhängen in den Berichten und mit seinen meistens “ganz zufälligen” Kontakten zur rechtsextremen Szene auf. Er selbst glänzte z.B. schon mit Hetzpostings, in denen falsche (bzw. für Asylwerber irrelevante) Zahlen aus Deutschland verwendet wurden, um gegen Asylwerber in Österreich Stimmung zu machen. An anderer Stelle ging er sogar so weit, dass er Aufrufe zur bewaffneten “Rattenjagd International”, zum “Kastrieren von Ausländern”, zu Grabschändungen, NS-verherrlichende Kommentare, usw. mit dem sprichwörtlich umgefallenen Rad in China verglich.

Ansonsten fiel der dauerempörte FPÖ-Politiker in letzter Zeit nur durch seine von ihm gegründete Facebook-Seite “Ich bin für den Nikolo” auf, die sich mit dem seit Jahren hartnäckig verbreiteten Gerücht beschäftigt, dass muslimische Staatsbürger für ein angebliches Verbot des Nikolobesuches in Kindergärten verantwortlich sein sollten. Jedoch strotzt die Seite wie erwartet nur so vor Widersprüchen, wir berichteten.

Nun könnte man natürlich sagen, dass eine solche Einstellung für einen deutschnationalen Burschenschafter nicht allzu selten ist. Sehen wir uns also an, was denn die primären Themen der “Herrenmenschen” bzw. “Höhlenmenschen” (überspitzt formuliert) sind, da ja nicht zuletzt gewisse Themen ohnehin für die Herren tabu sind, solange das NS-Verbotsgesetz aufrecht ist (obwohl die FPÖ immer wieder versucht, dieses in Frage zu stellen). Dazu sehen wir uns ein wenig eine Facebook-Gruppe an, die für die Öffentlichkeit nicht einsehbar ist (es wird seine Gründe haben), nämlich die Gruppe “Burschenschaft Ghibellinia und Freunde”. Die Gruppe wird hauptsächlich von Thomas Hüttner administriert, er ist Bezirksrat der FPÖ in Wien-Donaustadt, Chefredakteur der vom DÖW als “durch revanchistische und ausländerfeindliche Inhalte gekennzeichnet” beschriebenen Zeitschrift “Eckart” und Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft “Ghibellinia Wien”.

Ganz nach Burschenschafter-Manier beschäftigt man sich dort viel lieber mit der Zeit um den 1. Weltkrieg herum, als das Deutschnationale noch etwas Heldenhaftes hatte und nicht durch den bitteren Beigeschmack der Unterstützung nationalsozialistischer Massenmörder getrübt wurde und kümmert sich rührend um aus deutschnationaler Sicht weltbewegende Themen, z.B. wie denn der Deutsche zu grüßen hätte.

Screenshot / (C) Facebook Inc


Und eben in dieser Gruppe wird selbstverständlich auch immer heftig politisiert, wenn es um Mitglieder des deutschnationalen Flügels in der FPÖ geht. So begab es sich auch im April 2014, als Andreas Mölzer, der zum Urgestein der FPÖ und zum harten Kern des sogenannten “dritten Lagers” zählt, wieder einmal einige seiner berühmt-berüchtigten Sprüche vom Stapel ließ und daraufhin seine Kandidatur zur EU-Wahl zurückziehen musste, dass sich ein großes Wehklagen erhob und deutschnationale Gewitterwolken am Horizont auftauchten. 

Um die drohende Revolte des dritten Lagers schon im Keim zu ersticken, tauchte bereits kurze Zeit später Christian Höbart in der geschlossenen Facebook-Gruppe auf, um die Elite der erlesenen “Leistungsträger” milde zu stimmen. Und eben dieser Screenshot zeigt ganz deutlich, wo die wahren Kompetenzen von NrAbg. Höbart aus Straches Sicht liegen könnten, nämlich in der Erhaltung einer gewissen “Schmiss-Quote” im Parlament (selbstverständlich überspitzt formuliert), die sich scheinbar nicht nur durch Kompetenz der Bewerber ergibt, sondern möglicherweise vielleicht auch nur durch die Größe der Gesichtsverletzung, die man sich bei der Mensur zugezogen hat. (Ein Schelm, wer dabei an Postenschacherei denkt).

