Montag, 3. August 2015

Flächenbrand

Die Zeiten werden rauer - der Ton in sozialen Netzwerken auch. 

Vor fast zwei Jahren erschien der Artikel „Ein Glassplitter in der trockenen Steppe - oder - wie entfache ich einen Flächenbrand“ (http://www.HeimatOhneHass.com/2013/10/ein-glassplitter-in-der-trockenen.html). Dabei ging es um ein Posting von Strache auf seiner Facebook-Seite https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10151768332043591&set=pb.74865038590.-2207520000.1391098917.&type=3&theater

Bereits damals waren Hass- und Hetz-Kommentare an der Tagesordnung. Was sich aber seit damals geändert hat, ist die Fülle der Kommentare, genauer gesagt: strafrechtlich relevanter Kommentare. Mussten wir damals täglich unseren Blick auf 4-6 Gruppen und eine Handvoll Facebook-Seiten werfen, so liegt die Anzahl der Gruppen und Seiten heute bereits bei über 50, in denen es nur so kracht, wo vor keiner Abartigkeit mehr halt gemacht wird. 

Vor zwei Jahren wurde die Seite von Strache zwar in gleichem Maße administriert wie heute (nämlich kaum merkbar), jedoch war das Klima ein weniger raues. De facto alle Gruppen standen direkt unter der Administration von Funktionären – und auch bei den Seiten war es ähnlich. Damals wurden Hass- und Hetz-Postings auch nicht gelöscht, erhielten aber zumindest noch zeitweise Gegenwind. Zwar mit der Motivation, dass man der Partei nicht schaden wolle, aber immerhin, es wurde noch etwas dagegen gesprochen. Heute sieht es anders aus. Die rasant ansteigende Anzahl der Hass- und Hetz-Postings macht eine Weiterleitung der Sachverhalte an die Staatsanwaltschaft mittlerweile zur Sisyphos-Arbeit, der Flächenbrand wurde entfacht.

Was der Unterschied zu damals ist: Es wurde in FPÖ- und FPÖ-Fan-Gruppen gehetzt. Dieses Feuer hat sich auf andere Gruppen, die wie Pilze aus dem Boden schießen, ausgeweitet. Ein Lauffeuer, das sich im Speziellen seit der Amokfahrt in Graz immer schneller verbreitet hat, immer neue Bereiche entzündet und heute allgegenwärtig scheint.

Die Politik sieht zu, verschärft halbherzig den Verhetzungsparagraphen und versteht nicht die Brisanz dessen, was gerade geschieht. Einzelne Fälle, wie der in den Medien aufgegriffene Fall, bei dem das Foto eines Flüchtlingskindes mit dem Wunsch nach einem Flammenwerfer beantwortet wurde, suggerieren der Bevölkerung, dass es sich wirklich nur um einzeln auftretende Anomalien handelt. Nein, es sind keine einzeln auftretetenden Anomalien, es ist längst ein Massenphänomen in den sozialen Netzen, eines, das den letzten Rest von Mitgefühl verschlingt, welches selbst den gemäßigten UserInnen suggeriert: Ihr könnt schreiben, was ihr wollt. Ihr könnt das Vergasen von Flüchtlingen fordern. Ihr könnt den Genozid an türkischen MitbürgerInnen fordern.

Von anständigen PolitikerInnen würde man erwarten, das Thema entweder tot zu schweigen, oder darauf zu reagieren. Aber nicht damit aufzuzeigen, dass auch die Gegenseite – die vermeintlichen Ausländer - es auch macht. Es wäre hoch an der Zeit, derartige Auswüchse generell zu verurteilen. Es zu verurteilen, nach einem neuen Holocaust zu schreien; es zu verurteilen, dass es Menschen gibt, die ihren Hass vor einer Computertastatur dazu verwenden, andere Menschen aufzuhetzen und sich die tiefsten Abgründe der Menschheit wieder herbei zu wünschen.

Es gehört zum guten Ton in Gruppen wie „FPÖ“, über alles zu schimpfen, was nach ihrer Meinung verwerflich ist. Über Flüchtlinge, über andere Politiker, andersdenkende, engagierte Mitbürger. Dies geschieht unter den Augen von Politikern. Politikern, die sogar einen Eid auf unsere Verfassung abgelegt haben, die Gesetze zu wahren und sich auch für die Schwächsten einzusetzen. Unter ihren Augen geschieht das schlimmste, das einer Gesellschaft passieren kann: die Entmenschlichung aller Feindbilder (vor allem der Minderheiten), das Absprechen der Würde, sogar wenn es um Kinder geht. Unter ihren Augen passiert etwas, das im letzten Jahrhundert schließlich in der industriellen Vernichtung von Leben geendet hat. Unter ihren Augen wurde in den letzten Jahren eben dieser Flächenbrand entfacht, der nun in den sozialen Medien wütet – und es wird nicht mehr lange dauern, bis sich dieser Zorn, dieser Hass von ihren kleinen Glutnestern in das verwandelt, vor dem viele seit langem und bisher vergeblich gewarnt haben.

HoH