Donnerstag, 6. August 2015

Befürchtet Strache seine eigene Ermordung?

Verschwörungstheorien, Problemen mit Schuldeingeständnissen und - um es diplomatisch auszudrücken - “Wahrnehmungsverschiebungen” sind wir von FP-Chef Strache und seinen ParteikollegInnen schon gewohnt.

Am 6. August 2015 überraschte uns Strache allerdings mit einer der schwerwiegendsten Verschwörungstheorien, es geht um Mord.

Strache postete ein Bild aus dem Jahr 2008 und meinte: “Unser Programm war immer richtig!” Das Bild zeigt den ehemaligen Parteivorsitzenden Jörg Haider in Verbindung mit einem FPÖ-üblichen Thema: “Österreich ist kein Einwanderungsland“.

Screenshot / (C) Facebook Inc

Es kommt öfter vor, dass Strache seine Postings nachbearbeitet, einerseits weil seine Rechtschreibfehler manchmal doch zu arg sind, andererseits um vermutlich noch besseres Potential aus seinen Postings herauszukitzeln. Diesmal aber ergänzte Strache seinen Kommentar mit einer mysteriösen Botschaft. Es geht um Mord! Welch eine Phantasie beflügelte da den Bundesparteiobmann der FPÖ?

Screenshot / (C) Facebook Inc

Nein, Herr Strache, es war nicht Mord. Der „Jörgl“ kam bei einem selbst verschuldeten Autounfall ums Leben. Haider hatte sich, stark alkoholisiert (1,8 ‰ Blutalkoholkonzentration), bei Nebel mit überhöhter Geschwindigkeit alleine auf den Heimweg gemacht. Die zuletzt gemessene Geschwindigkeit lag bei 142 km/h in der 70 km/h-Zone der Unfallstelle.

Im Zusammenhang mit dem Haider-Bild könnte man nun vermuten, Strache wäre der Verschwörungstheorie verfallen, Haider wäre vermutlich von politischen Gegnern ermordet worden. Strache selbst befürchte nun ähnliche Pläne gegen ihn.

Nun könnte Strache natürlich argumentieren, dass er sein Posting auch ganz anders gemeint haben könnte, sein Text völlig falsch vom Leser interpretiert wurde. Soll ja bekanntlich schön öfter vorgekommen sein. Ein Fan seiner Seite „übersetzte“ Straches mysteriöse Botschaft aus seiner Sicht ins Unmißverständliche: “Hc pass nur auf das sie dich nicht auch so wie den Haider abmurxen [sic!]”. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung.

Screenshot / (C) Facebook Inc

Interessanterweise gefällt Strache der Kommentar und er likt ihn, was auch weitere 206 Gratulanten taten.

Screenshot / (C) Facebook Inc

Alle Fakten sprechen also dafür, dass Strache tatsächlich der Meinung ist, Jörg Haiders Autounfall sei ein geplanter, politischer Mord gewesen. Aber passt so ein Mord in das Konzept der FPÖ? Zumindest kann niemand bestreiten, dass Strache der hauptsächliche Nutznießer solch einer Verschwörung wäre. Der Tod Haiders verhalf Strache nicht nur dazu, die blaue Wählerschaft an seine Person zu binden, sondern räumte ihm gleichzeitig die Möglichkeit ein, die zahlreichen Korruptions- und Politikskandale der „alten FPÖ“ und dem „BZÖ“ in die Schuhe zu schieben. Ein Toter kann sich nicht mehr wehren. Keine Angst, Herr Strache, natürlich alles nur so verschwörungstheoretisch angedacht ;-), weil, es gibt da von Ihnen so ein paar Postings aus dem Jahr 2011. Da könnte so ein Verschwörungstheoretiker doch glatt auf die Idee kommen, dass es Ihnen vor lauter „Querdenken“ nicht bewusst zu sein scheint, das in so einem Fall gerade Sie und die heutige FPÖ wohl zu den Hauptverdächtigen zählen würden. Aber wir stellen hier keine Behauptungen auf, wir verweisen nur auf Ihre Eintragungen aus dem Jahr 2011. Selbstverständlich gilt auch hier die Unschuldsvermutung, sollte sich bei einem Leser eine Schuldvermutung einstellen.








Screenshots / (C) Facebook Inc

Aber die Haider-Ermordungs-Theorie ist bei Weitem nicht die einzige mysteriöse Meldung Straches. Er schaffte es als “Bundeskanzler der Herzen”, wie Strache sich selbst nennt, bereits in die Presse, Spalte Humor, mit seinen Meldungen über mysteriöse Kornkreise, eine erstarkende “Schattenwelt” in der Ukraine, Obamas Kriegsaufmarsch an der deutschen Grenze, oder auch seine berühmten Reinfälle auf Satire-Seiten.

