
Wer das Kürzel NZZ liest, denkt sofort an die angesehene Tageszeitung „Neue Zürcher Zeitung“. Sie wird zu den Leitmedien im deutschsprachigen Raum gezählt und vertritt gemäß ihren Statuten eine „freisinnig-demokratische Grundhaltung“. NZZ ist aber gleichzeitig ein Medienunternehmen mit Sitz in Zürich, das auch in Österreich seit Jänner 2015 unter NZZ.at vertreten ist.
NZZ.at Österreich
NZZ.at ist laut Eigendarstellung ein österreichisches Digitalmedium, das redaktionelle Nachrichten anbietet und einen liberalen Qualitätsjournalismus vertritt. Als Chefredakteur konnte Michael Fleischhacker (vormals Presse) gewonnen werden, als PR-Experte fungiert Rudi Fußi. Laut Wikipedia sollen rund 15 festangestellte Mitarbeiter die journalistische Kernkompetenz mit Recherchen, ausführlichen Reportagen und Hintergrundberichten vertiefen. Michael Fleischhacker im Interview mit dem Falter: „Wir sind ein liberales Produkt, da ist es doch ganz naheliegend zu schauen, dass unsere Mitarbeiter auch liberal sind“. Nur - was versteht er unter Liberalismus, fragt der Falter? „Jedenfalls keinen Linksliberalismus, diesen gibt es nicht“, so der NZZ.at Chefredakteur, „das ist ein Widerspruch in sich. Man kann nicht links und gleichzeitig liberal sein. Die Idee, liberal zu sein, aber nicht wirtschaftsliberal, das ist Schwachsinn. Aber dass Schwachsinn massentauglich ist, das wundert mich nicht“. Wo wir nun bei Schwachsinn angekommen sind.
Das Interview, ein Schwachsinn?
NZZ.at scheint eng mit den NEOS verbunden zu sein, zumindest scheint das aus Kommentaren von NZZ.at Journalisten hervorzugehen. Österreich aber fühlte sich nie der liberalen Tradition verbunden. Wankt Schwachsinn in diesem Land zum Boulevard?
NZZ.at schilderte unlängst seinen Abonnenten einen Fall, an dem sich ein junger Wiener Jurist die Finger verbrannt hatte. Es ging um rechtsextreme Hassposter, die der Rechtsanwalt in seinem eigenen Blog öffentlich online stellte. Zusätzlich wandte er sich in einem Fall an den Arbeitgeber eines Posters, einen Immobilienmakler, um noch mehr Druck aufzubauen, erntete jedoch eine herbe Abfuhr. Wie auch immer, diese Geschichte landete bei einem bulligen FPÖ-nahen Blogbetreiber, der den Juristen öffentlich vorführte und als einen „Denunzianten“ und „Vernaderer“ bezeichnete. Viele einfach gestrickte Anhänger griffen diese Hetze begeistert auf, was zur Folge hatte, dass der Jurist per Email Drohungen erhielt, die ihn dazu brachten, seinen Weblog offline zu stellen. Womit wir beim Thema wären:
„Wer heiße Eisen angreift, muss wissen, dass man sich daran verbrennen kann.“ Das ist mein Stehsatz und mit diesem Stehsatz bin ich auch in das Interview mit dem NZZ.at Redakteur Wolfgang Rössler gegangen. Einerseits habe ich schon zu viele Interessierte im Kampf gegen den Rechtsextremismus und Neonazismus durch Cybermobbing verrecken gesehen, andererseits darf Hetze nicht geduldet werden. Aber wie ist ihr entgegenzutreten, das ist die Frage, ohne selbst verbrannt zu werden. Anhand eines Beispiels eines Bankangestellten, das der Redakteur der NZZ.at als fiktives Szenario aufbaute, habe ich versucht, Vorschläge und Erfahrungen einzubringen. Wichtig ist es, die eigene Stärke zu kennen, vor allem die mentale. Hetze wirkt im Kopf, breitet sich aus, verfolgt einen, „buzz-words“ werden zu ungeheuren Monstern.
Körperliche und seelische Krankheitsbilder können durch Cybermobbing entstehen und führen in den schlimmsten Fällen zum Tod. Was mache ich, wenn von Behörden keine Hilfe zu erwarten ist, wie verhalte ich mich gegenüber meiner Familie, welchen Gefahren sind die eigenen Kinder ausgesetzt, wenn mir das Internet täglich öffentlich nachlesbar neue Attacken ins Haus schickt.
