Freitag, 30. Januar 2015

Das andere Österreich

von Hans Breuer www.hansbreuer.com

Ich bin 9 Jahre nach dem Krieg geboren. Für mich ist Österreich ein Naziland.
Dieser Staat hat versucht, meine beiden Eltern zu ermorden.
 
Im Kindergarten fiel eine ganze Bande über mich her, weil ich ein asiatisches Mädchen in Schutz nahm. „Du Jud!“ schimpften sie mich. Ich hab damals nicht einmal gewußt, was das heißt. Meine Eltern waren Atheisten und es gab Weihnachtsmann und Osterhase, statt Chanukka oder Schabbes.
 
Am 31.März 1965 bestand ich -als Elfjähriger- darauf, mitzugehen auf die Demonstration gegen den Nazi-Professor Borodaykewycz, der an der Universität sich stolz zu seiner Vergangenheit bekannte.
Auf der Mariahilferstrasse wurde ich Zeuge von lautstarken Auseinandersetzungen. Ich sah Überlebende der Konzentrationslager, die ihre Ärmel hochstreiften und die tätowierten Häftlingsnummern in die Höhe hielten.
 
Ich sah die Korps-Studenten mit HSNS-Emblemen von der Heeres Sport- und Nahkampfschule auf der Jacke. „Euch hat der Hitler vergessen!“ riefen sie und „Hoch Ausschwitz – Juden raus!“ Mit Schlagstöcken, Stinkbomben und Stahlruten gingen sie auf die Antifaschisten los.
Einer der Pensionisten, die die Verfolgung überstanden hatten, hieß Ernst Kirchweger. Er war 67 Jahre alt und nicht bei guter Gesundheit. Das hielt ihn aber nicht davon ab, zur Verteidigung der Demokratie auf die Strasse zu gehen.

Der 24-Jährige, der ihm einen derartig wuchtigen Faustschlag ans Kinn versetzte, dass er nach hinten und auf die Randsteinkante flog, war polizeibekannt. Günther Kümel war ein trainierter Boxer. Er hatte auf das Parlament geschossen und war an Sprengstoffanschlägen auf die italienische Botschaft beteiligt. Als sein Opfer in einer Blutlacke auf der Strasse lag, marschierte Kümel unberührt weiter.
Doch der Richter kam zu der Erkenntnis, dass sich Kümel zwar nicht in einer Notwehrsituation befunden hat, sie sich aber einbildete. Und verurteilte den Täter wegen „putativer Notwehr“ zu zehn Monaten Arrest!

Quelle: apastekhlatroymer.wordpress.com

In diesem Nazi-Staat, der Heimat Adolf Hitlers, gab es niemals eine Entnazifizierung.

Die Richter, die Staatsanwälte, die Pfarrer, die Polizisten, ja sogar die Professoren. Sie wurden NIEMALS ausgewechselt. Es gab ja gleich wieder einen neuen Feind. In all diesen Berufsgruppen ist Antisemitismus, Fremdenhass und Rassismus stärker vertreten, als beim einfachen Volk!
 
Und heute sind ihre geistigen Nachfahren am Werk: Heute foltern und töten österreichische Polizisten. Der Staatsanwalt Krone-Wetter stellt Antifaschisten, die sich gegen einen brutalen Überfall verteidigen, auf die selbe Anklagebank mit den Nazi-Schlägern. Unschuldige – wenn sie zufällig keine Rechtsextremen sind – werden monatelang eingekerkert, Existenzen zerstört, Flüchtlinge in den Tod geschickt.
 
Dieser Staat hat nie aufgehört, eine Brutstätte des Faschismus zu sein.
 
ABER: Es gibt auch das ANDERE ÖSTERREICH! Es gibt junge Richter, die keine Klassenjustiz üben. Junge LehrerInnen, die versuchen, NICHT zu Duckmäusertum zu erziehen. Anständige Polizisten, die rassistische Kollegen zurechtweisen, zumindest bis in die mittleren Ränge.
Es sind WENIGE. VIEL ZU WENIGE. Doch an DIE appelieren wir: Erhebt Eure Stimmen! Setzt ein Zeichen! Macht euch bemerkbar. Auch wenn ihr nicht ZUSTÄNDIG seid. Jeder ist zuständig, wenn Unrecht, wenn Hetze passiert.

