Montag, 29. September 2014

Das wundersame Wirken des Mannes aus Myra

Die Blätter verfärben sich, der Herbst zieht ins Land und der aufmerksame politische Beobachter weiß, der Nikolo steht vor der Türe. Nein, nicht der in Begleitung seines Kumpels Krampus am 6. Dezember manch Kaufhaus und Familie heimsuchende Laiendarsteller, sondern jener Nikolo, dessen angebliches Ausbleiben bzw. Auftrittsverbot seit Jahren von den selbsternannten Heimat- und Brauchtumsschützern der FPÖ bejammert wird. Und da die Geschichte des angeblich aus Wiener Kindergärten verbannten Bischofs aus Myra - schon x-mal widerlegt - offenbar ausgelutscht ist, wird dem freiheitlichen NAbg. Höbart angeblich ähnlich Empörendes aus einer Kleinstadt in Niederösterreich zugetragen. In einem ÖVP-dominierten Bundesland natürlich ein doppeltes NoGo! 

In der Sonntagsausgabe der Kronen Zeitung vom 21. September 2014 und, einen Tag später, auf der von Höbart und zwei weiteren Mitstreitern in aller Herrgottsfrüh, um 04:54 Uhr, aus dem Boden gestampften Facebookseite „Ich bin für den Nikolo“, erfährt der Leser, was sich Ungeheuerliches in einem Kindergarten in Mödling angeblich zutragen soll. 

Christian Höbart ist empört“ schreibt die Krone - für einen Mandatar der FPÖ, die den Eindruck erweckt, ohnehin dauerempört zu sein, nicht wirklich außergewöhnlich - da ihm „zu Ohren gekommen sei, dass der Nikolo aus dem ‚Kindergarten XY’ ausgeladen worden sein soll“, weil - hier gerät Höbart laut Krone sogar in Rage - weil eben dieser Nikolobesuch angeblich „wegen Kindern abgesagt worden sei“, weiß Höbart von einem entsetzten Vater, „in deren Religion dieser Heilige nicht vorkommt“. 

Unter Beigabe einer die Dramatik des Anlasses würdigenden Anzahl von Ausrufzeichen, wird auf “Ich bin für den Nikolo” aus der angeblich zugetragenen “Ausladung” ein “geplantes Nikolo-Verbot” und natürlich fordert man “ALLE” - vermutlich gesperrt geschrieben, damit auch wirklich alle Aufgeforderten die Aufforderung zu sehen bekommen - politischen Verantwortungsträger auf “den Besuch des heiligen Nikolo” nicht nur im beanstandeten sondern auch “in ALLEN ANDEREN Kindergärten dieser Republik sicherzustellen”. Ohne Wenn und Aber, versteht sich!


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Dass der diesjährige “Nikolotag”, also der 6. Dezember, zufällig und, wie wir vermuten, auch ganz ohne Zutun des Landeshauptmannes von Niederösterreich oder der ÖVP auf einen Samstag fällt und nicht nur dieser Kindergarten an Samstagen geschlossen hat, darüber schweigen sowohl die Krone als auch die “Nikolo-Fanpage”. Dieses unbedeutende Faktum kann man entweder jedem Taschenkalender entnehmen oder auch der Onlineausgabe der NÖN, die den, ohne Übertreibung eigentlich, langweiligen Sachverhalt so darstellt:


Screenshot www.noen.at, Artikel vom 23.09.2014


Nun ja, Fakten können ganz schön störend sein, vor allem, wenn man sich in (selbst)gerechtem Pathos übt. Dies dürften die KommentatorInnen der Fanpage ähnlich empfinden und lassen sich vom Wesentlichen nicht ablenken:


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Auch ein „Junker Rolf“ findet klare Worte, wenn er in seinem hellsichtigen Kommentar die zwei Seiten des Bösen benennt. „Die herrschende Klasse“, die den Autochthonen an die Gurgel will und „eine leicht lenkbare Masse von Humankapital“ die weder Schuhplattelt noch Bandeltanzt und schon gar nicht die „Bedrohung durch die Nazikeule“ abschütteln kann. Fürwahr, sehr beängstigend!


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Ob Höbart oder auch Strache reagieren und sich zu einem Selfie beim Bandeltanz hinreißen lassen werden? Man darf gespannt sein! Aber wenden wir uns einem anderen Aspekt der Nikolo-Seite zu, der weitaus amüsanter ist, den „Gefällt mir“-Angaben und dem Mann aus Myra. Seinem wundersamen Wirken schreiben wir nämlich die plötzliche Popularität dieser Fanseite zu. 

Wir erinnern uns: am 22. September ging die Seite online. Likes: 0 (Null). Am 26. September 2014 um 14:06 Uhr, hatten genau 20.116, in Worten, zwanzigtausendeinhundertsechzehn Personen auf „Gefällt mir“ gedrückt! Facebook sei Dank, lässt sich dieser wahre „Begeisterungssturm“ auch grafisch nachvollziehen.


Screenshot facebook.com/ichbinfuerdennikolo/likes


Auffallend und irritierend an diesem „Einblick“ ist, dass die „engagiertesten“ Menschen in Istanbul leben!


