Montag, 9. Februar 2015

Der mit dem “Schmäh” pflanzt...

Passend zu den kalten Temperaturen und den Schneemassen werden unsere Herzen von der unbedingten Nächstenliebe der “sozialen Heimatpartei” bis ins Mark erwärmt. Nachdem Helmut Purzner, seit heute Ex-FPÖ-Politiker, sich mit markanten Postings auf FB selbst ins Abseits katapultiert hat, muss die Parteispitze ein Machtwort sprechen - und zwar in Form eines warnenden Fingerzeigs auf Muslime. 

Wir wollen uns heute nur mit dem ersten Absatz dieser Botschaft der Barmherzigkeit beschäftigen, und einige “Fehlinformationen” des Bundesparteiobmanns korrigieren, als da wäre:

Screenshot / (C) Facebook Inc


Muslimische Eltern fordern
  1. Schweinefleisch aus den Schulkantinen zu verbannen
  2. das Kreuz aus den Schulklassen zu entfernen
  3. den Schwimm- und diversen Sportunterricht für ihre Töchter zu verweigern
  4. dem Nikolaus Auftrittsverbot in Kindergärten und Schulen zu erteilen.
etc.


Ein Absatz, 4 Anschuldigungen - und verantwortungsvoll, wie der BPO einer Oppositionspartei handeln sollte, hoffentlich auch gut recherchiert. Wollen wir der Sache auf den Grund gehen.

Die Sache mit dem Schweinefleisch

Herr Strache bezieht sich hierbei auf diesen Artikel aus Facebook - In Kanada wurde ein Text geteilt, der suggeriert, Muslime seien intolerant. Gespickt wurde der Brief mit Klischees und Vorurteilen. Der Text fand so eine Verbreitung, dass er vor kurzer Zeit ins Deutsche übersetzt wurde, und nun im deutschsprachigen Raum weiter verbreitet wurde.


Screenshot / (C) Facebook Inc.

Gut - Montreal, Kanada. Immerhin ist ja Frank Stronach Wahlkanadier, so wird die Nächstenliebe der sozialen Heimatpartei mal kurz über den Atlantik ausgeweitet. 

Dass es BPO Strache nicht so ganz mit Fake-Meldungen hat, ist durch einige Medienberichte bereits bekannt - hätte Herr Strache (oder einer seiner Berater) nun in der Suchmaschine seines Vertrauens die Worte “Schweinefleischverbot” und “Schulkantine” eingegeben, so wäre er auf diese Artikel gestoßen:


sowie die


Wenn der untere Link nun angeklickt wird, öffnet sich folgende Meldung




Die Schweinefleischmär kreist schon mehrere Jahre durch das Internet, um mindestens einmal jährlich wie Phönix aus der Asche aufzusteigen. 2013 war es Belgien, dieses Mal wurde das schöne Städtchen Dorval in Kanada auserkoren, um den “Verteidiger des Schweineschnitzels” zu beheimaten. Dass sich Strache - oder dessen Lakaien - dazu herablassen, eine Hoax-Meldung noch abzuändern und unter eigener Fahne weiterzuverbreiten, ist ein neuer Tiefpunkt der österreichischen Politiklandschaft! Man kann bereits einige Parallelen im Text erkennen, richtig deutlich wird die Vorgangsweise allerdings, wenn man die beiden Texte nebeneinander stellt, und die gleichen Textpassagen einfärbt:


Wir halten fest - BPO Strache nimmt OHNE PRÜFUNG der Sachlage einen Bericht, ergänzt ihn um weitere Lieblichkeiten, und verbreitet diesen unter eigenem Namen. Selbst FPÖ-nahe FB-Seiten haben diesen Brief als “Hoax” erkannt, und ihn archiviert - immerhin soll er nächstes Jahr wieder schweinefleischbesorgte Patrioten wachrütteln.

ANSCHULDIGUNG 1: FALSCHMELDUNG!


Das Kreuz mit dem Kreuz


Hier finden sich im Netz sogar mehrere Informationen:

Der bekannte Fall aus Wien, wo eine Mutter Beschwerde eingereicht hat, man möge das Kreuz aus den Klassenzimmern entfernen. Und wenn der Wortlaut in den verschiedenen Medien unterschiedlich klingt, so liest man einen Punkt in allen Artikeln - die Mutter ist ohne Konfession! Kein Hinweis auf muslimische Untergrabung auf christlich-abendländisches Kulturgut.

Tatsächlich besteht ein bindendes Urteil für alle EU-Staaten betreffend religiöser Symbole in öffentlichen Schulen - herbeigeführt von Frau Soile Lautsi aus Italien- Die Atheistin hatte sich darüber beschwert, dass ihre Söhne in der staatlichen Schule einer Kleinstadt bei Padua unter dem Kruzifix unterrichtet würden, Straßburg gab ihrer Argumentation 2009 recht. 