Es gibt auch das ANDERE ÖSTERREICH: Einige Taxler haben ein Zeichen gesetzt. Sie transportieren keine Gäste zu dem Nazi-Ball, der in Deutschland nicht denkbar wäre. In Wien habe ich schon erlebt, wie sich eine bunte Schar von Passanten, zwei Jugoslawen, zwei türkische Frauen, ein Student aus Kärnten mit mir gemeinsam zu spontaner Hilfe für einen afrikanischen Flüchtling solidarisiert haben.

Es liegt an uns: Lasst uns aufstehen gegen Hetze, Rassismus und Antisemitismus!

(Entwurf einer ZEICHEN SETZEN Rede von Hans Breuer am Heldenplatz, 30.01.2015,
zuerst erschienen im Blog apastekhlatroymer.wordpress.com)
Montag, 26. Januar 2015

Karrieresprünge aus dem Fettnäpfchen?

Andreas Reindl mit (verpixelten) Mitgliedern der "Identitären Bewegung". Bild: FMT Pictures T.A., Quelle: meinbezirk.at

Interessant zu beobachten, was mit Parteimitgliedern passiert, die sich einen oder mehrere „Ausrutscher“ ins rechte Eck leisten - oder ins offenbar recht große Fettnäpfchen, das sich dort befindet.

Jüngst der Schulterschluss des Salzburger Gemeinderates Andreas Reindl mit der (nicht nur) vom DÖW als rechtsextrem eingestuften „Identitären Bewegung“ auf einer Mahnwache zum Gedenken an die Opfer der Anschläge von Paris. Von den fadenscheinigen Ausreden des Herrn Reindl („zufällig“, „manipuliertes Foto“) war man ja kaum überrascht, entsprechen sie doch ganz und gar dem freiheitlichen Ausredenkatalog à la „3 Bier“, „Gotcha“, „Profil gehackt“, „überspitzt formuliert“ u.v.m.
 
Dass dann auch noch Bundesparteiverseschmied Herbert Kickl für den Salzburger Parteifreund per OTS in die Bresche springen musste, fanden manche vielleicht schon etwas übertrieben oder zumindest amüsant. Aber dass Reindl so schnell die Früchte seiner scharfen Rechtskurve ernten würde, kam vielleicht auch für viele in der eigenen Partei überraschend. Dieser wurde nämlich zum Klubobmann der Freiheitlichen in der Stadt Salzburg befördert, nachdem der bisherige Klubobmann Andreas Schöppl im Schnellverfahren per Misstrauensvotum aus dem Amt entfernt worden war.
 
Rückblickend betrachtet gar nicht mal so überraschend, sondern ganz konsequent. Erinnern wir uns: Ausflüge in einschlägige Fettnäpfchen werden in der Freiheitlichen Partei ja nicht allzu selten mit einem Karrieresprung belohnt. Man denke nur an Susanne Winter, die nach einem Skandal wegen hetzerischer Äußerungen in den Nationalrat einziehen durfte. Dieses Mandat durfte sie auch nach ihrer Verurteilung wegen Verhetzung behalten, die von ihrem Bundesparteiobmann als “Meinungsdelikt” verharmlost wurde. Herbert Kickl und später auch Strache sprachen auch von ihr als einer „gerichtlich anerkannten Islamkritikerin“. Ihr Sohn Michael, ebenfalls wegen Verhetzung verurteilt, konnte sich immerhin als Bezirksobmann in Graz-Straßgang etablieren.
 
Barbara Rosenkranz forderte eine Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes – und wurde Kandidatin bei der Bundespräsidentenwahl 2010. Nachdem sie ihre Forderung wieder zurückgezogen hatte, in einem Interview auf Fragen zum Holocaust sehr ausweichend geantwortet hatte und sowohl bei der Bundespräsidentenwahl als auch bei den darauf folgenden niederösterreichischen Landtagswahlen Misserfolge eingefahren hatte, wurde sie ebenfalls mit einem Nationalratsmandat belohnt.
 