Screenshot facebook.com/ichbinfuerdennikolo/likes (Detail)


Da ja erst kürzlich die Fanseite der blauen Nachwuchshoffnung Maximilian Krauss (laut Posting auf dieser) angeblich durch eine „Invasion“ von Likes aus der Türkei offline gehen musste, (der Zusammenhang erschließt sich wohl nur dem Eingeweihten, aber vielleicht liegt es ja auch nur daran, dass der eine oder andere Übersensible aus den Reihen der FPÖ die zweite Türkenbelagerung seelisch noch nicht verkraftet hat) wurden wir natürlich etwas stutzig und überprüften die „Gefällt mir“ Angaben der Seite „Ich bin für den Nikolo“ mit „GraphSearch“. Und tatsächlich, mehr als 1000 Likes stammen von Profilen, die angeben gegenwärtig in Istanbul zu leben. [~ 650 Suchergebnisse)


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Doch etwas erstaunt, weiteten wir die Suche auf die Türkei aus. Und wurden ebenfalls fündig. Laut „GraphSearch” stammen ebenfalls mehr als 1000 Likes von „Personen”, die laut Profilangaben gegenwärtig in der Türkei leben (~2700 Suchergebnisse). (Zur Erklärung: GraphSearch unterscheidet nur zwischen “mehr als 100” und “mehr als 1.000” Likes, weist den tatsächlichen Wert aber nicht aus.)



Screenshot / (C) Facebook Inc.

Nur so nebenbei eine weitere Auffälligkeit: Mehr als 100 Personen, denen die Facebookseite „Ich bin für den Nikolo“ gefällt, arbeiten auch bei „Galatasaray Istanbul“. (Ob als „Maneger”, entzieht sich unserer Kenntnis (Siehe “Strache und seine falschen ‘Fans’” ;-) Zwar sind laut offizieller Homepage des „Galatasaray Istanbul“ nicht mehr als 20 Personen (exkl. Spieler) im Verein beschäftigt, aber das muss nichts zu bedeuten haben.



Screenshot / (C) Facebook Inc.


Da der Mann aus Myra ja nicht nur ein Wohltäter war, sondern verschiedenen Quellen zufolge auch Wunder gewirkt haben soll, kam uns folgende Erklärung in den Sinn: 


  • Nikolo = Bischof von Myra > 
  • Myra = Demre = Kale > Antalya > 
  • Antalya = Türkei > 
  • Türkei > Likes > viele Likes > unglaublich viele Likes…

Das könnte es sein! Ein Wunder! Leider macht uns Facebook einen dicken Strich durch unsere schlüssige Deduktion, denn kein einziges „Gefällt mir“ stammt aus Myra. Schade eigentlich. Wie sonst könnte man sich diese wundersame Like-Vermehrung erklären?


Screenshot / (C) Facebook Inc.

Abschließend...

Dass man seitens der FPÖ das Thema “Nikoloverbot” irgendwann vor Weihnachten wieder aus der blauen Mottenkiste hervorkramen würde, war abzusehen. Neu ist die - auf den ersten Blick - unparteiische Aufmachung. Kein Logo, kein Foto eines Mandatars, keine wehende rot-weiß-rote Fahne im Hintergrund, kein der FPÖ zuordenbares Grafikdesign. Ob man die Parteilichkeit absichtlich versteckt, um das Thema “Nikolo” ohne den Hautgoût der “Inländerliebe” hochkochen zu können, darüber können wir nur spekulieren. 


Ziemlich sicher sind wir aber, dass uns die FPÖ in naher Zukunft mit ähnlichen Seiten beglücken wird. Ein Superwahljahr steht bevor und zugetragene Aufmacher für “Traditionsthemen” werden gefunden werden. Und so sind wir schon sehr neugierig, aus welcher Weltenregion dann die Likes für eine Seite - nur so als Beispiel - “Ich bin für den Schweinsbraten” stammen werden. Denn, auf welchen verschlungenen Wegen auch immer “Ich bin für den Nikolo” in der Türkei Aufmerksamkeit erregen und Likes generieren konnte, ein “Nikolo-Wunder” dürfte wohl nicht dahinterstecken. In diesem Sinne: “Bitte weitergeilen!” ;-)



Screenshot / (C) Facebook Inc.

Nachtrag, 28. September 2014

Wie durch ein Wunder, wurde “Ich bin für den Nikolo” seit dem 26. September mit weiteren 13.000 Likes bedacht. Und ist jetzt wieder fest in österreichischer Hand! 


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Weniger verwunderlich die Aufschlüsselung der Likes nach Ländern (Datenstand 24.09.2014), die heute erstmals auf “Sterntv-Likecheck” zu finden sind…



Screenshot sterntv-experimente.de/FacebookLikeCheck



Nachtrag, 29. September 2014

Neue Erkenntnisse vom “Like-Check”. Am 25. September hatten bereits 
7.485 Profile aus Österreich und 5.958 Profile aus der Türkei auf “Gefällt mir” gedrückt.



Screenshots sterntv-experimente.de/FacebookLikeCheck

Nachtrag, 30. September 2014





Screenshots sterntv-experimente.de/FacebookLikeCheck

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