Montag, 22. Dezember 2014

Gastkommentar von Valerie

Quer durch alle Gruppen und Seiten war nun wieder zu lesen: "Wir wünschen Euch einen schönen 4. Advent!"

(Bild 1)

Die Adventzeit ist die Zeit, in der sich die Christen auf das Fest der Geburt Jesu vorbereiten.

Die einen werden sagen, es sei Tradition, obwohl es sich um eine zutiefst religiöse Gestaltung handelt. Die anderen berufen sich auf unsere christlichen Werte.

Für mich stellt sich die Frage: Was sind christliche Werte?

Da ich ein unchristliches Menschenkind bin, aus der Kirche ausgetreten, als Gutmensch beschimpft werde, habe ich Probleme, dieses Rätsel zu lösen. Vielleicht helfen mir Eure Gedanken dabei?

Ich liebe Weihnachten, die Freude meiner Kinder, den guten Duft der Mahlzeiten und des Nadelbaums.

Aber ich könnte es ein Stück mehr lieben, wüsste ich, dass die Ärmsten der Armen in ihrem unglaublich großen Leid Respekt und Würde erhalten. Und dass die Menschen aufhören zu hassen.

Einen sehr berührenden Eintrag eines Users möchte ich hier zitieren:

„Ich kann es einfach nicht verstehen! Wir wollen den Menschen in ihren Heimatländern nicht helfen, so dass sie sich dort sicher fühlen, wir helfen ihnen nicht mit Flüchtlingslagern in unmittelbarer Nähe, so dass sie dort bleiben können, bis sich die Situation in ihrem Land verbessert. Und wenn sie nun an unserer Türe um Hilfe bitten, drängen wir sie zurück und machen dir Türe zu! Es ist so als ob man in einem brennendem Haus den Menschen nicht hilft und auch noch die Tür zu macht damit sie nicht raus kommen!!! Traurig, peinlich, beschämend!“

Über 51 Millionen Flüchtlinge sind weltweit unterwegs. Über 51 Millionen Kinder, Frauen und Männer mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen, ihre Heimat. Der Großteil flüchtete innerhalb des Landes oder an die Grenze und in die unmittelbaren Nachbarländer. Immer umgeben von Hunger, Durst, Kälte, Hitze, Krankheit und Angst!

Die Fotoreportagen der Kinder im syrisch-türkischen Grenzgebiet, die frierend mit ihren Sandalen durch den Schnee laufen; das Wissen, dass viele Kinder diesen Winter an der Grenze nicht überleben werden, zerreißt mich innerlich.

(Bild: 2)

Nur jedes vierte dieser geflohenen Kinder hat die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Kinder, die krank werden, die Schmerzen erleiden, erhalten in den meisten Fällen nur allernotwendigste bis keine Hilfe.

Bald ist Weihnachten, wir freuen uns in unseren warmen vier Wänden und schimpfen auf die Regierung, streiten untereinander, erleben Enttäuschungen oder freuen uns über die Geschenke, die wir uns mit dem „Weihnachtsgeld“ geleistet haben. Das man den arbeitenden Moslems in unserem Land nicht gerne zugesteht! Weil wir das Geld vom Vatikan ausbezahlt bekommen oder weil uns doch die Gewerkschaft Vorteile erkämpft hat? Aber das schweift nun zu weit ab.

Von diesen über 51 Millionen Menschen schafft es nur ein Bruchteil nach Europa. Der Ansturm der vom Krieg geflüchteten, traumatisierten Menschen hält sich in Grenzen.

Es weihnachtet, ich möchte diese Menschen willkommen heißen. Aber ich bin keine Christin.

Vielleicht muss man folgende Haltung einnehmen, um sich großartig auf das Weihnachtsfest freuen zu können:

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Die Menschen, die es bis zu uns nach Europa geschafft haben, sind traumatisiert vom Krieg, vom Elend, von Verlusten.

Sie sind auch traumatisiert von der Reise zu uns. Der Tod ist der stetige Begleiter.

(Bild 3)

Vom Jänner bis heute gab es rund 140.000 Bootsflüchtlinge. Wie viele im Mittelmeer verstorben sind, ist unbekannt. Diese Toten werden selten gezählt.

Auch während wir unsere Lieder unterm Weihnachtsbaum trällern, werden die Leichen nicht gezählt. Diese Verzweiflung, den Tod in Kauf zu nehmen, um zu überleben, um der zurückgebliebenen Familie etwas bieten zu können. Die Hoffnung, diese nachholen zu können. Die Hoffnung, bei uns anerkannt zu werden, das große Leid, die Qualen zu erkennen, die Nächstenliebe zu erfahren, hält sie aufrecht und würdevoll.