Screenshot / (C) Facebook Inc


Übrigens sind auch die verpixelten Personen nicht politisch Unbeteiligte. So befinden sich darunter z.B. Ex-FPÖler wie z.B. Jan A., der wegen Kontakten in die rechtsextreme Szene Deutschlands und Österreichs 2010 gefeuert werden musste (er arbeitete damals im Büro von FPÖ-Mandatar Harald Stefan). Nun ja, wie “Meister L.” im letzten Kommentar zu verstehen gibt, “reicht es halt nicht aus, einfach nur das Band einer Verbindung umgehängt zu bekommen”. Christian Höbart setzt jedenfalls alles daran, dieser Aufgabe gerecht zu werden.

Quellen: 
Montag, 17. November 2014

Disneyland für Freiheitliche

Unserem Bundesheer geht's bekanntlich nicht gut. Und ausgerechnet Österreichs verhaltenskreativste Partei hätte das Zeug dazu, es aus dieser Misere zu befreien. Daher unser dringlicher Aufruf: Rettet das Heer, liebe Freiheitliche, und pachtet den Truppenübungsplatz Allentsteig!

Dort warten 150 Quadratkilometer freies Gelände, auf dem die Angsthasen und Ewiggestrigen der Nation ihren eigenen Erlebnispark errichten, wo sie ihre realitätsabweichenden Fantasien ausleben und gleichzeitig uns Millionen grundvernünftige andere Menschen damit endlich in Frieden lassen könnten. Eine lupenreine Win-Win-Situation.

Baut euch fette Grenzbalken um die Häuser und einen gebührenfreien Parkplatz in die Mitte. Ihr dürft dort eure tägliche Ladung Negerküsse auch gerne mit Schilling bezahlen und dabei dem Gastro-Personal ins Gesicht qualmen, bis es schwarz wird. Wie Alaba. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.

Eure kleinen Söhne (Töchter habt ihr ja keine) erhalten täglich Besuch vom Nikolo und jene, die sich zu Weihnachten ein Fahrrad wünschen, kommen umgehend ins Heim. Bastelt euch Fantasymagazine, in denen steht, dass Flucht ein Verbrechen sei, und garantiert euch gegenseitig bei gemütlichen drei Bieren, dass sich der durchschnittliche österreichische Facharbeiter und seine eineinhalbköpfige Familie mit einem Gabelbissen im Monat begnügen muss, während Asylsuchende von der Republik mit einem Bundesporsche und einem Jahresabonnement Kaviar begrüßt werden.

Im Freiheitlichen Disneyland backen die sozialen Heimatweiber (ohne dass sie sich dabei diskriminiert fühlen) zu Weihnachten keine türkischen Vanille-Halbmonde, sondern kulturchristliche Vanille-Kreuzerl. Sie verdienen verständlicherweise keinen Groschen dabei, denn sämtliche Entlohnung ergeht direkt an ihre heterosexuellen Ehemänner - mehr Brutto vom Netto, versteht sich. Die Frauen selbst sind beim monatlichen Lohn des Mannes aber natürlich mitgemeint.

Lasst euch von Harald Vilimsky die weite Welt erklären, von Herbert Kickl das abendliche Gute-Nacht-Gedicht vorlesen, und glaubt ganz fest daran, dass HC Strache bei euch im Disneyland demnächst Hausmeister wird.

Der Hausmeister eurer Träume: Einer, der nicht zusammen kehrt, nicht Schnee schaufelt und keine Glühbirnen wechselt, sondern der den ganzen Tag durchs Haus rennt und überprüft, wer wie lange hier schon wohnt.

Es ist beruhigend, dass die große Mehrheit im Lande einen solchen Hausmeister nicht wünscht. Aber werden darf er es natürlich trotzdem. Bei euch im Freiheitlichen Disneyland. Und nicht bei uns Anständigen und Fleißigen.


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Heimat ohne Hass – Homosexualität ohne Hass

Heimat wird meist mit Stolz auf sie verbunden. Viele sind auf ihre Heimat stolz: vielleicht wegen der landschaftlichen Schönheit dort, wo sie hineingeboren wurden. Geografisch gesehen gibt es erstens Unterschiede in der Schönheit, und zweitens können wir uns nicht unbedingt etwas auf das Heimatland einbilden, weil wir doch selbst mitunter nicht viel dazu beitragen können (außer Blumen an die Fenster oder Müll in die Kübel). Heimat müsste vielmehr mit Wohlfühlen in jeglicher Hinsicht zu tun haben. Dazu können wir tatsächlich vielerlei selbst beitragen – und dann zu Recht darauf stolz sein.

