Donnerstag, 9. Oktober 2014

Freibrief für übelste Hetze

Mittlerweile kennt man das leider schon zur Genüge: Irgendjemand erfindet eine Geschichte gegen bestimmte Randgruppen, die FPÖ verbreitet die “Erfindung” fleißig und erntet massenhaft Hasspostings und Drohungen gegen die jeweilige Zielgruppe, es folgt eine Gegendarstellung und die Geschichte wird widerlegt. Daraufhin reagiert die FPÖ mit Ausreden à la “es hätte aber so sein können” oder “die Gegendarstellung darf nicht geglaubt werden” und ignoriert Fakten, usw. usw..

In den seltensten Fällen jedoch löscht die FPÖ bewiesene Lügen, bzw. bringt Richtigstellungen erst lange Zeit später in einem schnellen Posting am Rande. Und so wird leider fast immer das eigentliche Ziel erreicht, die Geschichten viral zu verbreiten und eine gänzliche Löschung unmöglich zu machen, selbst wenn man sich später von der Geschichte distanziert. So funktioniert Hetze und die Lügengeschichten geistern meistens selbst Jahre nach Widerlegung noch im Internet herum.

So geschehen auch am 08. Oktober. Die Tageszeitung “Österreich” brachte in ihrer Kärnten-Ausgabe auf der Titelseite die Überschrift:”Flüchtlinge klagen über zu wenig Luxus”, im Bericht heißt es weiter “Aufstand der Flüchtlinge im Asylquartier”.

Wir googelten noch vor dem Lesen des eigentlichen Textes nach “Flüchtlingen in Villach” und wurden schnell fündig. Da berichtete z.B. die “kleine Zeitung” von jenen ca. 30 Flüchtlingen, die seit etwa einer Woche im Polizei-Turnsaal Villach untergebracht waren. “Diese haben das Notquartier wieder verlassen und werden nach Wien überstellt.”. Weiters heißt es:


Wichtig für später: “Die Unterbringung in Kärnten habe, wie angekündigt, nur als vorübergehendes Notquartier gedient.”

In einem anderen Artikel der Zeitung “Mein Bezirk” wird ebenfalls von der Überstellung der Flüchtlinge nach Wien berichtet: “Sechs Tage lang waren sie im Turnsaal der Polizeidirektion Villach untergebracht. In einem Keller, auf Notbetten, aber immerhin in Sicherheit. Die Suche nach einem besseren Kärntner Quartier kann abgeblasen werden: Denn nun wurden jene 29 Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Iran, Eritrea und Nigeria nach Wien überstellt. Um 11 Uhr haben sie heute vormittag Villach verlassen.” Ansonsten ähnlich wie im vorigen Bericht.

Es findet sich noch ein kurzer Artikel des ORF Kärnten: “Die Flüchtlinge wurden in die umfunktionierte ehemaligen Zollamtsschule Erdberg gebracht, das bestätigte Polizeisprecher Michael Masaniger am Donnerstag. Ob nun andere Asylwerber im Polizei-Turnsaal in Villach untergebracht werden, sei momentan nicht bekannt. Die Notbetten bleiben einstweilen aber aufgestellt.”

Aha, es werden also ca. 30 Flüchtlinge von vorübergehenden Notquartieren in die umgebaute Zollamtsschule nach Wien gebracht, die Platz für insgesamt ca. 350 Flüchtlinge bietet. Relativ unspektakulär würde man meinen. Nicht so für die reißerische Tageszeitung “Österreich”, dort wurde die etwas fade Geschichte nämlich ein wenig “gewürzt” und liest sich gleich viel spannender, wenn man nicht gerade von dieser Verleumdung betroffen ist:




Da hat also der Journalist der Tageszeitung “Österreich” tatsächlich völlig andere Informationen bekommen, als alle anderen Journalisten und diese sollen sogar vom Polizei-Pressesprecher bestätigt worden sein. Nun würde der objektive Leser dem Artikel mit dem angeblichen “Flüchtlingsaufstand” sicher etwas skeptisch gegenüber stehen und sogar die FPÖ und FP-Chef Strache behaupteten schon mehrfach, dass die Zeitung “Österreich” Unwahrheiten verbreiten würden, wenn es z.B. um Strache’s Urlaube und Party-Eskapaden geht. So äußerte sich etwa FPÖ Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung mit den Worten "Das ist billigster Schmuddeljournalismus der untersten Schublade", oder "Jeder Redakteur einer Schülerzeitung kann vermutlich die Realität besser einschätzen und analysieren, als die Österreich-Truppe", bezüglich eines Artikels, in dem es nicht gegen Flüchtlinge ging.

