Freitag, 21. August 2015

Offener Brief an den Bundespräsidenten und die Bundesregierung - Gastbeitrag von Tom Freistätter

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, Frau Innenminister!
Sehr geehrte Damen und Herren, die ihr gestern alle offiziell das EAZ Traiskirchen besucht habt!

An und für sich begrüsse ich es natürlich, dass sich unsere Regierung selbst ein Bild von der Situation vor Ort machen möchte, wenngleich ich den Zeitpunkt dieses Besuchs, milde ausgedrückt, reichlich spät finde. Aber wie dem auch sei, mit der Trägheit unserer Regierung in dieser mittlerweile humanitären Katastrophe habe ich mich, so wie viele andere Österreicher wahrscheinlich auch, bereits abgefunden und wir haben als Bürger dieses Landes mit unseren eigenen Mitteln grösstmöglich versucht, das Leid der Menschen im Lager Traiskirchen zu lindern und rasch und unbürokratisch zu helfen wo nur geht.

Umso mehr erfüllt es mich mit grossem Zorn, aus verschiedensten unabhängigen Quellen zu erfahren, dass im EAZ Traiskirchen vor Ihrem Besuch "ein wenig saubergemacht" wurde. An und für sich ein üblicher Vorgang, wenn sich Besuch ankündigt, und auch nicht weiter schlimm. Auch ich fahre vor angekündigten Gästen eine Runde mit dem Staubsauger durchs Haus.


Foto: Traiskirchen 2015 © Peter Palme

In speziellem Fall aber wurden Zelte, die viele von UNS! den Menschen brachten, um ihnen zumindest ein Dach über dem Kopf zu bieten und sie vor Regen zu schützen, einfach entfernt! Allein die Tatsache, dass die Zivilbevölkerung hier aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln eingreifen muss um den Menschen zu helfen, während unsere Regierung sich herumstreitet mit Zuständigkeiten und Quoten und praktisch nichts tut um den Menschen rasch und direkt zu helfen, ist schon sehr beschämend. Dass aber dann diese Zelte, extra für Ihren Besuch entfernt werden um das Bild des Lagers ein wenig zu verschönern - zumindest die Bereiche die Ihre Delegation besuchte - das ist eine unfassbare Sauerei, für die ich keine Worte finde! Auch wenn die Flüchtlinge nach dem hohen Besuch ihre Zelte wieder zurückbekamen, könnte ich vor Wut schreien! Wenn ich dann die Fotos sehe, wo Sie Herr Bundespräsident, einigen jungen Männern vor sauberer Wiese die Hand schütteln, wenn ich vom Appell an die Länder lese, diese mögen doch menschenwürdige Unterkünfte zur Verfügung stellen, wenn ich lese, dass selbigem Unternehmen nun auch die Betreuung des Lagers in Vorarlberg übertragen wird.... und ich genau weiß, dass sie dort in geschönter Umgebung den Kameras ihre Betroffenheit demonstrieren, könnte ich lachen, weinen und schreien zugleich.

Gerade in diesem Augenblick sitze ich hier, kämpfe mit den Tränen und suche nach Worten. Es ist nicht einfach für mich, es richtig auszudrücken..... aber wenn für Ihren Besuch im Lager retuschiert wird, man den Menschen ihre Zelte wegnimmt - auch wenns nur für die Dauer Ihrer Anwesenheit ist - dann würde ich mir eigentlich fast schon wünschen, Sie würden in Zukunft von Besuchen vor Ort weiterhin absehen. Ersparen Sie den Menschen vor und hinter dem Zaun bitte weitere solcher Aktionen und lassen sie die Bevölkerung ohne weitere Behinderungen helfen, wenn diese schon die Aufgaben des Staates übernimmt!

Sehr traurig, solche Zeilen in einem wunderbaren Land wie Österreich schreiben zu müssen.

Tom Freistätter