Menschlichkeit.
In der Gruppe „START NOW. Traiskirchen Flüchtlingslager“ werden Sachspenden von Privatpersonen für das Flüchtlingslager in Traiskirchen gesammelt, die Verteilung organisiert. Nicht etwa von Organisationen mit elaborierter Logistik, nein, von Privatpersonen.
Da schreibt zum Beispiel eine Userin, dass eine Bekannte mit einer Boutique auf jede abgegebene Spende einen Rabatt auf die Waren hergibt. Oder es werden Fotos vom Verteilen der Hilfsartikel gepostet, und so weiter.
Unmenschlichtkeit.
Wieder zurück in den rechten Gruppen und auf den rechten Seiten. Ein Video über zwei junge Männer die von außerhalb einer Trafik mit dem Besitzer um einen Euro (für die Flüchtlinge nicht gerade wenig Geld) streiten, während dieser sie immer weiter provoziert. „Sagt endlich was ihr wollt“. Ein Wortgefecht aus schlechtem Deutsch auf der einen Seite, ein Mann mit einer Handykamera auf der anderen Seite. Die beiden jungen Männer lassen sich zu dummen Aussagen hinreißen, am Ende wird die Polizei gerufen. Verbreitet über das Portal unzensuriert.at, gepostet auf der Facebook-Seite von Bundesparteiobmann Strache, als wäre dieser Vorfall eine Staatsaffäre. „Eine Aufs mauul für die drecksau“, „I tatn sofort umbringen“, „9mm schloftabletta“, „normal muast erm glei die Doppel läufige in die fressen stecken!!!!“. Im Vergleich zu diesen Kommentaren von “echten Österreichern” wirken die Beschimpfungen im geposteten Video denkbar harmlos.
Aber an diesem Tag sind die Aussagen nicht mehr ganz so schlimm. Subjektiv gesehen zumindest. Strafrechtlich natürlich weiterhin, aber es gibt zumindest wieder Hoffnung.
Hoffnung darauf, dass es eben auch gute Menschen gibt. Menschen, mit Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Empathie. Menschen wie zum Beispiel eine junge Frau, die die Gruppe „START NOW. Traiskirchen Flüchtlingslager“ am Laufen hält. Mitte 20, eigentlich ein Alter, in dem man einen Hochsommertag mit 38°C vielleicht eher mit Freunden am Badesee und nicht mit dem Verteilen von Hilfsgüter in der Gluthitze verbringen würde.
Interview mit einer der Organisatorinnen:
Hanibal Dorfer (HoH):
Was hat euch dazu bewegt, euch da so einzubringen?Gloria Azra:
Ich bin ja eine konvertierte muslima und wollte in der Fastenzeit etwas Gutes tun... Einmal Spenden sammeln und raus bringen. Nur ab den Zeitpunkt spürte ich das volle Ausmaß der Gleichgültigkeit mancher Menschen, als ich einen Spendenaufruf gestartet hatte und sich keiner gemeldet hat... Im Gegenteil: die haben uns beschimpft... Wir wollten es aber fortsetzen und sagten, dass wir nicht aufgeben, und wir müssen Menschen zum nachdenken anregen... Wir sind der Meinung, wir haben selbst nicht viel, aber das bisschen, das wir haben, können wir teilen - und würde jeder so denken, wäre die Welt ein schönerer Ort...
Hanibal Dorfer (HoH):
Inwiefern wurden Sie beschimpft?Gloria Azra:
Dass wir sowas noch unterstützen, und das zuerst mal den Leuten in Österreich geholfen wird mit österreichischer Herkunft... Im Endeffekt ist es egal welche Herkunft , Religion , Hautfarbe sie haben! Mensch ist Mensch... Keiner ist besser als der andere, auch wenn es die meisten denken.Hanibal Dorfer (HoH):
Woran fehlt es Ihrer Ansicht nach in Österreich, dass eine derartige Stimmung herrscht?Gloria Azra:
Wir haben vergessen, wie es ist, in einen Kriegsgebiet zu leben... Wir haben vergessen, wie gut es uns hier geht in Österreich... Und natürlich diese Hetze von manchen Politikern und den Schandzeitschriften die einfach einen leeren Anzeigenplatz haben und den mit irgendeinen Mist voll schreiben.Hanibal Dorfer (HoH):
Es ist eine Hetzjagd mittlerweile... So kommt es mir vor, und irgendwann sind wir wieder soweit…
War es sehr schwer, die Hilfsgüter zusammenzutragen?Gloria Azra:
Ja, dadurch, dass ich selbst nicht viel Einkommen habe und die meisten Menschen nicht mobil sind, musste ich die Leute besuchen und die Spenden selbst abholen, da ich ein Auto habe. Nur was anfangs nicht überlegt wurde: dass es enorm viel an Sprit kostet, jedes Mal da raus zu fahren nach Traiskirchen und die Spenden von den Menschen zu holen - darum diesmal auch der Aufruf um einen kleinen finanziellen Beitrag... Das größte Problem stellt das Auto dar, weil mein Wagen sehr klein ist und wir wenig rein bekommen…Hanibal Dorfer (HoH):
Und man macht mit Menschen Termine aus, dass man die Spenden zB von ihnen aus dem 14ten Bezirk holt und dann steht man vor verschlossener Tür, und man ist umsonst hingefahren... Traurig.
Wie kann man euch am besten unterstützen?Gloria Azra:
Natürlich am besten mit Geld, da wir genauso einkaufen gehen für die Menschen dort, da wir mittlerweile wissen, welche Spenden gut ankommen, was diese Menschen benötigen... Sonst Hygieneartikel (Shampoo, Duschgel, Windeln), Schuhe, Essen…Hanibal Dorfer (HoH):
Und natürlich soviel Werbung wie möglich für diese Aktion zu machen... Dass sie so viele Menschen wie möglich erreicht.
Wie kann man mit euch Kontakt aufnehmen um euch zu unterstützen?Gloria Azra:
Derzeit läuft alles über unsere Facebook-Gruppe.
https://www.facebook.com/groups/960036000704118/963587720348946
Hanibal Dorfer (HoH):
Danke für das Interview!
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Foto (C) Gloria Azra / 2015 Traiskirchen |
An dieser Stelle möchte ich mich bei euch bedanken. Nicht nur für die vielen Dinge, die ihr zusammenpackt, sondern auch dafür, dass Ihr mir wieder Hoffnung gebt. Hoffnung darauf, dass es eben Menschen mit Werten, Menschen mit Empathie – eben Menschen mit Menschlichkeit gibt.
Danke!
Wer mithelfen möchte:
Wer ihnen finanziell dabei helfen möchte:Bezeichnung : START NOW
BIC: GIBAATWWXXX, IBAN: AT392011128918980002