Birgit Hebein, Quelle: Privatfoto |
Gastkommentar von Birgit Hebein
Bereits im Jänner hat die Republik Holocaust-Überlebenden den Zugang zum Heldenplatz untersagt und einem Häuflein Rechtsextremen die Vernetzung in der Hofburg beim sogenannten „Akademiker“ball erlaubt. Der Sicherheitsapparat übte damals für einen imaginären staatlichen Notstand und setzt knapp ein halbes Dutzend Grund- und Menschenrechte für etliche Stunden außer Kraft. Damals gelang es mit Hilfe der Medien sich mit der Empörung über die sinnlosen Sachbeschädigungen zu begnügen. Rot-grün hat im Gemeinderat eine Resolution verfasst, dass dieser Ball nicht mehr in der Hofburg, einer der representativsten Räumlichkeiten des Staates, stattfinden kann. Politische Konsequenzen gab es keine. Polizeiführung und Innenministerin bunkerten sich ein, standen hinter ihrer Mannschaft ohne wenn und aber. Leider auch auf Kosten der Polizisten und Polizistinnen, die dies nicht gutheißen – die hinter vorgehaltener Hand sehr wohl Kritik an Befehlen üben.
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Tränengas gegen DemonstrantInnen Foto: (c) Christopher Glanzl |
Es hat sich Schlimmes zugetragen am 17.5.2014, mitten in Wien. Einschlägig Rechtsextreme marschieren durch die Stadt – begleitet von einem Großaufgebot an Polizei. Es gibt eine berechtigte Gegendemonstration, diese wird von der Polizei brutal zerschlagen. Die Bilanz ist erschütternd: Eine schwangere Frau erleidet aufgrund des Polizeieinsatzes eine Fehlgeburt *. Eine Frau, die ihrer Tochter helfen will, muss zwei Stunden am Fuß operiert werden. Jugendliche werden bei friedlichen Sitzblockaden weggeschleift und verhaftet. Die Anzeigen beinhalten neben den üblichen Vorwürfen des „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“ die veralterten, jetzt wieder hervor gezogenen Paragraphen 284 (Sprengung einer Versammlung) und 285 (Verhinderung oder Störung einer Versammlung).
Die Mütter der minderjährigen Mädchen, 14 und 17 Jahre alt, sitzen mir Samstag Abend in der Polizeistation Rossauer Lände gegenüber. Irritiert. Die eine Tochter hat angerufen, sie wurden am Nachhauseweg verhaftet – plötzlich rannten Leute, plötzlich fischten sie die Polizei heraus. Es dauert, bis ich als Abgeordnete mit dem zuständigen Oberst sprechen kann. Ich möchte ihm mitteilen, dass Minderjährige einsitzen. Die Situation ist untragbar.
Polizei ist Bundessache. Ja, aber…
Es ist zu befürchten, dass es auch diesmal keine politischen Konsequenzen nach dem brutalen Polizeieinsatz geben wird, wenn der Druck der Zivilbevölkerung nicht anhält. Wenn Straftaten von Polizisten bagatellisiert werden, dann wird das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert. Wenn die Einsatzstrategien in keinem Verhältnis mehr zu den eigentlichen Aufgaben der Polizei stehen und wenn die Polizei voller Sympathie Rechtsextreme begleitet, die grölend durch unsere Stadt ziehen, dann haben wir ein Problem.
Entweder ist der Apparat, zersetzt von freiheitlichen AUF-Beamten, nicht mehr steuerbar oder die Polizeiführung agiert im Auftrag der Politik mit einer aus dem Ruder laufenden Ordnungspolitik. Dabei können BürgerInnenrechte und öffentliche Sicherheit nicht mehr zusammengebracht werden. Nicht nur die Justiz sollte die Folgen viel mehr im Blick haben.
Wir unterstützen natürlich die geforderte Kennzeichnungspflicht für die Polizei, eingebracht von unserem Justizsprecher Albert Steinhauser. Und wir greifen auf alte Forderungen zurück: neue Ausbildung in Grundrechtsfragen bei der Polizei, Förderung von Diversität, Unterstützung der korrekten Polizisten und Polizistinnen, Beobachtung der Polizei durch BürgerInnen. Ob ein Wechsel an der Spitze des Apparates etwas bewirkt, bezweifle ich, solange wir das System nicht infrage stellen.
Ziviler Widerstand ist gefordert
Am 4. Juni soll das Fest der Freiheit stattfinden – Burschenschaften und FPÖ wollen gemeinsam durch die Wiener Innenstadt ziehen. Ich werde mich an den hoffentlich stundenlangen Sitzblockaden beteiligen und alte Schriften von Mahatma Ghandi wieder ausgraben. Ich hoffe, wir sind viele.
Video-Bericht zum brutalen Vorgehen der Polizei:
* Update 19.05. 16:00:
Zur schwangeren Demonstrantin: Nach gegenwärtigen Medienberichten, die wir versuchen zu verifizieren, scheint diese Info überholt.