Jedoch lässt man natürlich so eine willkommene Gelegenheit nicht aus und verbreitet sogar Artikel der “Unwahrheiten-Zeitung”, wenn es sich um ein Feindbild der FPÖ handelt. Da heißt es, schnell zu agieren und den Anfang machte FP-Vizechef Johann Gudenus, der mittlerweile schon berühmt für seine hetzerischen Postings ist, bereits um 7:37 Uhr auf seiner Facebook-Seite:



Screenshot / (C) Facebook Inc.

Bereits kurze Zeit später erkennen auch andere FPÖ-Funktionäre die Gunst der Stunde und teilen den Beitrag fleißig.

Peter Terzer - Bezirksobmann Stellvertreter FPÖ Baden


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Freiheitliche Arbeitnehmer Niederösterreich


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Magazin “Zur Zeit”, das vom ehemaligen EU-Parlamentarier und FPÖ-Funktionär Andreas Mölzer sowie dem früheren FPÖ-Politiker Hilmar Kabas herausgegeben wird.



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Fanseite “FPÖ Freiheit ist wählbar”



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FPÖ Pitztal



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Einige Funktionäre teilen nicht direkt, sondern laden den Artikel frisch auf ihrer Facebook-Seite hoch (falls Gudenus das Posting löschen würde), wie etwa Andrea Kellner - FPÖ Bad Fischau und eine der Administratoren der Gruppe "Wir stehen zur FPÖ!"




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In dieser Weise verbreitet sich die Mär von den “Luxus-Flüchtlingen” weiter.



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Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde das Posting bereits mehrere tausend mal gepostet und mit zahlreichen Hasspostings und mutmaßlich strafrechtlich relevanten Kommentaren versehen:




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Inzwischen wurde auch SOS-Mitmensch auf den Artikel aufmerksam, recherchierte und der zuständige Polizeisprecher dementierte praktisch alle von der Zeitung “Österreich” behaupteten Vorwürfe. Die Gegendarstellung wurde auf der Facebook-Seite von SOS-Mitmensch gepostet und auch wir von Heimat ohne Hass schlossen uns der Aufklärung an.



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Trotzdem setzte die FPÖ wenig später nach, indem sie den Lügen-Artikel auf ihrer größten Facebook-Seite postete - die Fanseite von FP-Chef Strache



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Um sicher zu gehen, auf maximale Reichweite zu kommen, teilte Strache den Artikel auch auf seine private Facebookseite.


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Natürlich unterstützten auch ihn dabei weitere FPÖ-Portale


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Der zweifelhafte Erfolg an geschürtem Hass unter den Anhängern lässt sich auch hier an den zahlreichen, z.T. mutmaßlich strafrechtlich relevanten Kommentaren ablesen


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Bei der Erstellung dieses HoH-Artikels wurde die Flüchtlings-Lüge aus allen beteiligten FPÖ-Portalen insgesamt bereits über 10.000 mal geteilt und erreichte vermutlich eine 6-stellige Zahl an Facebook-Usern, die bereitwillig die Hetze aufnehmen - es ist davon auszugehen, dass die virale Verbreitungswelle noch wochenlang intensiv bleibt.

Ja, wenn die FPÖ eine Hetzgeschichte findet, für die sie nicht einmal direkt selbst verantwortlich ist, ist das ein willkommener Freibrief, und es wird umgehend sofort wieder mit einer neuen “Urban Legend” gegen eines ihrer vielen Feindbilder in die Vollen gegriffen. Wahrheitsgehalte sind dabei total egal.