
Wir haben uns ca. 30 Ausgaben der “Zur Zeit” durchgesehen, ein nicht gerade angenehmes Unterfangen.
Ein weiteres Fundstück ist ein Artikel über die angebliche "Überfremdung" Brüssels, der nur so von Verhetzung strotzt. Herr Andreas Mölzer, der zum damaligen Zeitpunkt Herausgeber der “Zur Zeit” war (es wurde zwar angekündigt, dass sein Sohn Wendelin Mölzer dessen Nachfolge antreten soll, im Impressum werden bis zum heutigen Tag jedoch Andreas Mölzer und der ehemalige Wiener FPÖ-Obmann Hilmar Kabas als Herausgeber angeführt), sollte durch seine Arbeit als Europaabgeordneter regelmäßig in Brüssel sein und es eigentlich besser wissen.
Ausgabe “Zur Zeit 13-14 # 2013 # Seite 41”
Der Artikel strotzt nur so vor Lügen, wie z.B. dass in Wiener Kindergärten wegen der muslimischen Kinder kein Schweinefleisch mehr auf dem Speiseplan steht.
Zu Brüssel haben wir aus Erfahrung einiges zu berichten:
Brüssel besteht aus mehreren Gemeinden, wobei ein paar Gemeinden einen hohen Migrantenanteil haben und es auch Gegenden gibt, in denen man nachts vielleicht nicht so gerne unterwegs ist. Aber dieses Problem haben neben Brüssel auch Städte wie Wien, Berlin, München, Paris etc. und sind keine Besonderheit. Brüssel ist durch drei Gruppen gespalten, die Brüsseler und Belgier auf der einen Seite, die Migranten aus Nordafrika, Afrika und dem Arabischen Raum sowie der Türkei, weiters viele Polen und Rumänen, die ihr Glück in Westeuropa suchen auf der anderen Seite. Und auf der dritten Seite die Ausländer, genauer gesagt, die Expats, die Brüssel nur als Arbeitsort sehen und wenig von der Stadt wissen. Sie arbeiten für internationale Organisationen wie EU oder NATO. Dazu gehört auch Herr Mölzer.
Viele EU-Abgeordnete kennen nur einen gewissen Teil von Brüssel, von der Wohnung zum Parlament oder Kommission, von dort zum Flughafen. Vielleicht noch die Gegend, wo sie einkaufen gehen oder essen. Bezirke wie Anderlecht, Berchem, Molenbeek sind bekannte Arbeiterbezirke, in denen aber die Kriminalitätsrate nicht so hoch ist wie sie im Artikel beschrieben wird. “Zum stehlen gehen sie ins EU-Viertel, hier wohnen sie nur”, so eine Bewohnerin eines Arbeiterbezirks. Armut gibt es in Brüssel auch, aber nicht mehr als in anderen Städten Europas.
Apropos Armut. Brüssel hat ein finanzielles Problem. Es ist eine arme Gemeinde, die recht spät mit dem Bauen neuer Häuser und renovieren älterer Häuser begonnen hat. Dadurch erlebt Brüssel gerade einen Bauboom, der aber durch die fehlende Finanzlage sehr schleppend vorangeht. Dies liegt aber auch daran, dass EU-Mitarbeiter kaum Steuern an die Stadt und an das Land zahlen. Darunter auch Herr Mölzer.
Die Migranten sind in Brüssel recht gut integriert, nicht nur weil viele aus frankophonen Staaten und ehemaligen französischen und belgischen Kolonien stammen. Auch die Durchmischung der Schichten macht es möglich, dass es keine groben Ghettos gibt, sondern alles gut durchgemischt ist und viele in inneren Bezirken leben und nicht an den Rand der Stadt, wie es in Wien der Fall ist, gedrängt werden.
Aber woher soll das ein Expat wie Herr Mölzer wissen, der sich scheinbar öfter in Österreich aufhält und Brüssel nur als Arbeits-, Ess- und Schlafplatz benutzt? Der am Freitag Nachmittag wie viele andere auch mit dem Flugzeug in die Heimat fliegt und am Sonntag Abend wieder zurück nach Brüssel?
Die Presse schreibt zu Brüssel sehr interessant und sicher eher der Realität entsprechend als Mölzers Zeitungsartikel:
Kaum einer will hier lange bleiben: Laut einer Umfrage unter den rund 100.000 Bediensteten bei EU-Institutionen und deren Umfeld in Brüssel, wollen lediglich sechs Prozent für immer in der belgischen Hauptstadt leben. 80 Prozent ärgert, dass Brüssel „zu schmutzig“ ist. Etwa die Hälfte fühlt sich angesichts der hohen Kriminalitätsrate unsicher. 74 Prozent, die hier arbeiten, wünschen sich von der Stadtverwaltung, dass sie das hässliche EU-Viertel schöner gestaltet.
Die Studie, die vom Brussels-Europe Liaison Office veröffentlicht wurde, macht aber auch deutlich, dass ein Großteil der internationalen Bevölkerung der Stadt keinen Kontakt zu Belgiern sucht und ihre Kinder lieber in die internationalen Schulen gibt. Sie bleiben im Durchschnitt nicht länger als zehn Jahre. Die „Brussels bubble“ schottet sich selbst ab und lebt gerne in den „besseren“ Bezirken wie Ixelles, Etterbeek oder Woluwe-Saint-Lambert.
Überraschend ist allerdings, dass die Bediensteten im EU-Umfeld das Stadtleben in Brüssel dennoch schätzen. Besonders hervorgehoben werden das gute Essen, die erschwinglichen Wohnungen und die vielen Parks der Stadt. Aber auch das gute Gesundheitssystem wird gewürdigt. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie es „mögen“ in Brüssel zu leben.
Herr Mölzer, Artikel wie der erwähnte Brüssel-Artikel in “Zur Zeit” sind eine Schande für einen Europaabgeordneten! Herr Mölzer, alleine für diesen Artikel sollten Sie eigentlich, wenn Sie nur einen Funken Anstand besäßen, sofort zurücktreten und kein weiteres politisches Amt mehr bekleiden. Sie meinten, auf dem Akademikerball wären keine Rechtsradikalen? Doch die waren dort. Und speziell Sie sollten es besser wissen!