„Wer heiße Eisen angreift, muss wissen, dass er sich manchmal auch daran verbrennt“. Das ist so. Entsprechende Schulungen und Ausbildung bieten verschiedene Vereine an, ich erwähnte ZARA, das Mauthausen-Komitee, auch das DÖW, aber auch Internetplattformen wie „Heimat ohne Hass“, „Stoppt die Rechten“ oder verschiedene Jugendgruppen der Parteien, sofern der Interessierte auch an politischer Arbeit teilnehmen will.
In Erinnerung an eine zurückliegende, gut gelungene Reportage im ORF fand ich die Idee des NZZ.at-Redakteurs, auch mit dem bulligen Blogbetreiber ein Interview zu führen, nicht schlecht. Auch die Gegenseite zu hören zeichnet ein seriöses Medium aus. Der Redakteur verließ leider den Boden der Sachlichkeit und zimmerte einen spannungsgeladenen Artikel zwischen zwei Personen, die sich angeblich bei jeder Kleinigkeit in die Haare kriegen, zwischen denen ständig Krieg herrsche.
Diese einfache Form stereotyper emotionaler Aufwiegelung nennt die Fachwelt „boulevardesk“. Die Illustratorin Lily Panholzer verfestigte diese Bahn und ließ die angeblichen Kontrahenten aus den Bildschirmen in den Ring steigen. Wer drückt den anderen hinunter? Dass dabei weder auf Komposition noch auf Bildaufbau Rücksicht genommen wurde, zeigt der leere Blick meiner Person, der ins Nichts führt, der Teilnahmslosigkeit ausstrahlt, dem der bullige Glatzkopf so etwas von ziemlich wurscht ist. Und so ist es auch. Messen heißt, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Hetzern, die Cybermobbing betreiben ist entgegenzutreten. Mit derartigen Personen misst man sich nicht. Zur erklärenden Verstärkung wurden „Hetze und Hysterie“, wie die dargestellten Kampfhähne von der Illustratorin bezeichnet wurden, mit durchgestrichenem Hakenkreuz und Hilal mit fünfzackigem Stern dargestellt. Während das Hakenkreuz eindeutig konnotiert ist, stellt sich bei Hilal mit fünfzackigem Stern die Frage, welche Ethnie soll hier tatsächlich dargestellt werden. Moslems oder doch mehr?
Hilal ist eines der bedeutendsten muslimischen Embleme, fand allerdings auch in die Heraldik zahlreicher islamischer Staaten Einzug und ist auch das Zeichen des internationalen Roten Halbmonds. Auch der soll bekriegt werden?
Vom Schwachsinn zum Boulevard?
Natürlich radikalisiert der Umgang mit Asylwerbern das Netz, aber dass die Gegenseite im Kampf gegen rechts kaum noch Grenzen kennt, ist stark an den Haaren herbeigezogen. Österreich ist eine Demokratie, das Recht, das ist in der Verfassung festgelegt ist, geht vom Volk aus. Und da steht nun mal drinnen (antifaschistischer Grundkonsens), dass es in Österreich nicht gestattet ist, rechtsextremistische und neonazistische Auswüchse zu dulden. Im Kampf gegen diesen Extremismus ist jeder gefordert, nicht nur die Behörden. Warum soll dieses Auf- und Anzeigen plötzlich Hysterie sein?
Nein, Herr Redakteur, ich habe nicht zweimal einen Strick zugeschickt bekommen, nur einmal und es stand auch nicht im Begleittext, ich solle mich entsorgen, aber so, dass ich das Grundwasser der Arier nicht verseuche. Nein, dieser Text fand sich begleitend (!) auf dem Blog „alpen-donau.info“. Daher wusste ich, woher der Strick kam.
Dass vor meiner Haustür Neonazis posierten, stimmt so nun auch wirklich nicht, es könnten auch „Dahamisten“, also FPÖ-treue „daham ist daham“-Anhänger gewesen sein. Sie positionierten sich halt so provokant vor dem Haus, in dem ich wohne, und machten Aufnahmen. Diese Form der Sprache heißt einfach: „Wir wissen, wo Du wohnst“.
Ja, ich habe diesen bulligen Blogbetreiber einmal vor Gericht getroffen, aber nicht, weil ich mit ihm prozessierte, sondern er war im Schlepptau des entorderten FPÖ-Nationalratsabgeordneten DDr.Werner Königshofer erschienen und leistete diesem mentale Schützenhilfe. Das half aber nicht, der ehemalige Abgeordnete verlor trotzdem alle Verfahren gegen mich.
