Ein Kommentar von Manfred Walter, Sprecher von HoH
Firas Abdullah Houidi (auch Firas Houdi) - der Gotteskrieger aus Österreich - ist seit geraumer Zeit in allen Medien. Ein junger Mann, keine 20 Jahre alt, von heute, dessen größter Wunsch im Alter von 12 Jahren noch der Weltfrieden war, ist nun Teil des “Islamischen Staates”, jener Terrororganisation, die Syrien und den Irak derzeit ins Chaos stürzt. Doch Firas Houidi ist nur das “bekannte” Gesicht für vermutlich weitere 130 ÖsterreicherInnen, die im Dienst des IS stehen.
Wie und warum Houidi und viele andere so werden konnten, darüber schreibt Robert Misik in einem zutiefst bewegenden Beitrag: (http://www.misik.at/sonstige/wie-wir-firas-verloren-haben.php ) .
Laut der Tageszeitung Der Standard versuchen nun schon einige der aus Europa stammenden Gotteskrieger, wieder desillusioniert zurück in ihre Herkunftsländer zu gelangen. Wird der IS ihrer habhaft, so werden sie wahrscheinlich sehr geringe Überlebenschancen haben. Schaffen sie es, dann stellt sich die grundsätzliche Frage, wie die Gesellschaft mit ihnen bzw. generell mit extremistischen Strömungen umgehen soll.
Vermehrt vernimmt man von politisch führenden Stimmen, dass ein Dschihad- und/oder ein Scharia-Verbot unbedingt notwendig und zielführend sei. Ich kann dem nicht zustimmen, aus mehreren Gründen:
Zum Einen ist die österreichische Rechtslandschaft schon dermaßen vielfältig und unübersichtlich, dass ich glaube, dass weitere Gesetzesmaterien selbst für Fachleute teilweise nicht mehr überblickbar sein würden. Als abschreckendes Beispiel sei hier das mehrfach novellierte und ergänzte Fremden- und Aufenthaltsrecht genannt, das auch für ausgewiesene ExpertInnen nur mehr schwer überschaubar ist. Diese vielfältigen, unübersichtlichen und vor allem sehr difusen Novellierungen haben z.B. bereits zur Folge, dass in deren Auslegung mit nachvollziehbarer Argumentation für ein- und denselben Sachverhalt zwei absolut diametrale Ergebnisse möglich sind und beide rechtskonform wären. Ein zusätzliches Dschihad- und Scharia-Verbot, in ein gesondertes Gesetz gegossen, würde wahrscheinlich eine ähnlich verworrene Situation hervorrufen. Was also bereits für Fachleute kaum mehr zu überblicken ist, ist für den rechtsunterworfenen Laien dann wirklich nur mehr Juristenlatein.
Zum Anderen findet sich Im österreichischen Strafgesetzbuch der bereits einige Male erweiterte Paragraph 278. Terroristische Vereinigungen werden durch die §§ 278b ff erfasst. Ich denke, diese Stellen im StGB sind ausreichend, um auch Erscheinungen wie den IS und seine UnterstützerInnen rechtlich zu erfassen. Anstatt eine eigene Gesetzesmaterie zu verabschieden, wäre es wesentlich vernünftiger – und auch für Fachleute wie Laien leichter anwendbar – diesen Komplex der §§ 278b ff um die Tatbestände der Unterstützung und Propagierung zu erweitern. Die Argumentation, dass der IS von internationalen Gremien noch nicht als Terrororganisation deklariert wurde, läuft ins Leere, da die Tatbestandsmerkmale, ab wann eine Organisation als solche einzustufen ist, ausreichend determiniert sind.
Und doch bringt uns das in der aktiven Vermeidung der Radikalisierung von vor allem jungen Menschen keinen Schritt weiter. Es kann hier nur auf bereits erfolgte Radikalisierung reagiert werden. Aber auch hier zeigen sich andere Möglichkeiten, als mit der „ vollen Härte des Gesetzes“ vorzugehen. Es gibt in Deutschland und Großbritannien bereits sehr erfolgreiche Anlaufstellen für radikalisierte Menschen und deren Angehörige. Wobei ich hier in Österreich punkto Umsetzung eher skeptisch bin, da es bisher nicht einmal geschafft wurde, für ausstiegswillige Neonazis entsprechende Anlaufstellen zu installieren. In Deutschland wird dies im Rahmen von „Exit“ bereits seit Jahren erfolgreich praktiziert.
Die Frage, die sich allerdings uns allen stellt: Wie verhindern wir GEMEINSAM, dass es erst gar nicht zu dieser bzw. weiteren Radikalisierungen kommt?
Als Einzelperson kann man bereits mehr erreichen, als man glaubt. Es genügt schon, den „Anderen“ ein wenig gelassener zu sehen, die Andersartigkeit, die man unter Umständen nicht versteht, mit einem simplen „mir wurscht“ hinzunehmen. Damit nimmt man sich selbst viel Druck raus, vor allem, wenn dieses „Anders sein“ einen persönlich gar nicht betrifft, sondern nur eine Randnotiz im eigenen Leben darstellt. Wenn das Jede und Jeder ein wenig beherzigen würde, wäre es schon viel einfacher.
Wichtig ist natürlich auch die Vorbildwirkung unserer PolitikerInnen. Ein respektvoller persönlicher Umgang miteinander und in der Sache durchaus hart zu diskutieren, ist kein Widerspruch. Ganz im Gegenteil, es sollte möglich sein, dass einander auch politische Gegner auf persönlicher Ebene, um des gemeinsamen Zieles willen, immer noch auf Augenhöhe begegnen können.
Wenn man allerdings die politischen Mitbewerber nur verhöhnt, keine adäquaten Lösungen anbietet, nur Sündenböcke sucht, findet und benennt und solche „Karikaturen“ wie die untenstehende als normalen Umgang untereinander betrachtet, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Radikalisierung, die man selbst gesetzt hat auch in der Bevölkerung um sich greift. Sich danach als ausgegrenztes Opfer zu stilisieren und jede Kritik sofort als „Hetze“ zu betiteln, zeugt von mangelnder politischer wie persönlicher Reife und von Verantwortungslosigkeit. Verantwortungslosigkeit gegenüber diesem Staat und den Menschen, die in diesem Staat leben.
Quelle: Gegen Rot und Grün in Österreich
Ziel der Politik sollte es doch sein, allen Menschen in einem Gemeinwesen ein Leben ohne Angst, ohne Verfolgung und ohne Diskriminierung zu ermöglichen. Jedem Menschen die Chancen zu eröffnen, sein Leben zu meistern und wenn die Person unverschuldet in Not gerät, in einem solidarischen Netz aufzufangen. Solidarität und Zusammenhalt kennen kein Geschlecht, keine Ethnie, keine Religion, keine sexuelle Orientierung, sondern nur das Menschsein an sich! Und das dürfen wir uns gegenseitig nicht absprechen, sonst enden wir wieder dort wo wir vor 80 Jahren schon einmal waren!