Mittwoch, 19. August 2015

Das Vokabular des Nationalsozialismus - Gastbeitrag von Uwe Sailer

Der amtsbekannte Politrabauke aus Wels, Ludwig Reinthaler, den die Kronenzeitung im Jahr 2009 in einem Artikel als „Der Braune“ bezeichnet hatte, ereifert sich gerne, wenn ihn aufrechte Demokraten in die Mangel nehmen. Diese beschimpft er gerne als „Linksfaschisten“ und reitet Attacken gegen Politiker, weil es in Österreich noch immer „das verbrecherische Verbotsgesetz“ gibt.

Dass Reinthaler in seinen Beschimpfungen auch tief in die Wortkiste des nationalsozialistischen Vokabulars greift, dürfte wohl Absicht sein. „Das schaut diesen U Menschen ähnlich!“ postete der ehemalige Parteivorsitzende der zwischenzeitlich abgedankten Partei „Die Bunten“ in einem Kommentar auf seiner facebook-Seite am 30. Juli 2015.



Wer die Demagogie der Nationalsozialisten kennt, weiß um die Wirksamkeit der Worte. Noch findet der Welser Krawallmacher nicht den Mut „U Mensch“ vollständig auszuschreiben. Ich bin mir aber sicher, dass in einigen Monaten dieses Vokabel im österreichischen Sprachschatz wieder Einzug gehalten haben wird. Zumindest die einfachen FPÖ-Anhänger werden Gefallen an diesem Wort finden, erhöhen sie sich mit diesem Wort doch selber.

Ähnlich verhielt es sich mit dem Begrifff „Umvolkung“. Das Wort wurde immer und immer wieder seit 1990 von den FPÖ-Funktionären und ehemaligen Nationalratsabgeordneten Andreas Mölzer und dem steirischen Gendarmeriebeamten Franz Lafer sowie vom pensionierten Bundesheeroberst John Gudenus verwendet. An deren Stelle sind heute Strache, Kickl, Gudenus und Höbart getreten. Ludwig Reinthaler leistet nur die Vorarbeit. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist nach Reinthaler also klar dem Untermenschentum zuzurechnen, weil er Schulungen im Kampf gegen den Rechtsextremismus anbietet. Und weil es in Österreich - eh klar - keine Nazis gibt, muss der DGB eben selber Hakenkreuze sprühen, so der Tenor seiner Aussage.

Nach und nach werden auf diese Weise - von der Öffentlichkeit vollkommen unbemerkt - eindringliche Worte aus der NS-Zeit in den österreichischen Sprachsatz eingebracht und so lange wiederholt, bis sich diese im allgemeinen Gebrauch verfestigt haben. Und jetzt bittet eben der Begriff „Untermensch“ um Einlass. Kaum ein Wort lässt sich für Erniedrigungen so perfekt in die Demagogie gegen Menschen einbinden, wie „Untermensch“. Das ungesagt Bleibende ist der „Übermensch“.

Der Mentor des Widerstandskreises „Weiße Rose“, Theodor Haecker, schrieb am 05. September 1940 in seinem Tagebuch die ironische Bemerkung:

1. Es gibt drei Arten von Menschen a) Übermensch, b) Menschen, c) Untermenschen.

2. Zu welcher Menschenart die existierenden Völker gehören, entscheidet im Zweifelsfall immer der Führer der Übermenschen.

3. Der Führer der Übermenschen ist immer, ohne jede Ausnahme, der Führer der Deutschen. Denn nur von den Deutschen gilt absolut und ewig, vorwärts und rückwärts, dass sie Übermenschen sind.

4. Mit genau derselben Absolutheit und Ewigkeit, mit der die Deutschen Übermenschen sind, sind die
Juden Untermenschen. Ihnen nahe stehen die Polen und dann vielleicht der Nigger.

Und wer sind heute die Untermenschen? Natürlich wir, die wir uns gegen Hetze und Rassismus wehren, die Ausländer, die Asylwerber, die Nicht-Deutschen, oder die Bolschewisten. Das “Untermenschentum” sind heute all jene Ethnien, die das weiße Europa bedrohen.

„Das Vokabular des Nationalsozialismus“ von Cornelia Schmitz- Berning definiert Untermenschentum als ein Kollektivum, das bereits in einem 1903 erschienen Aufsatz „Verlustliste“ aus dem „Kampf ums Dasein“ im Organ der Nichtseßhaftenfürsorge „Wanderer“ belegt, nach dem die Landstreicher zum Untermenschentum zu rechnen waren.

Der nationalsozialistische Sprachgebrauch schließt an die vornationalsozialistische Verwendung des Ausdrucks „Untermenschentum“ an.

