Freitag, 16. Mai 2014

Danke Conchita!

Gastkommentar von Manfred Walter, Sprecher von Heimat ohne Hass



Vier sehr bewegende Tage liegen hinter mir, vier Tage an denen irgendwie alles zusammengepasst hat, an denen alles stimmig war. Und vielleicht geht es ja anderen Menschen auch so, vielleicht haben auch einige von uns, diese Tage auch so erlebt.

Chronologisch betrachtet, könnte man meinen, jo mei, der war halt viel unterwegs. Donnerstag in Wien beim „Fest der Freude“, Samstag hab ich, wie viele andere beim Songcontest mitgefiebert und heute war ich in Mauthausen bei der internationalen Befreiungsfeier. Und alles war stimmig, zusammenhängend, einem rotem Faden folgend.

Ich danke Conchita Wurst. Ich danke nicht dafür, dass sie den SängerInnenwettbewerb gewonnen hat, das hat sie alleine. Ich danke auch nicht für das Lied, das ist, sorry wenn ich das so sagen muss, Meterware, das kriegt man beim Musikfabrikanten ums Eck vom Fließband. Ich danke Conchita dafür, dass sie mich gezwungen hat, meine eigenen Vorurteile zu hinterfragen, wieder mal zu hinterfragen, ob ich denn wirklich SO vorurteilsfrei bin, wie ich gerne wäre, wie ich mich gerne darstelle. Vielleicht ist es ja vielen anderen auch so ergangen, jedeR möchte ja gerne aber sowas von vorurteilsfrei sein, sowas von tolerant, sowas von eh alles akzeptieren können. Ist aber nicht so, auch wenn einige jetzt vielleicht entrüstet diese Zeilen lesen und denken, „na I ned“. Kein Mensch ist vorurteilsfrei. Der Unterschied liegt nur darin, ob man die kleinen Phobien, die in einem stecken auch ab und an reflektiert und hinterfragt. Und dazu hat mich Conchita Wurst gezwungen, ermuntert und motiviert und dafür bin ich dankbar.

Der rote Faden dieser Tage zeigt aber auch was rauskommt, wenn man seine eigenen Vorurteile nicht hinterfragt, sondern im Gegenteil, servierte, aufbereitete Vorurteile auch noch unreflektiert übernimmt. Wenn man aus diesen Vorurteilen, die einem andere sauber aufbereitet und in kleinen Häppchen verabreichen, eine menschenverachtende Ideologie macht. Wenn man dann, gemäß diesen Vorurteilen, es als gerechtfertigt empfindet, Menschen zu ermorden, ihnen das Lebensrecht abspricht. Menschen aufgrund ihrer Lebensentwürfe für vogelfrei erklärt.

Wäre ich, wären wir, so tolerant und vorurteilsfrei, wie wir das gerne hätten, dann wäre kein Fest der Freude am HeldInnenplatz (Es gab nie nur Helden, die Heldinnen sollen nicht vergessen werden, deswegen HeldInnenplatz) notwendig, dann wäre es obsolet. Aber weil es immer noch VerfechterInnen der aufbereiteten, servierten und zur Ideologie geschmiedeten Vorurteile gibt und die, bis vor zwei Jahren, diese Ideologie in ihren Buden sorgsam gehegt und gepflegt, eben dort auf diesem HeldInnenplatz zelebrierten, ist es notwendig, dort die kriegerische Befreiung von dieser Barbarei zu feiern. Genau dort, wo der Hohepriester der aufbereiteten, servierten, geschmiedeten Vorurteile einst seinen Hass den Wienerinnen und Wienern vom Balkon entgegen brüllen durfte. Viele haben gejubelt, viele haben sich aus dem Fenster geschmissen.

Wohin es führt, wenn man aufbereitet, serviert, ideologisiert und dann zur Staatsdoktrin erklärt, das hab ich heute wieder sehen, fühlen und erleben müssen - oder besser DÜRFEN! Mauthausen bewegt mich. Berührt mich. Unangenehm und schmerzend. Ein bisschen weniger an Tagen wie heute, wenn ich mit achttausend anderen anwesend bin, aber nur ein bisschen weniger als an den Tagen, an denen ich alleine oben war. Oben, wo Tausende und Abertausende starben, ermordet wurden, weil sie nicht in das Schema passten, weil sie in das aufbereitete, servierte Vorurteil passten. Und es hilft mir, mich zu erinnern, mich zu ermahnen, wachsam zu sein. Wachsam, was um mich vorgeht, aber vor allem wachsam zu sein, was IN mir vorgeht.

Darum sag ich danke. Weil ich spüre, dass ich Mensch bin, mit all den Fehlern die Menschen haben, mit all den Unzulänglichkeiten. Und weil ich wieder daran erinnert werde, dieses Menschsein, dieses Lebendigsein zu reflektieren, zu hinterfragen und – das ist das wirklich Schöne daran – gegebenenfalls korrigieren zu können.