Donnerstag, 14. August 2014

FPÖ-Nationalrat Hafenecker verbreitet falsche Zahlen über an “AusländerInnen” ausbezahlte Familienbeihilfe

Bei der Kronen Zeitung, der österreichischen Tageszeitung mit der höchsten Auflage, sind rassistische und rechtsextreme Auswüchse bekanntlich vielfach belegt. Am 3. August war Redakteur Christoph Weisgram an der Reihe, mit einem Artikel über Transferleistungen für „AusländerInnen“ der FPÖ wieder einmal Wasser auf die Mühlen zu gießen.

„Ausländer kassieren bei der Förderung ab – 78 Millionen € Familienbeihilfe im Jahr“ titelt Weisgram und nennt in seinem Artikel insbesondere slowakische StaatsbürgerInnen, die in Niederösterreich „das meiste Geld aus diesem Topf“ erhalten würden, ihre Zahl sei von 2012 auf 2013 „um 43 Prozent (!)“ gestiegen. Dass die slowakischen StaatsbürgerInnen und sonstigen Nicht-ÖsterreicherInnen, die in Österreich Familienbeihilfe beziehen, freilich auch hier berufstätig sind und Steuern bezahlen und somit auch den österreichischen Sozialstaat aufrecht erhalten (MigrantInnen zahlen mehr Geld in den Sozialtopf ein, als sie durch Sozialleistungen zurückerhalten - Quelle: “die Presse”), erwähnt Weisgram hingegen mit KEINER Silbe.
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Screenshot / (C) Facebook Inc.


Der Artikel erfüllt also die Anforderungen für Hetze und wird von den Freiheitlichen - vielleicht gerade deshalb - dankbar angenommen. Christian Hafenecker, FPÖ-Nationalrat, veröffentlicht den Artikel Weisgrams auf seiner Facebook-Seite, wobei er die von der Krone kolportierte Zahl von 78 Millionen Euro, die „Ausländer“ in Niederösterreich an Familienbeihilfe erhalten würden, auf 500 Millionen Euro „aufrundet“, in Wien seien es sogar 600 Millionen Euro. „Die Türken“ seien die „zweitstärkste Gruppe beim abkassieren (sic)“.


Screenshot / (C) Facebook Inc.


Als Hafenecker auf die Unwahrheit aufmerksam gemacht wird, reagiert er seltsam: „Das ist schon richtig so, die genannten Nationen waren nur auszugsweise, 557 Mio sinds in Niederösterreich“ fabuliert er in holprigem und wenig verständlichem Deutsch und postet eine Aufstellung über die insgesamt – also nicht nur an „Ausländer“ - in den Bundesländern ausbezahlte Familienbeihilfe. Demnach wurden in Niederösterreich INSGESAMT (also an Aus- UND InländerInnen) 557 Millionen Euro, in Wien 645 Millionen Euro ausbezahlt.
Screenshot / (C) Facebook Inc.

Hafenecker findet es aber dennoch nicht der Mühe wert, die falsche Behauptung von 500 bzw. 600 Millionen Euro, die AusländerInnen beziehen würden, zu korrigieren. Noch heute ist die Falschmeldung abrufbar.

Die erwartbaren Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten:

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Screenshot / (C) Facebook Inc.

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Screenshot / (C) Facebook Inc.
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Screenshot / (C) Facebook Inc.


Detail am Rande, einen Tag später, also dem 04.08.2014 wurde auf meinbezirk.at ein Artikel online gestellt, der genau wie Hr. Hafenecker die Unwahrheit verbreitet und sich dabei möglicherweise auf die von FPÖ-NR Hafenecker kolportierten falschen Zahlen stützt.
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Screenshot / (C) Bezirksblätter



Wir fassen also zusammen: 

Die “Kronen Zeitung” liefert der FPÖ einmal mehr mit einem undifferenzierten Artikel eine Steilvorlage für ihre Hetze. Nicht-ÖsterreicherInnen soll – das impliziert der Artikel – das Recht auf Transferleistungen aberkannt werden. Ein FPÖ-Nationalrat übernimmt die Hetze und zieht die Schraube weiter an, indem er falsche Zahlen nennt. Selbst nach der Kritik daran bleiben die falschen Zahlen online.

