Donnerstag, 27. Februar 2014

Gastkommentar: Die Partei der Scheinheiligen

(Foto: derstandard.at)


Ich bin naiv genug zu glauben, dass die, die ins politische Geschäft einsteigen, dies aus idealistischen Motiven tun, sagen wir: um in der Gesellschaft etwas zu bewegen. Ich bin aber nicht naiv genug, zu glauben, diese Ideale würden nicht in der Realpolitik binnen kürzester Zeit verwässert, relativiert, ja korrumpiert werden. Dieser Effekt zieht sich durch alle Parteien, oder würde man der Führung der SPÖ tatsächlich noch zugestehen können, sozial zu denken? Der Führung der ÖVP, christliche Nächstenliebe zu praktizieren? Wohl kaum. Immerhin sind die Genannten ob dieser Tatsache so verschämt, dass sie mit den inzwischen in irgendeiner Schublade verstaubenden ursprünglichen Idealen nicht mehr hausieren gehen.

Kommen wir zur FPÖ. Diese ist nämlich in der Tat ein Kapitel für sich.

Nirgendwo sonst kann man eine so erschreckende Diskrepanz zwischen Worten und Taten ausmachen wie in dieser „Partei der Anständigen und Tüchtigen“, wie ein in der Haider-Ära in Mode gekommenes Attribut lautet. Hier können wir gleich ansetzen – keine andere Partei thematisiert Kriminalität in Österreich in auch nur annäherndem Maß wie die FPÖ, keine andere Partei ist so um die Exekutive bemüht wie die FPÖ (bis hin zur von Jörg Haider ins Leben gerufenen freiheitlichen Polizistengewerkschaft AUF).

Auf der anderen Seite gibt es in keiner anderen Partei so viele verurteilte StraftäterInnen. Gut, manche davon müssen die Partei dann doch verlassen, manche immerhin ihre Parteifunktionen zurücklegen. Bei vielen anderen ist das Gegenteil der Fall. Sie werden mit einem Sitz im Nationalrat belohnt wie Susanne Winter, können einige Zeit nach ihrer Verurteilung wieder als Bezirksobmann Fuß fassen wie ihr Sohn Michael, werden vom Parteiobmann persönlich in den Medien verteidigt, indem ihr Vergehen (Verhetzung) als „Meinungsdelikt“ relativiert wird und, wie im Falle Susanne Winter, sie zu Kämpferinnen (bzw. Kämpfern) für die Meinungsfreiheit hochstilisiert werden („gerichtlich anerkannte Islamkritikerin“). Zur freiheitlichen Deutung der Meinungsfreiheit komme ich später noch, jetzt möchte ich kurz noch beim Umgang der FPÖ mit dem Gesetzbuch verweilen. Offizialdelikte wie Verhetzung werden bagatellisiert oder in Heldentaten umgedeutet, dafür werden neue, im Gesetz überhaupt nicht vorhandene Tatbestände herbeiphantasiert („Asylbetrug“).

Wie kann eine Partei, die im Nationalrat vertreten ist, die österreichischen Gesetze mit Bedacht derart ins Lächerliche ziehen?

Von den Gesetzen abgesehen, sieht es bei Gerichtsurteilen ebenfalls interessant aus: Für politische Gegner scheint es die Unschuldsvermutung nicht zu geben, diese werden an den Pranger gestellt und vor den FPÖ-Propagandakarren gespannt, wenn noch nicht einmal Ermittlungen eingeleitet wurden. Gut, so strenge Maßstäbe wären für eine “Law & Order”-Partei noch nicht verwunderlich. Wie sieht es aber bei den eigenen Leuten, wie im Falle von Uwe Scheuch (Bestechlichkeit), aus? Da wird nach jedem nicht rechtskräftigen Urteil lauthals „Politjustiz!“ gerufen – um dann den Schaden für die Partei vor dem zu erwartenden rechtskräftigen Urteil schnell mittels Rücktritt zu minimieren, um dann verkünden zu können, dieser sei ja ein Privatmann. Dies wohlgemerkt von einer Partei, die noch unlängst auf Wahlplakaten den „Kampf gegen Korruption“ als ihr besonderes Plus angepriesen hat.

