Montag, 29. Juni 2015

Erstaunlich schlechte “Recherchen”...

Eine Familie mit “nicht-österreichisch” klingendem Namen arbeitet ein Leben lang, zahlt Steuern, zieht Kinder groß. Dann wird der Familienvater krank und die Familie ist gezwungen, Mindestsicherung zu beantragen. 30 Jahre hat der Familienvater nach ersten Recherchen gearbeitet, sich in den 30 Jahren integriert, sich eingelebt.

Nach diesem Arbeitsleben bekommt die Familie einen Bescheid über ebendiese Mindestsicherung zugeschickt. Nur: das Schreiben erreicht sie nicht. Warum lässt sich nur spekulieren, viel zu dubios ist die Quelle. Auf der einen Seite wird von irrtümlich zugeschickt, auf der anderen Seite von abgefangen gesprochen, dann wieder von “gefunden”. Der Brief wird geöffnet, gelesen - offenbar falsch verstanden, abfotografiert und ins Netz gestellt. Diesmal mit der Info, dass “Asylanten” das Geld beziehen.

Und der Bescheid zieht seine Kreise - bis zu einem Blog, der es eigentlich besser wissen sollte - naja, vielleicht doch nicht.
Screenshot / (C) Facebook Inc.

In dem Blog-Artikel wird dann davon geschrieben…
Screenshot / Erstaunlich.at 



Weiters…
Screenshot / Erstaunlich.at



Doch nun die Krux an der Story: Wenn man nur ein wenig genauer recherchiert, kommt man schnell darauf, dass in Wien die MA 40 - von der der Bescheid ausgestellt wurde - für Sozialhilfe zuständig ist, während die MA 35 für Asylwerber zuständig ist.

Aber darauf wurde der Betreiber in den Kommentaren auf seiner Seite bereits hingewiesen. Nachdem auf dem Blog Kommentare zuerst freigeschaltet werden müssen bevor sie öffentlich erscheinen, kann davon ausgegangen werden, dass der Schreiberling das auch gelesen haben muss.
Screenshot / Erstaunlich.at


Mit all den Vorwürfen konfrontiert, kommentierte der Betreiber auf seiner Seite:

Screenshot / (C) Facebook Inc.



Interessante Einstellung übrigens, sich auf die Pressefreiheit zu berufen, wenn einem Unwahrheiten nachgewiesen werden.

Auch wurde er mit dem Ablauf konfrontiert…
Screenshot / (C) Facebook Inc.



Eine Richtigstellung gab es auch nach über vier Tagen noch nicht. Stattdessen finden sich jede Menge völlig vom Thema weg führende Seitenhiebe auf den grünen Politiker Karl Öllinger, der sich des Themas angenommen hat.

Aber - und jetzt müssen wir noch etwas weiter ausholen - es ist ja beileibe nicht die einzige Veröffentlichung von erstaunlich.at, die gewaltig in die Hose geht. Wir beschränken uns im Folgenden auf einige wenige Beispiele, es gäbe aber genug Material für Fortsetzungen.

So wurde bereits einmal ein “Skandal” gewittert, als man auf Sanitär-Armaturen beim AMS den Schriftzug AMS entdeckte.
Screenshot / Erstaunlich.at



Dass es einen Hersteller für WC-Armaturen gibt, der genau den Namen “AMS” trägt, hätte der “Erstaunliche” vielleicht mit einer einfachen Google Abfrage finden können.

Oder er witterte einen Skandal über “Roma-Tomaten” und dass sich darüber Alexander Pollak von SOS-Mitmensch nicht aufregt.
Screenshot / Erstaunlich.at



Dass Roma-Tomaten aus Italien kommen und nichts anderes bedeuten als “Römische Tomaten” hätte er auch mit einem kleinen Suchen im Netz herausfinden können.

In einem weiteren Fall ortete er eine Verbindung zwischen der Seite “Stimme für Menschlichkeit”, welche seit Monaten Zitate von Prominenten und Lesern sammelt, diese veröffentlicht - und der Sekte “Scientology”:
Screenshot / Erstaunlich.at



Gut, die Sätze “Eine Stimme für die Menschlichkeit” und “Stimme für Menschlichkeit” klingen ja wirklich ähnlich. Und weiter? Aber deshalb einen Artikel hinausschießen ohne eine Erkundigung beim Seitenbetreiber einzuholen? Entspricht das dem Vorgehen eines Journalisten? Nein. Der Seitenbetreiber von “Stimme für Menschlichkeit” versicherte uns, niemals eine derartige Anfrage erhalten zu haben.

Aber auf die Spitze hat es Erstaunlich getrieben, als sie auf folgenden Scherzartikel hereinfielen:
Screenshot / Erstaunlich.at


Aber gut, wollen wir mal nicht so sein, die Seite wird ja nicht alleine betrieben. Mitgemischt wird da laut Impressum noch von FPÖ-Funktionärin Andrea Kellner. Diese betreibt spannenderweise eine Firma für “Internet-Recherche”. Vielleicht sollten die Einnahmen aus den geschalteten Werbungen vielleicht mal für eine anständige Recherche verwendet werden:
Screenshot / keinproblem.at, Quelle: http://www.keinproblem.at/index.php/preise

Aber auch wenn mal die Recherche nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, wird eben schnell selbst etwas so zusammengeschustert, dass es besser zu den Vorstellungen und Ansichten des Seitenbetreibers passt:




Aber das haben wir hier schon einmal thematisiert: http://www.HeimatOhneHass.com/2013/12/was-nicht-passt-wird-passend-gemacht.html

Was bleibt?

Eine weitere mieselsüchtige Story, nicht ansatzweise recherchiert, die vermutlich, wie meist, nicht einmal nach immensem Gegenwind korrigiert werden wird.

Erstaunlich nennt das dann so:



Eine österreichische Gratis-Tageszeitung allerdings so:

Screenshot / Quelle: http://www.heute.at/news/oesterreich/wien/art23652,1158630

Eine Bitte um Stellungnahme wurde ausgeschlagen, weil sich Stauni nicht mit “anonymen” Personen unterhalten will. Dass er aber nicht davor zurückschreckt, Klarnamen von Privatpersonen zu veröffentlichen und diese quasi auf seinem Blog an den Pranger stellt, ließ uns daran zweifeln ob, wie bei anderen Medien üblich, eine Anfrage mit Klarnamen klug wäre.

Fazit:

Die Plattform “erstaunlich.at” leistet sich Recherche-Fehler am laufenden Band, arbeitet eigentlich komplett konträr zu jedem journalistischen Verständnis und scheitert trotz “professioneller” Mitarbeiter an grundlegenden Recherchen. Wichtiger als die Fakten ist offenbar die politische Botschaft. Es gab eine Zeit, in der die Plattform durchaus auch kritisch über die FPÖ und besonders über BPO Strache berichtete - diese Zeiten scheinen aber vorbei. Dass eine solche Plattform immer wieder von Strache zitiert wird, ja, sogar nach einem Stauni-Artikel Klagen gegen Antifaschisten eingebracht wurden - wundert einen doch sehr.

Aber zum Glück hat Stauni ja noch seinen Disclaimer stehen:



Kurier Print-Ausgabe vom 28.06.2015

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