Hass zählt nicht dazu. An seiner Stelle sollte etwas entstehen, was schon in Adam Smith’s Theorie moralischer Gefühle (1759) angesprochen wurde und heutzutage als emotionale Intelligenz (Eva Illouz) interpretiert und darüber hinaus auch als soziale Intelligenz bezeichnet wird. Der Grundgedanke ist dabei nicht das, was uns als gut oder schlecht eingebläut wird und was wir unkritisch als moralische Pflicht übernehmen; das haben schon Arthur Schopenhauer als „Sklavenmoral“ und Friedrich Nietzsche als Herrschaftsinstrument kritisiert. Im Wesentlichen geht es um Zweckmäßigkeit, um rational durchdachtes Verhalten, das es den Menschen als Teil der Gesellschaft – nicht als Inseln unter lauter Männern, Frauen und Familien, wie Margaret Thatcher meinte – ermöglicht, kooperativ, solidarisch und angstfrei miteinander zu leben. Dazu braucht es das „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ eben nicht (obwohl es helfen mag).

Selbst der viel zitierte, aber auch geschmähte Kategorische Imperativ von Immanuel Kant (flapsig: Was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg auch keinem anderen zu) stellt auf Gegenseitigkeit ab, zielt auf die allseitige Vertrauensbildung ab, durch mein eigenes Verhalten zu erwirken, dass andere – zuverlässig – mir ebenso unvoreingenommen, verstandesgemäß, fair und hilfreich entgegenkommen. Die Bereitschaft zu Verstandeshandeln, Fairness und Solidarität ist allerdings durch opportunistisches Denken gefährdet. Die Starken mögen auf die Fortdauer ihrer Macht vertrauen und sich deshalb nicht solidarisch verhalten, weil sie auf ein unsolidarisches Sozialverhalten (einstweilen) nicht angewiesen sind. Das hat der große politische Philosoph des 20. Jahrhundert, John Rawls, erkannt.

Auf der Basis von Rawls‘ Gedanken können wir darauf verweisen, wie wichtig soziale Durchlässigkeit und Mobilität und letztlich Chancengerechtigkeit sind. So sollten sich auch die Mächtigen bewusst sein, dass ihre Position nicht nur ererbt, erarbeitet oder erschlichen, sondern auch zufallsbedingt, kontingent (umweltbedingt i.w.S.) und schicksalhaft ist. Die Lotterie der Welt und des Lebens ist für riesige Überraschungen immer gut. Dafür können wir im Eigen- wie im Gesellschaftsinteresse vorkehren. Das sollte auch den verunglimpfenden Diskurs über die „Gutmenschen“ relativieren (Horst-Eberhard Richter); besser sind sie als Vernunft- oder Gemeinschaftsmenschen zu bezeichnen. Wir brauchen sie und ihre Basisinitiativen (grassroot movements) als Vordenkerinnen und Speerspitzen eines Humanismus, der den Menschen nicht als Insel sieht, sondern als Baustein einer Gesellschaft, die für alle das Beste tut, zuvorderst – John Rawls folgend – für die Benachteiligten und Schwachen.

Heimat, auf die wir stolz sind, können wir uns schaffen, wo es eben möglich und erwünscht ist; das ist nicht unbedingt im Geburtsland. Wer dort keine Heimat finden kann, weil ihr oder ihm die grundlegende Humanität verwehrt wird, sollte eine Heimat wohl anderswo suchen dürfen und finden können. Die allgemein anerkannten Grundrechtsnormen und entsprechenden internationalen Abkommen definieren doch recht genau, was sich die Welt oder zumindest der größte Teil von ihr als Grundanspruch auf menschenwürdige Lebensverhältnisse denn so vorstellt. Selbst wenn es zunächst primär Lippenbekenntnisse sind, werden die erhobenen Ansprüche in schier permanenten Debatten konkretisiert und in Rechtsprozessen weiterentwickelt. So wurde der Antidiskriminierungstatbestand Geschlecht auf die Inhalte sexuelle Orientierung und Identität erstreckt und mittlerweile als absoluter Asylgrund akzeptiert (wenn auch noch nicht zuverlässig verankert). In Österreich war und ist lesBiSchwule Antidiskriminierung ein langer und mühsamer Weg – gegen die zähe Hinhaltetaktik von Konservatismus und Reaktionismus, Extremismus, Demagogie und billigem Populismus.