Ein paar wenige (!) haben es geschafft, unser Land zu erreichen. Das Trauma bleibt, die Albträume kommen jede Nacht, die Verluste schmerzen.

Wusstet ihr, dass es auch ein Haus mit nur Minderjährigen und Kindern gibt, die alleine in unser Land gekommen sind? Es gibt kaum Geld für deren Versorgung, keine Wärme, keine Umarmungen, keinen Trost.

Aber vielleicht hilft mir wieder ein Christ, diese richtigen Werte zu erkennen:

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Es tut mir leid, dass mein Volk auf der Straße schläft. Von meiner Wohnung aus sehe ich das abends nie. Und ich vermute, dass ich so ein hässlicher Gutmensch bin, dass sich sogar nachts die Menschen vor mir verstecken und ich diese nicht schlafend auf der Straße entdecke.

Für Menschen jedoch, die Obdachlosen helfen wollen, möchte ich einen Link anfügen:


Wenn ihr einen Obdachlosen am Bankerl liegen seht, dann fragt ihn bitte, ob er in eine Unterkunft gehen möchte und kümmert euch auch darum. Obdachlose wissen, wohin sie sich wenden können, nur aufgrund aktueller Lebensumstände kann dieses Wissen manchmal nicht umgesetzt werden.

Danke!

Wir haben bald Weihnachten! Die vierte Kerze brennt. Der Nikolo war auch da. Die Kreuze in den Klassenzimmern hängen immer noch. Wir sind ein christliches Volk - möchte man meinen.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Einige werden das tun, egal, welche Partei sie wählen.

Doch die meisten arbeiten, ziehen ihre Kinder groß, machen sich Gedanken für eine bessere Welt. Kriegsgeschehen, Krise und eine globale Flüchtlingsflut lassen sich nicht wegleugnen.

Ich kann meine Heimat lieben, wenn es die Menschen wert sind.

Das Glück, in einem fruchtbaren Land zu leben, mit Wohlstand, mit Krankenversicherung, Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld – mit der Möglichkeit, sich zu bilden, auf die Straße zu gehen, Politiker zu beschimpfen, ohne Repressalien befürchten zu müssen u.v.m., ist nicht selbstverständlich.

Die Wahlplakate und Poster „für unser Volk“ der selbsternannten Christen und „neuen Juden“ erzürnen mich.

(Bild 4)

Denn nun zu Weihnachten habe ich den Wunsch, dass ihr erkennt:

auch WIR sind das Volk!

Und ich verweigere mich dieser Primitivität der Kreuzschwinger.

Es ist bald Weihnachten. Ich mag Menschen, die denken, die hilfsbereit sind, die wahre „christliche“ Werte leben. Egal, aus welchem Land diese Menschen stammen.

Doch in der Vorweihnachtszeit liest man bei den Christen:

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Man will sich die Tradition des Christkindes nicht verbieten lassen. Ich für meinen Teil glaube schon lange an kein Christkind mehr. Ich glaube an Menschen, die mit Neid und Angst unser schönes Land, unsere Errungenschaften kaputt reden.

Ich glaube an Menschen, die vom christlichen Glauben sehr weit abgekommen sind und deren Sinn für Weihnachten sich meiner Kenntnis entzieht.

So habe ich das Rätsel nun doch nicht aufgelöst. Meine Vorweihnachtsfreude flüstert mir, ich sei keine Christin. Die Weihnachtszeit flüstert mir, mach weiter.

Bereite deinen eigenen Kindern einen Weg, der Dich in den Spiegel schauen lässt.

(Bild 5)

Wünsche noch eine wunderschöne Vorweihnachtszeit mit Nächstenliebe, Herzensbildung und Hilfsbereitschaft.


Siehst Du die Dunkelheit in dieser Welt?

Sie wird erzeugt durch Raffgier Neid und Hass

und durch die Sucht nach Geld.

Das Licht, das jeder in sich trägt,

wird heller,

wenn er die Nächstenliebe lebt.

Je mehr die Menschen dieses Licht entzünden,

desto schneller wird die Dunkelheit

auf dieser Welt verschwinden.

Ein strahlend weißes Licht

wird dann die Erde überziehen,

sie wird dann höher schwingen,

das ist der Dank für unser Bemühen.





"Urteile nie über einen Menschen, bevor du nicht über tausend Schritte in seinen Schuhen gegangen bist."

Vali
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Bildquellennachweis:


2.: Reuters, Alia Haju


4.: "Geschichte und Gedächtnis in der Einwanderungsgesellschaft" (Klartext Verlag, 1990), Foto Andreas Schoelzel, Berlin