Nun gut, wenden wir uns einmal der freiheitlichen Auffassung der Meinungsfreiheit zu. Diese scheint, wie schon die Unschuldsvermutung, ebenfalls nur für die eigenen Mitglieder zu gelten. Da wird ab und an über die Abschaffung des Verbotsgesetzes laut nachgedacht, gleichzeitig aber der politische Gegner zum Nazi („rote Nazis“ als Bezeichnung für die SPÖ, mittlerweile ist es Strache per Gerichtsurteil untersagt, diese Verunglimpfung zu verwenden – dafür werfen viele seiner Funktionäre und Anhänger gerne mit der widersinnigen Bezeichnung „Linksfaschist“ um sich) – und sie selber wehleidig zu verfolgten „Neuen Juden“ umgedeutet.
Im Social Network Facebook kann man den Umgang der FPÖ mit der Meinungsfreiheit, zu deren besonderen Befürwortern sie sich zählen möchte, gut beobachten. Kritische Kommentare und Richtigstellungen von geposteten offensichtlichen Unwahrheiten werden auf FPÖ-Seiten sehr schnell gelöscht, während teilweise sogar strafrechtlich relevante Gewaltaufrufe und Beleidigungen in Richtung MigrantInnen, Andersgläubigen und politischen GegnerInnen so lange stehen bleiben dürfen, bis sie von HoH oder einem Massenmedium entdeckt und publiziert werden. Dann werden diese Äußerungen gerne linken Agents Provocateurs in die Schuhe geschoben, teilweise wider besseres Wissen. Man erinnere sich nur an die Affäre rund um die Gruppe „Wir stehen zur FPÖ“, in deren Folge FPÖ-Obmann Strache nicht müde wurde, Verschwörungstheorien von „in Amerika angelegten Fakeprofilen“ zu verbreiten, obwohl er wissen müsste, dass sogar Funktionäre und Funktionärinnen verhetzende Inhalte gepostet hatten. Aber vor der Nationalratswahl macht sich so ein Skandal natürlich nicht so gut.

Apropos Wahlen: Das Demokratieverständnis der FPÖ ist ähnlich seltsam wie ihr Umgang mit Meinungsfreiheit. Stehen die Umfragen, auf die HC Strache ja eigentlich nichts gibt, gut für die FPÖ, werden von so manchen sofort Neuwahlen gefordert. Wie meinen? Wird jetzt so oft gewählt, bis das Wahlergebnis der FPÖ passt? Überhaupt: Wie werden Wahlergebnisse gedeutet? Nach der letzten Nationalratswahl feierte sich die FPÖ als Wahlsieger, obwohl sie von der Anzahl der Stimmen auf Platz 3 (hinter SPÖ und ÖVP) gelandet war – und auch bei den Zuwächsen waren sie auf dem 3. Platz (hinter TS und NEOS). Grund zum Feiern? Eher nicht, auch wenn andere Parteien im Gegensatz zur FPÖ Stimmenverluste hinnehmen mussten.
Geht die Wahl nicht so günstig aus, versucht man es über eine andere Hintertür: Die „direkte Demokratie“ nach Schweizer Muster, das nun nach dem Ausgang der letzten Volksbefragung bei unseren Nachbarn sogar besonders beliebt ist. Nun werden Volksbefragungen zu FPÖ-Themen massiv gefordert, während Befragungen beim politischen Gegner (zum Beispiel die Anrainerbefragung über die Mariahilfer Straße) abgelehnt werden.

