Donnerstag, 27. November 2014

Wenn aus Terroristen Freiheitskämpfer werden

Die meisten Dinge sind immer nur eine Frage der Sichtweise. Da werden aus Wehrmachtsdeserteuren, die das NS-Regime nicht mehr unterstützen wollten - und schon gar nicht ihr Leben für ein Verbrecherregime opfern wollen - plötzlich Feiglinge und Kameradenmörder und auf der anderen Seite aus Bombenlegern Freiheitskämpfer. 
Es ist schade, dass manche Journalisten nicht einmal minimale Recherche vornehmen, sondern viel zu oft einfach Pressetexte von Parteien abschreiben. Denn sonst wäre wohl nicht passiert, dass die Kronenzeitung folgenden Artikel in dieser Form abgedruckt hätte:





Wir wollen nun kurz umreißen, wer dieser Luis Amplatz war:

1964 wurde Luis Amplatz wegen Terrorismus von einem Mailänder Gericht in Abwesenheit zu 25 Jahren Haft verurteilt. Er war Mitglied einer Terrorgruppe, die verharmlosend als “Bumser” bezeichnet wurde und in Südtirol eine Reihe von Sprengstoffanschlägen und bewaffneten Überfällen auf Carabinieri verübte.

Ausgeführt wurden diese Anschläge von der Organisation BAS (Befreiungssausschuss Südtirol), deren Mitbegründer übrigens der in Italien ebenfalls wegen Terrorismus (Sprengstoffanschläge mit 4 Todesopfern) zweimal verurteilte Norbert Burger war. Burger, der kein Tiroler war, sondern aus Niederösterreich stammte, gründete später in Österreich die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Österreichs (NDP), die 1988 aufgrund des Verbotsgesetzes wieder aufgelöst wurde. Zum Zeitpunkt der Terroranschläge war Burger allerdings noch Mitglied der FPÖ. Pikantes Detail am Rande: Burger wäre beinahe der Schwiegervater des derzeitigen FPÖ-Bundesparteiobmannes Heinz-Christian Strache geworden, der als junger Mann mit Burgers Tochter sieben Jahre liiert war.

Ziel des BAS war nicht etwa die 1972 nach zähen Verhandlungen zwischen Österreich (vertreten durch den Außenminister und späteren Bundeskanzler Bruno Kreisky) und Italien in Kraft getretene Autonomie Südtirols, sondern eine komplette Abspaltung Südtirols von Italien. Zur Erinnerung: Südtirol war seit 1919 Teil von Italien und blickt auf eine leidvolle Geschichte besonders während der Zwischenkriegszeit zurück - Zwangsitalianisierung während Mussolinis Faschismus - mit späterer Billigung Hitlers. Das nach dem zweiten Weltkrieg im Gruber-De Gasperi-Abkommen ausverhandelte Autonomiepaket Südtirols wurde von der italienischen Regierung weitgehend untergraben und nicht eingehalten. Grund genug für Unmut - aber auch Grund genug für Terrorismus? Durch die neuerlichen Verhandlungen zwischen Österreich und Italien wurde den Abspaltungstendenzen in Südtirol eine klare Absage erteilt. Bruno Kreisky meinte damals: „Wollen wir eine Chance haben, mit unserer Sache durchzudringen, dann geht es meiner innersten Überzeugung nach nur mit der Autonomie. Mit der anderen Frage, und sie möge noch so sehr motiviert und rechtlich begründet sein, naturrechtlich und so weiter, werden wir aus unseren besten Freunden Feinde schaffen. Das kann sich Österreich nicht leisten.“ 

Der BAS hatte sich also als Ziel gesetzt, die Verhandlungen scheitern zu lassen, was zum Glück nicht gelang. Am 13. Juni 1961 notierte Martin Fuchs, Generalsekretär im Außenministerium in Wien, in sein Tagebuch: „Offenbar will die italienische Regierung die Anschläge nicht dazu benutzen, um die Verhandlungen abzubrechen, was das Hauptziel der Terroristen ist.“ 
Nach der Ausschaltung seiner Gründergeneration durch die italienische Justiz trat der BAS in eine neue, radikalere Phase ein. Waren die Ausführenden und deren Unterstützer anfangs ein bunt gemischter Haufen unter reger Beteiligung von Tiroler Bauern gewesen, traten die neonazistischen und pan-germanischen Kreise nun vermehrt in Erscheinung. Folge: 15 ermordete Exekutivbeamte innerhalb von 5 Jahren.
Durch die “Südtirol-Bumser” wurde die Autonomie Südtirols also nicht beschleunigt, wie manche meinen, sondern sogar behindert. Dass die “Südtirol-Bumser” in Österreich durchaus Sympathien hatten, bewirkte, dass es sich auch die offizielle Politik nicht mit ihnen verscherzen wollte, und so konnten viele von ihnen in Österreich völlig unbehelligt (und sogar wie Burger mit offiziellen Freisprüchen in Österreich) leben.

Zurück zu Luis Amplatz: Dieser wurde 1964 von einem Mitarbeiter des italienischen militärischen Geheimdienstes SISMI im Schlaf erschossen, was bei den nationalistischen Kräften (nicht nur) in Tirol seinen Märtyrerstatus begründete.

Auch heute noch trauen sich in Tirol nicht all zu viele, das Kind beim Namen zu nennen, nämlich dass der BAS eine separatistische Terrororganisation war - und nicht etwa ein Verband von patriotischen Freiheitskämpfern. Unlängst setzte sich zum Beispiel LH Günther Platter für die Begnadigung einiger “Bumser” ein.

Wie die FPÖ mit dem Thema Südtirol umgeht, bleibt gleichwohl ein Sonderfall. Das beginnt bei der Österreichkarte im Youtube-Propagandamedium “FPÖ-TV”, die Südtirol mit abbildet:






Weiter geht es mit immer wieder abgespulten nationalistischen Slogans (“Südtirol ist nicht Italien!”) und Beteuerungen...




Screenshot / (C) Facebook Inc



…bis zu Vorträgen dubioser Persönlichkeiten:





Der auf diesem Plakat genannte Vortragende ist vormaliger Aktivist der neonazistischen NDP und ehemaliges Mitglied der Linzer Burschenschaft „Arminia Czernowitz“, „Aula“-Autor und Referent bei der AFP und beim „Kulturwerk Österreich“, und gewährte dem freiheitlichen Tarnverein „SOS Abendland“ bei seiner Gründung im Februar 2007 eine „technische Handreichung“.

Und die “Heimatliebe” der FPÖ geht eben so weit, dass BPO Strache auf seiner Seite eines verurteilten Terroristen gedenkt: 



Screenshot / (C) Facebook Inc



...und der Tiroler Landesobmann Abwerzger nun eine Straße nach dem selben verurteilten Terroristen benennen will. Da fragen wir uns:

  • Wieso misst die Partei, die sonst auffällig oft die Gefahr von linkem oder islamistischem Terror herbeiredet, mit zweierlei Maß, wenn die Ziele der Terrororganisation ihr genehm sind?
  • Heiligt also für die FPÖ der Zweck die Mittel?
  • Und ist das Ziel des BAS, nämlich eine Neudefinition der Landesgrenzen Italiens, etwa immer noch ein wünschenswertes Ziel für die FPÖ - in Zeiten der EU, und fast 100 Jahre nach dem Vertrag von Saint Germain?