Homosexualität ist an und für sich kein gesellschaftlich relevantes Thema; niemand kann zu einer sexuellen Orientierung gezwungen werden. Gleichgeschlechtliche Sexualität muss nur leider zum Thema gemacht werden. Ein ganz gewöhnliches, gutes Leben in der Gesellschaft ist nämlich ein Grundrecht – auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen (von One-Night Stands bis Ehen). Es räumt immerhin Menschenwürde ein, verlangt aber von den anderen nicht mehr als bloße Gleichmut und Toleranz (im schlechtesten Fall) oder emotionale und soziale Kompetenz (im besten Fall). Toleranz ist freilich nicht immer eine Form der Vernunft; in diesem Sinn wäre der Intoleranz mit Intoleranz zu begegnen, so die Soziologin Jane Lewis, aber auch Gesprächsoffenheit, wie ich meine.

Bedenken wir: Wie rasch kann in den laufenden Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politikentwicklungen eine bisher relativ wenig diskriminierte Gesellschaftsgruppe verfemt und zu einer Opfergruppe abstempelt werden! Mit irgendeinem Vorwand (Verteilungsstreit, Religionsmission, historischer Revanchismus, …) oder auf der infamen Suche nach irgendeinem – unschuldigen – Sündenbock können Menschen leicht ihrer Grundrechte beraubt werden. Da stellt sich die Frage, wer denn demnächst zum Freiwild gemacht und in die Schusslinie gebracht wird. Homosexuelle, Wirtschaftsmagnaten, Politiker_innen, Beamtenschaft, emanzipierte Frauen, Arbeitslose, Pensionierte, …? Halali.

Verhetzung ist leider ein wirksames Mittel zur sozialen Ächtung und Verfolgung, setzt es doch die emotionale und soziale Intelligenz außer Kraft und wird noch dazu vom Strafgesetz mit vornehmer Zurückhaltung verfolgt. Das nächste Ziel ist die Dehumanisierung, die Entmenschlichung menschlicher Wesen durch Beraubung ihrer Würde, Rechte und Unverletzlichkeit. Wenn einmal in vielen Köpfen verankert ist, es sei eine moralische Pflicht, bestimmte Menschen als Unmenschen zu deklarieren und zu verfolgen, schadet sich die Gesellschaft damit selbst: Die Sündenbockstrategie geht auf, die Schlachtung folgt, die Vertuschung wahrer Missstände gelingt und illegitimer Machtausübung sind Freiräume geschaffen. Das gilt auswärts, und wir verweigern von dort Flüchtenden den Schutz; und das gilt im eigenen Land, wo wir nicht Flüchtenden ein humanes Leben verwehren.

Einen Bruch in der emotionalen, sozialen und politischen Intelligenz stellte die längst vergangene Wende dar, nach der wir nun nicht mehr nur über die Begrenzung wirtschaftlich motivierter Einwanderung debattieren. Vielmehr erwägen wir und probieren, mehr oder weniger offen, Einschränkungen für die zu Recht Flüchtenden und Asyl Suchenden. Dieser allgemeine Dammbruch gesellschaftlichen Unverstands hat speziell auch mit Homosexualität und ihrer Verteufelung zu tun.

Einem schwulen afghanischen Flüchtling wird geraten, in sein Land zurückzukehren, um dort eine Frau zu nehmen, weil ihm dann eh nichts passiere. Ein schwuler kosovarischer Flüchtling wird in einem Aufnahmezentrum von anderen – sogar von berechtigt flüchtenden – Asylwerbern fast ungehindert gemobbt, so dass er freiwillig in sein Land zurückkehrt, wo er erst vor kurzem dem Ehrenmord durch seine Familie knapp entkommen ist. Ein schwuler irakischer Flüchtling, noch dazu einer mit passiver sexueller Ausrichtung und weiblicher Attitude, kann nicht heimkehren, denn er hat dort keine Heimat, nur einen Angst- und Sterbeort (Todesschwadrone warten). Das langsam aussterbende Argument, wir hätten damals im Krieg auch nirgendwohin flüchten können, ist kein vernünftiges; es fördert Gewalt und Revanchismus, festigt Rechtlosigkeit und Ungerechtigkeit, begrenzt das Sichtfeld mit dem Tellerrand. Das Argument, das Boot sei voll, zeugt meines Erachtens von schlechter Politik im Inland, und zwar in nahezu jeder Hinsicht, hauptsächlich aber unter dem Verteilungsaspekt.

