Freitag, 23. Januar 2015

(Ver-)Drehungen schon vor dem "Akademikerball" - Gastkommentar

Udo Guggenbichler, Heinz Christian Strache, Martin Graf auf dem WKR-Ball 2012. Quelle: linkswende.org

Am 30. Jänner finden in Wien antifaschistische Demonstrationen gegen ein Treffen deutschnationaler und u.a. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) als rechtsextrem eingestufte Burschenschaften in der Hofburg – Veranstalter ist die FPÖ (weil die Hofburg dem WKR als Veranstalter nicht mehr zur Verfügung gestanden wäre) – statt. Für FPÖ-Obmann Strache ist es also längst an der Zeit, Stimmung gegen die verhassten AntifaschistInnen zu machen und das Bild brandschatzender, gewalttätiger und linksextremistischer GegnerInnen zu verbreiten. Die Gewalt, die von einigen Wenigen im letzten Jahr tatsächlich ausging, und auch von uns dezidiert abgelehnt wird, wird pauschal Tausenden friedlich (!) demonstrierenden Menschen angedichtet und somit instrumentalisiert, um alle GegnerInnen des Balls in ein kriminelles Eck zu stellen und gleichzeitig davon abzulenken, wer sich bei dieser „friedlichen Ballveranstaltung“ trifft und welche ewiggestrigen Ideen solcherart unter dem Deckmantel der „Meinungsfreiheit“ verbreitet werden. Täter-Opfer-Umkehr ist eine altbekannte Strategie von Rechtsextremen.

Schließlich geht es um eines der wichtigsten Vernetzungstreffen rechter bis rechtsextremer Politiker und SympathisantInnen, das jedoch als „friedliche Ballveranstaltung“ von „Leistungsträgern“ verharmlost wird. In der Vergangenheit nahmen an den Bällen etwa Jean Marie Le Pen (Front National) oder Geert Wilders (Vlaams Belang, Niederlande) teil. Manche österreichische Tageszeitungen übernahmen die eskalierende Darstellung der FPÖ in der Vergangenheit dankbar für ihre Berichterstattung. Im Zuge von Demonstrationen gegen den Burschenschafterball im Jahr 2012 verlautbarte Strache gegenüber Gästen des Balls: „Wir sind die neuen Juden“. Sachbeschädigungen bei Burschenschafter-Buden, die sich zuvor ereignet hatten, wurden von ihm mit der „Reichskristallnacht“ verglichen.

Während Alt- und Neonazis schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs jüdischen Menschen unterstellten, die wahren Schuldigen am Zweiten Weltkrieg zu sein bzw. den Holocaust nur erfunden zu haben, geriert man sich bis heute als Opfer von Verfolgung und Unterdrückung. Die „Meinungsfreiheit“, gemeint ist in diesem Fall die Freiheit, den Hass auf unerwünschte Menschen (Linke, Obdachlose, Arme, Ausländer, AsylbewerberInnen, Roma etc.) zu schüren oder den Nationalsozialismus und seine Verbrechen zu verherrlichen bzw. zu verharmlosen, werde von einer „linken Jagdgesellschaft“ (so etwa Harald Vilimsky in einer Presseaussendung vom 16.1.2013) beschnitten.

Um die vollständige Verdrehung der Opfer- und Täter-Position noch weiter zu verstärken, wird in Hinsicht auf ihre GegnerInnen häufig sogar ein Vergleich mit nationalsozialistischen Methoden bemüht. Auf diese Weise soll antifaschistisch Aktiven der Stempel des „Linksfaschismus“ aufgedrückt und gleichzeitig der Nationalsozialismus bagatellisiert werden. In einem aktuellen Facebook-Posting vom 22. Jänner 2015 meint Strache etwa, „am nächsten Freitag“ würden „die Stiefeltruppen der SA (Sozialistische Antifa) wieder durch Wien marschieren“.