Gerhard Dörfler, ehemaliger Landeshauptmann von Kärnten, dem als Begründung der Einstellung seines Verfahrens wegen Amtsmissbrauch beschieden wurde, dass sein Verhalten als Verkehrslandesrat im Ortstafelstreit objektiv Amtsmissbrauch darstellt, aber keine „wissentlich befugnismissbräuchliche Handlungsweise“ (in Konsequenz also Unfähigkeit, Amtsmissbrauch zu erkennen – was für ein Armutszeugnis für einen Amtsträger!), der in weiterer Folge ebenfalls eine Landtagswahl in den Sand setzte (Verlust von ca. 2/3 der Stimmen!), erhielt ein Mandat im Bundesrat, den er ein Jahr zuvor noch abschaffen wollte.

Maximilian Krauss ließ mit einer für sein zartes Alter durchaus ansehnlichen Auswahl an hetzerischen Aussagen und bedenklichen Forderungen aufhorchen - und wurde flugs zum Vizepräsidenten des Wiener Stadtschulrats nominiert, was nur am Veto des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl scheiterte. Die FPÖ versuchte in weiterer Folge mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln, die Ernennung von Krauss doch noch zu erzwingen. 

Aber seien wir fair – die meisten werden dann doch nicht mit einem Aufstieg oder einem lukrativen Umstieg belohnt – passieren tut ihnen aber auch nichts. Meist werden noch trotzige Solidaritätsbekundungen nachgeschossen, wie im Fall von Christian Höbart, dessen „Höhlenmenschen“-Sager ihm bis jetzt zwar noch nicht viel genützt, aber auch nicht geschadet hat, denn er ist nach wie vor Nationalratsabgeordneter und Co-Landesparteiobmann in Niederösterreich. Auch der jüngste Tiervergleich konnte daran nichts ändern.
 
Nur Andreas Mölzer hatte sich verkalkuliert. Gegen die EU-Bürokratie sei "das Dritte Reich wahrscheinlich formlos und liberal" gewesen, tönte er als wahlkämpfendes MEP (ein Schelm, wer hier Paradoxien sieht) – das war noch kein Problem, weil er sich ja per Patentausrede aus der Affäre ziehen konnte. Aber mit Fußballfans will es sich eine populistische Partei dann doch nicht verscherzen, und da war dem Herrn Mölzer nicht mehr zu helfen, auch wenn sein Artikel über den „pechrabenschwarzen“ Austro-Fußballstar David Alaba einfach nur konsequent seinem „freiheitlichen“ Gedankengut entsprungen war. Man ließ zwar noch schnell die eine oder andere Schuldzuweisung an den „Meinungsterror der Gutmenschen“ folgen, alles in allem aber war deutlich zu merken, dass man Gras über die Sache wachsen lassen wollte.
 
Verhetzung scheint ja in freiheitlichen Parteikarrieren nicht so das Problem zu sein, wie die beiden Fälle Winter deutlich zeigen – bei Wiederbetätigung sieht es dann doch etwas anders aus, wie die Causa John Gudenus zeigte (wobei dieser nach seiner Gaskammernleugnung im ORF-„Report“ selbst aus der Partei austrat und auch bereits im richtigen Alter war um als Bundesrat einfach in den Ruhestand zu treten). Siegfried Kampl, Bürgermeister von Gurk, wurde nach bedenklichen Aussagen zum Nationalsozialismus sogar aus der Partei ausgeschlossen (seine Ortsgruppe hält ihm allerdings weiterhin die Stange). So weit, so gut. Man fragt sich allerdings, warum diese Fälle immer in der eigenen Partei viel mehr Überraschung auszulösen scheinen als außerhalb (zumindest wird das immer so kommuniziert).
 
Doch abseits des Verbotsgesetzes, das trotzdem in regelmäßigen Abständen von FPÖ-Mitgliedern in Frage gestellt wird, scheinen doch parteiintern diejenigen einen kleinen Vorteil zu haben, die es zu Wege gebracht haben, sich per „Einzelfall“ 15 Minuten zweifelhaften Ruhm zu verschaffen. Bundeszahntechniker Heinrich macht’s ja vor: Teilnahme bei "einer Art Wehrsportübung" in Niederösterreich, bei der auch Gottfried Küssel anwesend gewesen sein soll, „3 Bier“ mit Franz R., Silvesteraktion mit der Wiking-Jugend inklusive Polizeigewahrsam - und ein zügiger Aufstieg an die Parteispitze. Man darf gespannt sein, wie die Partei mit ihrem neuesten "Einzelfall” Helmut Purzner verfährt.