Keine Sorge, das wird jetzt keine Never-Ending-Story wie zum Beispiel bei „How I met your Mother“, aber ein bisschen weiter ausholen muss ich doch.
Wie wahrscheinlich viele Menschen in den Zwanzigern hatte ich nur ein sehr eingeschränktes Interesse an Politik. Jetzt in den Vierzigern ist für mich Politik nicht mehr etwas „Abgehobenes“ oder „Langweiliges“, das es zu meiden gilt, sondern hat durchaus spannende Aspekte, selbst wenn man nicht Mitglied einer Partei ist.
Aber ich fange lieber von vorne an. Mit etwa 20 begann ich in einem Unternehmen zu arbeiten, bei dem sowohl der Inhaber als auch der Geschäftsführer in der FPÖ aktiv waren. Das war mir – aufgrund meiner nicht vorhandenen politischen Einstellung damals – von Herzen total egal. Ich liebte meinen Job, also begann ich auch das eine oder andere für die Partei, die nur inoffiziell in dem Unternehmen eine Rolle spielte, zu erledigen. Nein, keine geheimen Botengänge und auch kein Aufsuchen von toten Briefkästen usw., aber Entwürfe für Veranstaltungen der FPÖ inklusive Text und Design u.ä. habe ich sehr wohl entwickelt. Natürlich blieb es dadurch auch nicht aus, dass ich mich verstärkt mit dem Mysterium genannt Politik auseinanderzusetzen begann. Und was ich da so erfuhr, gefiel mir immer weniger.
1988 war das große Gedenkjahr zum Anschluss Österreichs an Nazideutschland. Und auch wenn ich nicht weiß, wie andere Schulen damit umgegangen sind, in meiner Schule war das ein echter Themenschwerpunkt. Der Film „Die Welle“ hat mich ebenso geprägt, wie der Besuch ehemaliger KZ-Insassen in unserer Klasse, die Bilder der Toten und meine Gefühle, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, sind auch heute noch sehr lebendig (ein übrigens seltsamer und doch sehr passender Ausdruck in diesem Zusammenhang). Und genau diese Emotionen trafen dann auf Aussprüche von Jörg Haider wie „Im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt“ oder auch „Ich verstehe überhaupt nicht, wie einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann“. Ich war fassungslos und ich begann mir die Parteien genauer anzusehen. Es dürfte dem/der werten LeserIn mittlerweile klar sein, worauf es hinausläuft – ich begann die FPÖ im Allgemeinen und Jörg Haider im Besonderen zu verabscheuen. Diese Einstellung kollidierte natürlich irgendwann mit meinem Job und es kam wie es kommen musste, ich habe dieses Unternehmen verlassen. Was ich jedoch schon damals erfahren habe – PolitikerInnen sind leider viel zu oft korrupt, es gilt das Motto „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird“ und der Personenkult in der FPÖ ist ungesund und erschreckend (damals bei Haider, heute bei Strache).
Vor einigen Jahren bin ich über eine Freundin auf Facebook gelandet. Anfangs habe ich das Medium überhaupt nicht genutzt, erst so nach und nach wurde es für mich interessanter. Eher durch Zufall habe ich eine Reihe von Seiten gefunden, auf denen politische Geschehen teilweise satirisch und kritisch, teilweise ausschließlich ernsthaft behandelt wurden. Allerdings trifft man auch auf so manches „Gustostückerl“, selbst wenn man nicht danach sucht. Wer z.B. kommt auf die Idee, eine Seite mit dem Namen „Österreich hat schon genug Ausländer!! STOPPT DIE REGELRECHTE ÜBERFLUTUNG!!“ zu gründen? Spätestens ab da habe ich dann gezielt gesucht, was Facebook in dieser Richtung zu bieten hat und bin leider viel zu oft fündig geworden. Ich selbst sehe mich politisch links von der Mitte angesiedelt, radikale Denkweisen und fanatische Handlungen habe ich immer schon abgelehnt, auch wenn ich natürlich schon damit konfrontiert worden bin. Doch was so einige NutzerInnen unter dem Deckmantel der Anonymität auf diesen Seiten des virtuellen Lebens geschrieben haben, hat bei mir eine ganz reale Übelkeit in meinem ganz realen Leben verursacht.