Wie sieht es mit der Wahrheitsliebe der FPÖ im Allgemeinen aus? Nicht allzu gut. Es werden Gerüchte in die Welt gesetzt, die sich schnell als Unwahrheit erweisen – irgendetwas wird beim "Stimmvieh" schon hängen bleiben! Es werden die ewig gleichen Unwahrheiten immer wieder gepostet und geteilt (die alljährliche Nikololüge oder der mit falschen Zahlen gespickte Vergleich der staatlichen Zuwendungen an ÖsterreicherInnen und AsylwerberInnen), meist mit dem Ziel, Neid und Hass der unzufriedenen Bevölkerung auf andere Bevölkerungsgruppen zu schüren. Einen mächtigen Verbündeten hat in dieser Frage die FPÖ in der Kronen-Zeitung, die zu ähnlichen Themen Ähnliches von sich gibt. Schreibt die Kronen-Zeitung aber einmal nicht im Sinne der FPÖ, dann wird sie sofort wieder den linken „Systemmedien“ zugerechnet, ebenso wie die Zeitschrift „NEWS“ (Strache nach der Facebook-Affäre: NEWS – „Nicht Ein Wort Stimmt“), von der aber bei anderer Gelegenheit (Stichwort: Anti-„Akademikerball“-Demo - „Ich war im schwarzen Block“) gerne Artikel weiterverbreitet werden.
Und dass Parteiobmann HC Strache manche Details aus seiner Vergangenheit beständig leugnet, auch wenn sie zweifelsfrei bewiesen sind, erwähne ich nur am Rande.

Stichwort Umwelt – ein Bereich, wo die FPÖ als klassische Autofahrerpartei ohnehin traditionell schwach ist. Dennoch bezeichnet Strache seine Partei als Umweltpartei – und leugnet im TV den Klimawandel. Aber im Tierschutz ist die FPÖ natürlich stark – zumindest, wenn es um die islamischen (und jüdischen) Gesetze zur Tierschlachtung geht. Dass es Tieren in österreichischen Großschlachthöfen nicht besser, sondern sogar eher schlechter geht als beim türkischen Schlachter, ist egal – Hauptsache man kann wieder gegen den Islam hetzen. Strache geht auch alljährlich zum Jägerball und brät gerne für seine Fans im Fernsehen ein Schnitzel - nicht vom Kalb, sondern als gar nicht mal so subtilen Seitenhieb der islamischen Glaubensrichtung gegenüber, vom Schwein.

Der Umgang der FPÖ mit Religion und mit dem Islam im Besonderen strotzt natürlich vor Scheinheiligkeit. Viele religiös desinteressierte Menschen, zu denen meiner Ansicht nach auch Strache gehört, der sich ja noch schnell als Erwachsener firmen ließ, um genug Legitimation zu haben, auf Wahlreden ein Kreuz zu schwingen, lassen sich gegen den Islam aufhetzen. Da werden Christenverfolgungen auf der ganzen Welt thematisiert – und Aufrufe zum Genozid an den Moslems werden auf der eigenen FB-Seite stehen gelassen. Da machen immer wieder FPÖ-Funktionäre und Funktionärinnen keinen Unterschieden zwischen Moslems und islamistischen Hasspredigern oder Terroristen – das ist Sippenhaftung, die an längst erledigt geglaubte Ideologien erinnert.

Da wird der Teufel in Form eines islamischen Gottesstaates auf österreichischem Territorium inklusive Einführung der Scharia an die Wand gemalt, und alle sind sich einig: Scharia – nein danke! Das sind dann oft die Gleichen, die für bestimmte Verbrechen strengere Strafen, zum Beispiel das Abhacken von Körperteilen, das Abfressen der Genitalien durch Ratten oder ähnliche gleichermaßen phantasievolle wie grausame Folter- und Hinrichtungsmethoden fordern, offensichtlich ohne zu erkennen, dass sie im Grunde etwas sehr Ähnliches wie die von ihnen als mittelalterlich verdammte Scharia wollen.

Für einen echten FPÖler ist der Islam ja das Böse schlechthin. Das hält HC Strache allerdings nicht davon ab, auf den Malediven zu urlauben. Und steht eine Wahl an, gibt sich Strache natürlich auch ganz staatsmännisch und sagt in einem Interview „Vor dem Islam habe ich Respekt“. Da wird die Dominanz des Christentums gefordert (Debatte um Kreuze in den Schulen, um pseudochristliches Brauchtum wie Nikolobesuche in Kindergärten oder Supermärkten) – die christliche Nächstenliebe ist den Parteigranden aber ein Dorn im Auge, wie im Fall der Asylwerber in der Votivkirche, als sie dem Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn sogar seine eigene Religion erklären wollten.

Der Beispiele sind noch viele mehr, aber ich denke, es ist schon längst klar, dass die Überschrift über diesem Gastkommentar mit Bedacht und aus gutem Grund gewählt wurde.

Ein besorgter Bürger