
Dies wird kein Nachruf. Nachrufe sind immer so pathetisch, so überhöhend, so glorifizierend. Das hätte Barbara Prammer selbst nicht gewollt. Aber es wird doch ein Nachruf, allerdings ein sehr persönlicher, aus Erinnerungen gekramt. Die Auflistung dessen, was sie geleistet und erreicht hat, welche Ämter sie innehatte, das wird in diesen Tagen in allen Medien landauf, landab zur Genüge nachzulesen sein. Aber diese Auflistungen, diese Tabellen werden dem Menschen Barbara Prammer nicht gerecht. Da war mehr, viel mehr als man mit ein paar Worten auszudrücken imstande sein kann.
Meine erste Begegnung mit ihr, so Ende der 1980er Jahre, soweit ich mich erinnere, bei einem frauenpolitischen Seminar der SJ-Linz, zeigte schon viel von ihrer Persönlichkeit. Nach ihrem Referat hab ich aus einer „ich bin ja so cool“ und „ich bin ja so lässig“ Laune heraus gemeint, “Gleichberechtigung, sicher, aber nur, wenn Frauen auch erst mit 65 in Pension gehen und zum Bundesheer müssen“. Der Blick, der mich dann – zu Recht – traf, fällt in die Kategorie „glücklicherweise überlebt“. Dann bekam ich von ihr gesagt, was ich als Mann denn nicht alles noch machen müsste, um den Begriff Gleichberechtigung zu erfüllen. Ganz ruhig, ganz leise, ganz unaufgeregt, ganz sachlich. Übrig blieb am Ende ein ungefähr zehn Zentimeter großer Manfred.
Die paar Male, die ich sie nach diesem Tage noch treffen durfte, war sie kein bisschen nachtragend, hat mich immer mit einem süffisanten Lächeln gefragt, ob ich denn die Frauen immer noch zum Bundesheer schicken mag. Diese Episode sagt sehr viel über das Wesen von Barbara Prammer aus. Hart in der Sache, aber immer verbindlich auf der persönlichen Ebene. Barbara Prammer war eine der drei Frauen in meinem Leben, die großen Anteil daran haben, dass ich mich heute als Feminist bezeichne. (Um der Frage zuvorzukommen – die anderen beiden sind meine leider ebenso an Krebs verstorbene Mutter und Sonja Ablinger).
Ebenso wichtig wie das gleichberechtigte Mit- und Nebeneinander der Geschlechter war für Barbara Prammer das aktive Auftreten gegen den Rechtsextremismus. Hier war sie sehr stark geprägt durch ihre Familiengeschichte, durch ihre Herkunft. Schon der Austrofaschismus hat in ihrer Heimatgemeinde einen tiefen Graben zwischen ArbeiterInnen und BäuerInnen hinterlassen.
"Manche meinen, das wäre nur eine gesellschaftliche Randerscheinung, eine Demokratie müsse solche Tendenzen aushalten. Dieser Meinung bin ich nicht, denn das wäre nichts anderes als eine grobe Verharmlosung und damit völlig inakzeptabel. Rechtsextremismus ist keine politische Meinung. Rechtsextremismus ist ein offener Angriff auf die Menschenrechte und die Demokratie und damit auf die Menschen selbst“, sagte sie bei einer Gedenkfeier im Parlament 2010. Dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht, dass das in ihrem Falle keine feierliche Phrase war, sie hat diesen Antifaschismus gelebt. Aber auch immer verbunden mit der Einladung an die nach rechts Abgedrifteten, sich doch wieder im demokratischen Spektrum einzufinden.
Barbara Prammer war eine ganz Große, eine große Demokratin, eine große Feministin, eine große Antifaschistin. Sie wird eine immense Lücke in der österreichischen Demokratie hinterlassen.
Ihrer Familie und ihren Freunden möchten auch wir von Heimat ohne Hass unser tiefstes Mitgefühl über diesen Verlust zum Ausdruck bringen.
Manfred Walter
Sprecher der Initiative Heimat ohne Hass