Quellen:

https://www.facebook.com/hafenecker.christian/photos/a.670295386346359.1073741829.654992014543363/788938914482005/?type=1&theater

http://www.meinbezirk.at/horn/wirtschaft/auslaender-in-niederoesterreich-erhalten-565-millionen-euro-familienbeihilfe-d1038738.html


Update 14.08.2014/18:20

Herr Hafenecker hat nach Erscheinen unseres Artikels, den Text wie folgt korrigiert:



Screenshot / (C) Facebook Inc.


Wir danken für die Zusammenarbeit!
Sonntag, 10. August 2014

Die böse Saat geht auf

Der Wiener Klubobmann der FPÖ, Johann Gudenus, ist ja fast schon berühmt für seine rechtspopulistischen Postings auf seiner Facebook-Seite. Selbstverständlich hatten auch wir schon in vielen unserer Artikel das zweifelhafte Vergnügen, über seine literarischen Ergüsse zu berichten, wie etwa als besonders hartnäckiges Beispiel die erfundene Geschichte des Nikolos, der angeblich unter Begleitschutz aus einer Veranstaltung gebracht werden musste, weil ihm “islamistische MitbürgerInnen Prügel angedroht” hätten. Selbst als die Geschichte längst widerlegt worden war, weigerte Gudenus sich, das Posting von seiner Seite zu nehmen und entfachte damit ein regelrechtes Lauffeuer islamfeindlicher Hasspostings.

Im Vergleich zu anderen PolitikerInnen ist Gudenus’ Facebookseite eher spärlich bestückt. Aber wenn es Neuigkeiten gibt, geht es darin sehr oft gegen AusländerInnen oder fremde Religionen. Kritische Personen werden häufig gesperrt und extreme Hasspostings ebenso häufig “übersehen”. Die LeserInnen der Seite nehmen den Populismus begeistert auf, und so reicht über die Jahre hinweg mittlerweile schon eine schlichte Bemerkung über einem Zeitungsartikel als Posting, um den Anhängern und Anhängerinnen reihenweise Hassbeiträge zu entlocken.

So geschehen z.B. auch am 6. August 2014. An diesem Tag brachte Gudenus nur zwei Postings. Den Auftakt macht der Zeitungsausschnitt eines Artikels, wonach ein Österreicher angeblich Kappen und T-Shirts mit terroristischen Motiven verkaufen soll. Gudenus spricht von “Bombengeschäft”:

Screenshot / (C) Facebook Inc.


Wir von "Heimat ohne Hass" wollen an dieser Stelle ein- für allemal klarstellen, dass wir selbstverständlich jegliche Form von Terrorismus oder Sympathie für terroristische Organisationen auf das Schärfste verurteilen. Dennoch ist es auch genauso selbstverständlich, dass selbst unter den tschetschenischen MigrantInnen (solche stehen im Verdacht des Artikels) der Großteil nicht mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisieren und schon gar nicht eine ganze Religionsgemeinschaft pauschal verurteilt und beschuldigt werden kann und darf.

Dennoch findet sich schon bald nach dem Posting folgender Kommentar, in dem behauptet wird: “alle Muslime sind Terroristen” und er “weiß 100% wie sie denken”.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Danach der auf FPÖ-nahen Seiten immer häufiger (wenn auch in diesem Falle sarkastisch verpackt) anzutreffende Code “88”. Dieser steht für den 8. Buchstaben des Alphabets (zweimal also HH) und dient in der Neonazi-Szene als Abkürzung für den Gruß “Heil Hitler”, der in Österreich verboten ist.

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Ein weiterer User verpackt seine Gesinnung nicht so geschickt und schreibt, was er sich denkt:

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Und an weiterer Stelle wieder eine Verallgemeinerung und Herabwürdigung:

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Wie schon beschrieben befanden sich diese Kommentare (bzw. befinden sich noch immer) unter einem einzigen Posting von Johann Gudenus an diesem Tag. Wer der Meinung ist, das reiche selbst für Johann Gudenus, um seine Anhängerschaft anzuheizen, der irrt. Es folgt ein Artikel der Krone, wonach syrische Flüchtlinge einen ebenfalls um Asyl ansuchenden Landsmann als Al-Kaida-Kämpfer entlarvt hätten und den Mann lynchen wollten.