„Beide betreiben reichweitenstarke Internetportale, bei denen sich täglich tausende User abreagieren“. Nein, Herr Redakteur, ich betreibe nicht „Heimat ohne Hass“ und das Halten einer Domain heißt noch lange nicht, dass man auch redaktionell verantwortlich zeichnet. Ich bin nicht Mitglied der Redaktion. Als Halter der Domain von „Heimat ohne Hass“ trage ich eine allgemeine Verantwortung, nämlich die der Auskunftspflicht. Ich habe auch nicht für „Heimat ohne Hass“ gesprochen, sondern über „Heimat ohne Hass“, wie ich auch über „Stoppt die Rechten“ gesprochen habe oder über das Antifa-Netzwerk in OÖ, oder andere Internetauftritte und nannte diese als Beispiele erfolgreicher Herangehensweisen im Kampf gegen den Rechtsextremismus.
Möglicherweise ist die Hitze schuld, obwohl das Lokal, in dem wir uns trafen, klimatisiert war. Erstaunt lese ich, dass bei „Heimat ohne Hass“ zehn Aktivisten die Foren und sozialen Medien scannen. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht einmal, wer was macht, weil ich eben nicht „Heimat ohne Hass“ bin. Ich weiß nur, dass für „Heimat ohne Hass“ ca. 70 User tätig sind, davon in etwa 10 Personen hoch aktiv sind, aber dass die nur scannen, habe ich das wirklich gesagt? „Die Webseiten repräsentieren zwei weltanschauliche Lager im Netz, die sich zunehmend radikalisieren?“ Vielleicht hätte der Redakteur ergänzen sollen, dass eine Weltanschauung von diesen beiden eine verbotene ist, und gerade diese seitens der FPÖ massiv befeuert wird. Womit wir wieder bei Hetze sind und genau dieser ist nun mal massiv entgegenzutreten, was der Herr Redakteur leider Hysterie nennt.
Auch sind dem Redakteur Jahreszahlen und somit Zusammenhänge durcheinandergeraten. Nein, es war nicht das Jahr 2011, als mir ein Kontakt zu den Grünen zum Verhängnis wurde. Das war bereits 2009, also vor sechs Jahren, als alpen-donau.info im Netz aktiv war und der Blog ein gemeinsames Interesse mit den Grünen darstellte. Im Jahr 2011 konnte der Nachweis erbracht werden, dass eine Email an DDr. Königshofer auf alpen-donau.info landete, folglich der ehemalige Nationalratsabgeordnete eine Verbindung zum rechtsextremen Blog unterhalten haben musste, zumindest aber sein Computer.
NZZ.at hatte mich nicht um ein Foto gefragt, ich hätte sicher zugestimmt. Nein, NZZ.at entnahm einfach das Bild von mir vom Blog „Heimat ohne Hass“. Pech nur, dass auf dem Foto Urheberrechte liegen, über die ich nicht verfügen kann. Das Foto musste NZZ.at offline nehmen.
Ich glaube, medienerfahren zu sein. Mir ist bekannt, dass Journalisten und Redakteure ihre Freiheit in der Berichterstattung brauchen. Aber aus einer sachlichen Auflistung möglicher Gefahren und Anleitungen zur Abwehr dieser Bedrohungen eine innige Abneigung gegen den bulligen Blogbetreiber zu konstruieren, grenzt halt doch an Themenverfehlung. In all den Jahren Interviewerfahrung ist mir ein derartiger Auswuchs an Boulevard noch nie untergekommen. Schade eigentlich, weil die NZZ.at durchaus Potential beweisen könnte.
Ich hatte sowohl mit einem Chefredakteur, als auch mit dem Redakteur Wolfgang Rössler der NZZ.at am 10.08.2015 ein sehr langes Telefongespräch. Beide Personen gaben mir zu verstehen, dass diesem Artikel ein Nachsatz folgen werde, dass ich mit der Berichterstattung nicht einverstanden sei und das Interview in dieser Form nicht gegeben habe. Ich habe mit der Redaktion von „Heimat ohne Hass“ vereinbart, einen Gastkommentar über den Artikel der NZZ.at zu verfassen, den ich noch vor Online-Stellung der NZZ.at zukommen lasse, den die NZZ.at verlinken will. Damit dürfte das Problem offen ausgesprochen worden sein und es bleibt wieder Zeit, sich dem eigentlichen Thema zuzuwenden, dem Kampf gegen Hetze.
Link zum Artikel:
https://nzz.at/s/VggrE-mjW0/
Uwe Sailer