„Nur so läßt es sich erklären, dass ein Volk von hochwertigen Begabungsveranlagungen wie das Deutsche den Wahnsinn hat, die Gesunden für die Minderwertigen arbeiten zu lassen und durch eine ausgiebige – angeblich soziale – Gesetzgebung auch noch dafür Sorge zu tragen, daß dem Untermenschentum die weitesten Lebensmöglichkeiten bleiben, während den hilfsbedürftigen Wertvollen die Hilfe versagt wird.“
(Darré, R.W.: Neuadel aus Blut und Boden 1930 )

Klickt es? „Für die Asylwerber hat der Staat Geld und Quartier, unsere österreichischen Hilfsbedürftigen müssen auf der Straße hausen und verhungern, für die ist kein Geld da. Die verrotteten Politiker hofieren die in unser Land hereinströmenden Massen, um sie gegen die aufrechten und ehrlich arbeitenden Österreicher auszutauschen“. Sind das nicht Formulierungen, die wir täglich hören? Brüllte nicht bis vor kurzem die Pegida: „Wir sind das Volk“ ?

Und wie hörte sich das damals im Nationalsozialismus an?

„Die Prälaten und Kardinäle mobilisierten die „gläubigen Massen“ und Rom, welches mit dem atheistischen Marxismus, d.h. mit machtpolitischer Unterstützung des Untermenschentums, einen Vernichtungskampf gegen Deutschland, auch unter Opferung der deutschen katholischen Massen selbst führt, hatte die Stirn, plötzlich über Kulturkampf zu zetern. Während der Nationalsozialismus eine neue Fassung und Formung der europäischen Kultur in die Wege leitet, ist der Bolschewismus die Kampfansage des von Juden geführten internationalen Untermenschentums gegen die Kultur an sich…."
"Es muss auch der letzten Kuhmagd in Deutschland klargemacht werden, dass das Polentum gleichwertig ist mit Untermenschentum. Dieser Tenor soll immer nur leitmotivartig anklingen und gelegentlich in feststehenden Begriffen, wie „Polnische Wirtschaft“, Polnische Verkommenheit“ und ähnlichem in Erscheinungen treten, bis jeder in Deutschland jeden Polen, gleichgültig ob Landarbeiter oder Intellektuellen, im Unterbewußtsein schon als Ungeziefer ansieht“.

Klingt das nicht irgendwie auch nach FPÖ-Propaganda, wenn H.C.Strache im Bierzelt von der Bühne seine Botschaften auch dem letzten Bauarbeiter in die Ohren brüllt, um ihm klarzumachen, dass alles was nicht er ist, in Österreich nichts verloren hat.

Klingt das nicht irgendwie auch nach FPÖ-Propaganda , wenn wir zum Vergleich die Beschimpfungen auf Facebook von Christian Höbart heranziehen, weil Asylwerber in Traiskirchen am 06. November 2014 sich erlaubten zu demonstrieren:

„Kann keinen Grund geben für diese Gesellen! Denen geht es im Vergleich zum Herkunftsland bei uns BESTENS! Skandalöser weise wissen es diese ganzen 'Erd- und Höhlenmenschen' nicht zu schätzen, dass sie hier bestes Essen, neue Kleidung und sonstigen Firlefanz bekommen! Eine Frechheit sondergleichen!!!"

In einem Biologiebuch der nationalsozialistischen Ära für höhere Schulen heißt es wörtlich:

„So ergeht es einem Volk, das die Gesetze des Lebens verachtet und aus Haß und Neid sein kostbares Erbgut vertilgt. Statt dessen hatte sich das minderwertige Erbgut in Gestalt des bolschewistischen Untermenschentums wie das Unkraut vermehrt, und so trat im Jahr 1941 eine Riesenarmee zum Kampfe an, die zu einem großen Teil aus Verbrechern, Analphabeten und Mischlingen schlimmster Sorte bestand“.
(SS-Hauptsturmführer Professor Dr. Hirt 09.02.1942).

Wissen Sie jetzt, was Christian Höbart mit „Erd- und Höhlenmenschen“ wirklich meinte? Der 1960 in Dresden verstorbene Philologe Victor Klemperer hatte damals als Zeitzeuge sehr genau hingehört und musste feststellen, dass mit dem Sprachverfall der Terror einherging.

Das Drehbuch für Demagogie und Hetze wurde schon 1933 für die FPÖ geschrieben. Warum erkennt das keiner?



Quellen:

„Vokabular des Nationalsozialismus“ von Cornelia Schmitz-Bering
http://www.amazon.de/Vokabular-Nationalsozialismus-Cornelia-Schmitz-Berning/dp/311016888X

Jahrbuch Mauthausen 2014, „Alte Rechte im neuen Kleid“, Seite 29, Andreas Peham

 “Die Volksfeind-Ideologie Zur Kritik rechtsradikaler Propaganda” von Hermann Bott (Stuttgart 1969)