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Darunter die Kommentare der “friedliebenden” Anhängerschaft, die es gerne hätte, wenn “dieses Pack [die Möglichkeit hätte,] sich so schnell als möglich selbst abzustechen”.

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. . . oder mit der Idee kommen, für einen “Zug” (mutmaßlich in Anlehnung an die Deportationszüge während des Holocaust) zusammen zu legen.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Man kann sich vorstellen, welche Person mit dem folgenden Kommentar gemeint ist. Im Posting darunter wird behauptet “alle Muslime sind Terroristen”

Screenshot / (C) Facebook Inc.






Danach - wie fast schon üblich bei solchen Gelegenheiten - die Aufregung darüber, dass Sympathien für “eh scho wissen” in Österreich unter Strafe stehen. . .

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. . . und so vergleicht man, wie man es in den Comics der FPÖ-Wahlwerbung gelernt hat, AusländerInnen und AsylwerberInnen mit Ratten.

Screenshot / (C) Facebook Inc.



Besonders interessant ist aber, dass der folgende Kommentar auf der Seite von Johann Gudenus stehen gelassen wird, wo doch Gudenus öffentlich immer vorgibt, niemals alle in einen Topf zu werfen und seine drohenden Aussagen wie “Knüppel aus dem Sack” ausschließlich für kriminelle AusländerInnen und Religionsgemeinschaften gelten und niemals verallgemeinert würden.

Dort behauptet man nämlich nicht nur, dass alle Muslime Terroristen wären, wie schon weiter oben gesehen, sondern man geht sogar so weit, zu fordern: ”Jeder Muslim muss aufgefordert werden zu konvertieren oder er muss ausgewiesen werden. Der Islam ist ein Krebsgeschwür in allen freiheitlichen Gesellschaften mit dem Ziel diese zu zerstören”. Diese Aussagen ähneln in erschreckender Weise dem Manifest von Anders Breivik, dem Attentäter von Oslo.

Screenshot / (C) Facebook Inc.









Um wiedereinmal zu demonstrieren, dass Johann Gudenus durchaus seine Facebook-Seite häufig im Blick hat und scheinbar nicht nur aus Zeitmangel die oben stehenden Kommentare “übersieht”, sehen wir uns ein weiteres Posting vom 31. Juli 2014 an, in dem der Wiener Klubobmann in gewohnter Weise vor den AsylwerberInnen warnt und “Armut, Kriminalität und sogar Krankheiten” über Österreich hereinbrechen sieht (natürlich ohne verallgemeinern zu wollen):

Screenshot / (C) Facebook Inc.


Dieses populistische Posting erntete nämlich neben den zu erwartenden zustimmenden Kommentaren. . .

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.

. . .auch harsche Kritik, zum Teil sogar aus den eigenen Reihen:

Screenshot / (C) Facebook Inc.

Screenshot / (C) Facebook Inc.
















Und bei kritischen Kommentaren ist Herr Gudenus, ganz im Gegenteil zu rechtsradikalen Postings auf seiner Seite, sogar um 00:20 noch bereit zu reagieren und die insgesamt 4 (!) kritischen Kommentare als “shitstorm der linken Kampfposter” abzutun:


Screenshot / (C) Facebook Inc.




Was kann man also daraus schließen:
  • Es ist davon auszugehen, dass Johann Gudenus mutmaßlich strafrechtlich relevante Hasspostings auf seiner Seite bewusst wahrnimmt und trotzdem nicht reagiert.
  • Die erschreckenden Verallgemeinerungen, Forderungen und Gewaltaufrufe gegen ganze Religionsgemeinschaften sind möglicherweise nur das Produkt einer jahrelangen Hetze.

Abschließend möchten wir Sie, Herr Johann Gudenus, bitten, sich noch einmal das folgende Posting anzusehen und darüber nachzudenken, wie weit möglicherweise eine Radikalisierung unter Ihren Anhängern und Anhängerinnen in Österreich schon fortgeschritten ist und ob es das wirklich ist, was Sie unter Ihrer politischen und menschlichen Verantwortung anstreben?

Screenshot / (C) Facebook Inc.