Mittwoch, 11. März 2015

Wie rechte Hetze - gepaart mit schlechtem Journalismus - Leben zerstören kann

Gastbeitrag

Teil 1: http://www.HeimatOhneHass.com/2015/02/gastbeitrag-interview-mit-einem.html

Was hat sich bei Khalil* und seinen Freunden mittlerweile getan? Diese Frage stellen wir uns heute. Hat sich ihr Leben wieder normalisiert, nachdem die Polizei alles richtig gestellt hat und keinerlei Vorwürfe im Raum stehen? Oder müssen die Betroffenen immer noch darunter leiden?

Ahmed* hatte einen Teilzeitjob in einem Kongress-Hotel als Rezeptionist. Ab Anfang März war eine Vollzeitstelle vereinbart. Seine Vorgesetzten und auch die Gäste waren sehr zufrieden mit ihm. Aufgrund des "heute"-Artikels verlor er seine Arbeit noch in der Woche der Veröffentlichung.


Die FPÖ geht mit der völlig frei erfundenen "heute"-Story auf billigen Stimmenfang und verteilt im Grätzl folgenden Flyer.



Quelle: http://margareten.fpoe-wien.at/fileadmin/Content/Wien/Bezirke/05bezirk/pdf/Flyer/FolderMargaretenneu.jpg

Nach Rücksprache mit Oberst Golob, Leiter der Pressestelle der LPD Wien, steht nun fest: bereits am 19.2. ging eine APA-Meldung mit einem Dementi online, in dem es unter anderem heißt: 

"Die Eingangstür zu der Wohngemeinschaft war wegen einer nicht bezahlten Handyrechnung geöffnet worden. Der Gerichtsvollzieher erblickte im Vorraum die Fahne und trat sofort den Rückzug an, berichtete ein Polizeisprecher am Donnerstag. Bei der Aufschrift dürfte es sich zwar um einen Text mit religiösem Inhalt handeln, allerdings nicht um islamistische Botschaften, wie sich später herausstellte. Außerdem wurden weder Schwerter oder Maschinenpistolen noch sonstige Waffen entdeckt, sagte der Sprecher zu einem Bericht der Gratiszeitung "Heute" (Donnerstagausgabe)."

Am 23.2. wurde die Richtigstellung in der Sendung "Thema" auf ORF2 von Seiten der Polizei wiederholt.

Laut Metadaten auf http://margareten.fpoe-wien.at/fileadmin/Content/Wien/Bezirke/05bezirk/pdf/Flyer/FolderMargaretenneu.jpg (Edit 17.03.2015: der Flyer ist nicht mehr online, war aber bis mindestens 12.03.2015 über diesen Link abrufbar.) wurde der Flyer am "Freitag, 27. Februar 2015 13:52:57" erstellt. Mehr als eine Woche nach Richtigstellung durch die Polizei! Man kann also davon ausgehen, dass die Verteilung wider besseres Wissen erfolgte. Auch "heute" hat bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels keine Richtigstellung gebracht. Der "Kurier" hat bei der FPÖ Margareten nachgefragt und berichtet am 6.3.: "Hans-Jörg Jenewein, FPÖ-Bezirksparteiobmann und Landesparteisekretär, hält am Postwurf fest: "Der Fall ist nicht so substanzlos wie dargestellt." Er habe gegenteilige Infos – und warte eine parlamentarische Anfragebeantwortung ab.". Jetzt stellt sich die Frage, welche Infos Jenewein denn angeblich zurückhält und warum? Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels ist jedenfalls noch keine parlamentarische Anfrage diesbezüglich auf der Seite des Parlaments zu finden.

Trotzdem werden die jungen Männer durch die beiden "heute"-Berichte, die jeglicher Grundlage entbehren, und den Hetzflyer der FPÖ Wien ins soziale Aus gedrängt. Sie werden von Nachbarn gemieden, am Postkasten hat jemand "ISS" (sollte wohl ISIS heißen) eingeritzt, sie sind als Terroristen stigmatisiert!


Nicht nur, dass Ahmed seinen Arbeitsplatz verloren hat, jetzt droht auch noch der Verlust der Wohnung. Am 6.3. flatterte die "Gerichtliche Aufkündigung" vom 27.2. (also acht Tage NACH Richtigstellung durch die Polizei!) ins Haus. Die Wohnung wird mit einer Kündigungsfrist von einem Monat - also bis 30. April - aufgekündigt. Begründet wird die Kündigung der Wohnung unter anderem damit:

"Die Wohnung dient dem Zusammentreffen extremistischer Personen, der Lagerung von Waffen und fundamentalistischer Propagandamittel. Dies wurde anlässlich eines Polizeieinsatzes im Februar 2015 festgestellt."

Weiter heißt es:

"Die oben geschilderte Verwendung der Wohnung, insbesondere zu Zusammentreffen mit extremistischen Hintergründen, beeinträchtigt auch das wichtige Interesse der kündigenden Partei, in ihrem Haus Ruhe und Ordnung zu halten. Das ist auch durch die begründete Furcht und Unruhe der anderen Bewohner bereits extrem gefährdet bzw. in Mitleidenschaft gezogen.

Soweit Waffen und extremistische Propagandamittel gegen Strafgesetze, insbesondere das Waffengesetz und das StGB verstoßen, richten sich diese strafbaren Handlungen auch gegen den Vermieter, da jedes geordnete Rechtssystem dadurch angegriffen und beseitigt werden soll. Es handelt sich dabei zweifellos um Gemeingefährdungsdelikte, insbesondere all jene Personen in unmittelbarem Umkreis der aufgekündigten Wohnung, sowohl die Bewohner der Wohnhausanlage als auch die kündigende Partei selbst betreffen, sodass damit der Kündigungsgrund einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen das Eigentum und die körperliche Sicherheit der kündigenden Partei geltend gemacht wird."




Diese Vorwürfe wurden allerdings schon am 19.2. von Seiten der Polizei entkräftet, einen Tag nach dem Polizeieinsatz, auf den sich Wiener Wohnen hier beruft!

Wir fassen also zusammen:

Frei erfundene Aussagen in einem Gratis-Blatt, auf die sich die Hetze der FPÖ wider besseres Wissen beruft, haben soziale Ausgrenzung, Stigmatisierung, Verlust des Arbeitsplatzes, drohender Verlust der Wohnung zur Folge. Durch Hetze und miserablen Journalismus wird jungen Menschen die Lebensgrundlage entzogen!

Ergänzung (17.03.2015): Mittlerweile wurden alle Verfahren gegen die angeblichen Dschihadisten von der Staatsanwaltschaft per Bescheid eingestellt.

*Namen von der Redaktion geändert.

Text: Monika Österreicher
Bilder: John Sobek