Um die Diskussion noch absurder werden zu lassen - laut der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom März 2011 verstoßen Kreuze in Klassenzimmern nicht gegen die Religionsfreiheit. Da Herr Vilimsky ja an der Quelle dieser Gesetzgebung sitzt, hätte er seinen BPO darauf hinweisen können, dass es kein Kruzifixverbot in Schulen gibt (in keinem der 28 unterzeichnenden EU-Staaten)

ANSCHULDIGUNG 2: FALSCH - KEINE FORDERUNG VON MUSLIMISCHEN ELTERN!


Es lebe der Sport


Hier gibt das Internet leider keine detaillierte Auskunft, welche Informationen Herr Strache verbreitet bzw. welchen Vorfall er hier schildert. Ja, es gibt Medienberichte, dass vereinzelt muslimische Eltern den Töchtern Sportunterricht untersagen wollen - eine allgemeine Forderung von muslimischen Eltern kann allerdings nicht gefunden werden. Statt hier die Beweggründe von Herrn Strache weiter zu hinterfragen lieber ein erbauliches Bild junger muslimischer Fußballspielerinnen.





ANSCHULDIGUNG 3: KEINE BELEGBAREN BERICHTE - (wir nennen es mal) IRRTUM!


Der Nikolo


Gut - um dieses Thema erneut aufzurollen: 2006 hat die Wiener Vizebürgermeisterin Grete Laska die Vermessenheit, den Nikolo zu kritisieren - nach der ersten Empörung hat eine Sprecherin Laskas die Situation erklärt - Zitat “Es werde nur darauf geachtet, dass die Kinder der Figur des Nikolaus ohne Angst begegnen könnten. Deshalb werde auf Fremde als Nikolaus-Darsteller verzichtet”. Des weiteren heißt es in dieser Aussendung 


Es gab nie ein Verbot für den Nikolaus in Wiens Kindergärten!


Aber eben die oben angesprochene Angst verlieh halbkreativen Köpfen der FPÖ Flügel - und es war vom “Nikolo-Verbot” die Rede. Auch wurde in weiterer Folge darauf vergessen, dass dieses vermeintliche Verbot vom politischen Mitbewerb SPÖ kreiert wurde - Verständlich, immerhin hätte es zu einem politischen Diskurs zwischen rot und blau geführt, den die FPÖ ja nicht hätte gewinnen können (da das Verbot ja nie bestand).

Also wird aus Grete Laska die Gesamtheit der muslimischen Bevölkerung gemacht.

ANSCHULDIGUNG 4: SCHLICHT UND EINFACH “UNWAHRHEIT”!!!

Aber, um nicht mit einem schlechten Gefühl diesen Artikel zu schließen - ich bin offensichtlich selbst einem Hoax aufgesessen - es scheint sich bei Herrn Straches Text um eine utopische Szenerie zu handeln. Das mutmaße ich aus seiner “Vision” im ersten Teil des zweiten Absatzes.

Und so jemand wurde zum Gemeinderat gewählt?

Über Herrn Purzner haben wir bereits vor den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich ausführlich berichtet. Nun haben wir eine Fülle an Links erhalten, die vom Informanten auch an andere Medien geschickt wurden. Wir haben die Datensicherung übernommen, eine Nachtragsanzeige wird selbstverständlich folgen.

Manche Dinge bedürfen einfach keiner weiteren Erklärung… 


Screenshot / (C) Facebook Inc.

Folgender Kommentar fand sich übrigens auf der Facebook-Seite des Nationalratsabgeordneten Christian Hafenecker: 


Screenshot / (C) Facebook Inc.

Aber Herr Purzner hatte offenbar schon einmal ein Ermittlungsverfahren - welches allerdings eingestellt wurde:


Screenshot / (C) Facebook Inc.

Am 09.02.2015 sind über Herrn Purzner verschiedene Zeitungsberichte erschienen:


Noch ein lustiges Detail am Rande. Angeblich haben wir im Jahr 20145 eine Urheberrechtsverletzung begangen, für die Herr Purzner da etwas Geld herausschlagen möchte…



Wir werden jetzt mal schnell in unsere Zeitmaschine steigen, in die Zukunft reisen und überprüfen ob der Herr Purzner wenigstens aus der Partei ausgeschlossen wird…



Quelle http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150209_OTS0066/fpoe-noe-helmut-purzner-tritt-mit-sofortiger-wirkung-aus-der-fpoe-aus


Also, eine Reise in die Zukunft war somit doch nicht notwendig, sondern nur ein Blick auf die OTS.