Auf einem meiner Ausflüge in die Welt der Irrationalität und der Fremdenfeindlichkeit wurde „Heimat ohne Hass“ erwähnt. Ich glaube, es stand auf einer Satireseite, die ich zwischendurch immer wieder aufsuchte, um wieder auf den Boden zurückzufinden. Ich habe sie mir nicht angesehen, die erwähnte Seite, weil ich zu der Zeit genug von „Heimattreuen“ und „aufrechten“ ÖsterreicherInnen hatte, die sich der „Heimatliebe“ verschrieben haben und unter diesem Deckmantel genussvoll gegen alles hetzten, was ihrer Meinung nach nicht österreichisch genug war. Natürlich habe ich sie mir kurz danach dann doch angesehen. Schließlich will man wissen, was sich Neues tut. ;-)
Die Seitenbeschreibung überraschte mich dann doch ein wenig. Offenbar handelte es sich nicht, wie ich angenommen hatte, um eine neue Spielwiese für Menschen, die sich scheinbar in jeder Lebenssituation durch die Regierung benachteiligt fühlen und überzeugt sind, dass AusländerInnen/AsylantInnen/Zuwanderer nur deshalb nach Österreich „geholt“ werden, um Stimmen für die Regierungsparteien und die allzu liberale Opposition zu sichern. Aufgrund der vielen Kommentare von FPÖ-FunktionärInnen und -WählerInnen, die nicht müde wurden darauf hinzuweisen, dass jede/r, der/die nicht gegen die derzeit praktizierte Ausländerpolitik, den angeblich überbordenden Sozialtourismus, die Unmengen an ScheinasylantInnen und die nicht mehr aufzuhaltenden kriminellen AusländerInnen, auftritt, ein/e VaterlandsverräterIn und HeimathasserIn sei, war mir scheinbar ein Fehler unterlaufen. Ich war darauf hereingefallen, dass die FPÖ den Begriff Heimat für sich beansprucht. Das Konzept, das hinter dieser Strategie steht, hatte also auch bei mir funktioniert. Mit „Heimat ohne Hass“ aber hatte sich tatsächlich eine Initiative gebildet, die sachlich und nüchtern gegen die extremen Auswüchse in der FPÖ angehen wollte und dafür den Begriff Heimat in ihrer Seitenbeschreibung verwendete.
Was ich herausfand, gefiel mir ausgesprochen gut. Eine Plattform für alle, die sich mit der FPÖ und deren extremen Ansichten bzw. Auswüchsen nicht wohl fühlten und etwas dagegen unternehmen wollten. Die Kommentare waren sachlich und fundiert, die Diskussionen kultiviert. Das verdiente ein „Gefällt mir“. Aufgrund der umfangreichen Recherchearbeit gelang es „Heimat ohne Hass“ auch sehr rasch in den Medien erwähnt zu werden, was natürlich nicht nur von so manchen SeitenbetreiberInnen, die Hetze unters Volk brachten, bemerkt wurde. Es tauchten verschiedene Personen bei HoH auf, die teilweise an einem echten Austausch interessiert waren, teilweise jedoch versuchten durch Provokationen, Beschimpfungen und Hetze das Niveau der Seite herunterzuziehen und somit angreifbar zu machen. Die Reaktion von „Heimat ohne Hass“ war das Disziplinierteste, was ich mir in so einem Medium vorstellen kann. Kommentare wurden von allen möglichen Leuten, die die Seite frequentierten, beantwortet. Fakten wurden ausgetauscht, verschiedene Ansichten von beiden Seiten akzeptiert. Die ProvokateurInnen wurden von HoH ermahnt, einschlägige Postings mit Hinweis auf die Seitenrichtlinien gelöscht und – als sich so manche/r nicht von seiner/ihrer Hetze abbringen ließ – letztlich auch gesperrt. Ich beteiligte mich gerne an diesen Diskussionen, auch weil sie mir den Glauben teilweise wiedergaben, dass es nicht nur ein Schwarz und Weiß gibt, und dass nicht jede/r FPÖ-WählerIn davon überzeugt ist, dass ausschließlich ein Österreich ohne AsylantInnen und „minderwertigen“ Zuwanderern vor dem drohenden Untergang gerettet werden kann.