Homophobie ist sowohl Angst vor als auch Hass auf Homosexuelle. Doch sie ist in der Tat unbegründet. Geschürt wird sie von der mental und institutionell verankerten Heteronormativität, der Verabsolutierung verschiedengeschlechtlicher Sexualbeziehung als Wert an sich oder als Überlebensbedingung für die Welt. Abgesehen davon, dass diese Werthaltung und Befürchtung aus humanwissenschaftlicher Perspektive nicht fundiert sind, machen sie aus dem inneren Wert der Heterosexualität einen der Homosexualität untrennbar anhaftenden Unwert und entmenschlichen gleichgeschlechtlich orientierte Menschen. Gerade darauf fußt dann die eingeimpfte Überzeugung, mit Diskriminierung Gutes zu tun und Antidiskriminierung bedingungslos bekämpfen zu müssen (so wie dies religiöse Fundamentalist_inn_en tun – auch in den USA und von dort aus weltweit agitierend).

Gut und Böse, weder begründet noch hinterfragt, werden Herrschaftsinstrumente. Diese kaschieren und verfestigen die wahren gesellschaftlichen Unzweckmäßigkeiten. So ist Extremismus in Gesellschaft und Politik nicht nur für die Sündenböcke gefährlich, sondern mittelbar für alle: für jene, die meinen, Sündenböcke schlachten zu müssen (sie sind ja gar keine Menschen, oder?), für jene, die gern beim Schlachtfest zusehen oder die einfach nichts dagegen sagen, geschweige denn tun.

Keine Angst, die Befürwortung der gesellschaftlichen Emanzipation der Homosexuellen aus dem heteronormativen Normensystem macht die Heteros nicht schwul oder lesbisch, aber hilft, dass unfreie, unter- und bedrückte, oft gar versteckte Lesben und Schwule ein menschenwürdiges Leben führen können. Ganz langsam und sachte macht sich diese Ahnung auch schon im konservativen Lager breit. Mal sehen! Reden wir uns aber bitte nicht auf Gesellschaft und Politik aus, denn wir alle sind Gesellschaft und wir alle machen – mehr oder weniger direkt – Politik. 

Solche Solidarität kostet wenig, aber bringt viel – und allen etwas. Vielleicht überwinden wir die innere Reserviertheit und tragen wir doch noch das Unsere zum Gemeinsamen bei, beziehen zumindest Stellung.




Rainer Bartel, Johannes Kepler Universität (JKU) Linz (www.econ.jku.at/Bartel, Homosexuelle Initiative (HOSI) Linz (www.hosilinz.at), 12.11.2014




Literatur:

  • Bartel, Rainer u.a. (Hg.innen) 2008: Heteronormativität und Homosexualitäten. Studienverlag: Innsbruck u.a.
  • Bartel, Rainer 2010: Alle sind gleich – manche sind gleicher. Sozialwissenschaftliche Argumente, Befunde und Folgerungen zur Anti-/Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung. Studie, http://www.econ.jku.at/members/Bartel/files/Homepage/%28100504_Alle_sind_gleich%29.pdf [12.11.2014]
  • Grabner-Haider, Anton (Hg.) 2012: Die wichtigsten Philosophen. 3. Auflage, Marixverlag: Wiesbaden
  • Illouz, Eva 2009: The culture of management: self-interest, empathy and emotional control. In: Ziegler, Rafael (ed.), An Introduction to Social Entrepreneurship, Edward Elgar Publishing: Cheltenham: pp. 107-132
  • Lewis, Jane 2001: The End of Marriage: Individualism and Intimate Relations.Edward Elgar Publishing: Cheltenham – Northampton (MA)
  • Rawls, John 1995: Gerechtigkeit als Fairneß: politisch nicht metaphysisch. In: Honneth, Axel (Hg.): Kommunitarismus. Eine Debatte über die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften. Campus-Verlag: Frankfurt – New York, S. 36-67
  • Richter, Horst-Eberhard 1999: Lernziel Solidarität heute. Vortragsmanuskript, Berlin, 25.11., http://www.efb-berlin.de/fileadmin/templates/pdfs/archiv-12-04-2013/richter_25-11-99.pdf [12.11.2014]
  • Smith, Adam 1759: Smith, Adam (1759), Theorie der ethischen Gefühle, Verlag Meiner: Hamburg 1994