Nach einigen Monaten erhielt ich vom Gruppensprecher von „Heimat ohne Hass“ die Anfrage, ob ich Interesse hätte, der Initiative beizutreten. Zuallererst fühlte ich mich geschmeichelt. Schließlich war mir bewusst, dass sich hier Menschen gefunden hatten, die einen Gutteil ihrer Freizeit investierten, um der Propaganda von RechtspopulistInnen und Rechtsextremen entgegenzuwirken. Und mir war auch klar, dass hier jede/r, ganz gleich welcher Partei, er oder sie sich zugehörig fühlte, mitposten konnte. Das bewies mir, dass auch im Hintergrund ein breites Spektrum an Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugungen vertreten war. Allerdings bin ich aus persönlichen Gründen grundsätzlich eher vorsichtig, was ein Engagement auf Internetseiten angeht. Aber hier hatte ich, durch meine gemachten Erfahrungen, ein gutes Gefühl – also sagte ich zu.
Und da bin ich nun. Seit einigen Tagen frischgebackenes Mitglied von „Heimat ohne Hass“. Mir war bereits vorher klar, dass eine Menge an Aufwand in dieser Arbeit steckt, aber erst jetzt sehe ich, wie viel es tatsächlich ist. Die Initiative besteht aus mehr Menschen, als ich angenommen hatte, die in den unterschiedlichsten Berufen tätig sind und trotzdem teilweise enorm viel Zeit und Energie investieren, um zu recherchieren, Daten zu sammeln und auszuwerten und juristische Fragen abzuklären. Und obwohl viele von ihnen mit wirklich heftigen rechtsextremen Menschen und deren Ansichten massiv konfrontiert sind, finden sie noch Zeit, um zu blödeln und verlieren nicht die Motivation gegen diese Auswüchse anzukämpfen. Ich selbst hatte bei meinen Besuchen von so mancher FPÖ-nahen Seite oftmals das Gefühl, dass es fast unmöglich ist, etwas gegen diesen Fanatismus auszurichten. Dieser für mich nicht nachvollziehbare Hass, der einen durch die Hetze dieser Menschen entgegenschlägt, scheint alles zu verätzen. Ich hatte den Eindruck, nichts tun zu können, es hinnehmen zu müssen, dass diese teilweise extreme Hetze verbreitet wird und sich so nach und nach überall breit macht. Jetzt sehe ich, dass das nicht unbedingt so sein muss. Dass es Menschen gibt, die das nicht einfach so hinnehmen wollen. Dass es noch Möglichkeiten gibt, dagegen anzugehen, ohne dabei selbst zum/zur HetzerIn zu werden, dass man mit Aufzeigen die Öffentlichkeit miteinbeziehen und aufklären kann, indem man fundierte Fakten präsentiert, die nicht aus irgendwelchen dubiosen, nicht nachvollziehbaren Quellen stammen und auch juristische Möglichkeiten hat, die man nutzen sollte. Und ich bin froh, dass man mir die Chance gibt, aktiv daran teilzuhaben, ein besseres Österreich, eine Heimat vielleicht nicht ganz ohne, aber doch mit weniger Hass, zu schaffen. Danke.