Screenshot / (C) Facebook Inc

Auch zum Umweltschutz hat die FPÖ, nach Eigendefinition “erste Umweltpartei Österreichs”, eine eigene Auffassung über den Klimawandel. Der Mensch hat damit nichts zu tun, der Klimawandel ist natürlich, CO-Bestimmungen und Klimaschutz sind purer Unsinn. Und dann gibt es da noch die Chemtrail-Theorie, also Behauptungen, dass in den Kondensstreifen der Flugzeuge Chemikalien enthalten sind, die Bevölkerungsreduktion verursachen, Gedankenkontrolle und Wettermanipulation ermöglichen, oder mit ihrer Hilfe gar militärische Ziele angestrebt werden. Deswegen brachte die FPÖ schon parlamentarische Anfragen ein (2007, 2012, 2013). Bitte nicht lachen, das könnte Ihrer Gesundheit schaden.

Dass der freiheitliche Parteiobmann, der sich auch gerne als “Retter des Abendlandes” darstellt, allerdings keine abendländische Glaubensgemeinschaft, sondern eine Magierin aus Niederösterreich konsultiert, um „Schutz für In- und Ausland, Kraft, Energie, Schutzmantel bei Auftritten, Diverse Utensilien“ zu erhalten, sorgte für Heiterkeit in der österreichischen Medienlandschaft. Die kolportierte Meinung, dass die Rechnung der Wahrsagerin mit 6.000 Euro mutmaßlich aus Steuergeldern bezahlt worden sein könnte, fanden viele ÖsterreicherInnen weniger lustig.

Auch originelle Verschwörungstheorien hat der Parteichef parat, wenn es um zahlreiche Hasspostings auf seiner Facebookseite und in diversen FPÖ-Foren geht. Es würde sich um “Fake-Profile” handeln, so seine Meinung, die aus Amerika stammen, deren Kommentare man nun der FPÖ in die Schuhe schieben wolle. Heimat ohne Hass nahm schon oft solche angeblichen “Fake-Accounts” unter die Lupe und es ist bisher kein einziger Fall eines Fakes, wie sie Strache beschrieben hatte, bekannt geworden. Die Verfasser von Hasspostings waren tatsächlich immer echte FPÖ-Anhänger.

H.C. Strache dazu wörtlich:



Erst vor kurzem sorgte die FPÖ wieder für Aufregung. Strache behauptete nämlich, das Foto mit dem Flüchtlingskind vor dem Asylheim in Wien-Landstraße sei „von linker Seite“ und der Tageszeitung Kurier manipuliert worden. Aber da hat sich der Bundesparteiobmann in die Nesseln gesetzt, das darf er vorläufig nicht mehr sagen. Die Tageszeitung Kurier klagte nämlich Strache und erwirkte vor dem Handelsgericht Wien eine einstweilige Verfügung.

Strache und die FPÖ leben offenbar in einer anderen Realität, in die sich Otto-Normal-Verbraucher kaum hineinversetzen kann. Es erfordert schon ein gewaltiges Maß an Phantasie und Faktenresistenz, um den vielen Theorien, die immer wieder von der FPÖ verbreitet werden, Glauben zu schenken. Ist die FPÖ gar keine Partei, sondern eine Sekte?
Dass Meinungsfreiheit eben nicht immer alles legitimiert, müsste inzwischen jeder kapiert haben. Hass-Kommentare auf Facebook richten sich mittlerweile nicht mehr nur gegen Asylwerber, sondern auch gegen Österreicher, die mit Flüchtlingen sympathisieren und sind zu großen Teilen nicht nur erschreckend, sondern vor allem eines: rechtswidrig.



http://www.vice.com/alps/read/diese-leute-kmpfen-online-gegen-rechten-hass-050 

Danke an Vice für den tollen Artikel!

Montag, 3. August 2015

Flächenbrand

Die Zeiten werden rauer - der Ton in sozialen Netzwerken auch. 

Vor fast zwei Jahren erschien der Artikel „Ein Glassplitter in der trockenen Steppe - oder - wie entfache ich einen Flächenbrand“ (http://www.HeimatOhneHass.com/2013/10/ein-glassplitter-in-der-trockenen.html). Dabei ging es um ein Posting von Strache auf seiner Facebook-Seite https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10151768332043591&set=pb.74865038590.-2207520000.1391098917.&type=3&theater

Bereits damals waren Hass- und Hetz-Kommentare an der Tagesordnung. Was sich aber seit damals geändert hat, ist die Fülle der Kommentare, genauer gesagt: strafrechtlich relevanter Kommentare. Mussten wir damals täglich unseren Blick auf 4-6 Gruppen und eine Handvoll Facebook-Seiten werfen, so liegt die Anzahl der Gruppen und Seiten heute bereits bei über 50, in denen es nur so kracht, wo vor keiner Abartigkeit mehr halt gemacht wird. 

Vor zwei Jahren wurde die Seite von Strache zwar in gleichem Maße administriert wie heute (nämlich kaum merkbar), jedoch war das Klima ein weniger raues. De facto alle Gruppen standen direkt unter der Administration von Funktionären – und auch bei den Seiten war es ähnlich. Damals wurden Hass- und Hetz-Postings auch nicht gelöscht, erhielten aber zumindest noch zeitweise Gegenwind. Zwar mit der Motivation, dass man der Partei nicht schaden wolle, aber immerhin, es wurde noch etwas dagegen gesprochen. Heute sieht es anders aus. Die rasant ansteigende Anzahl der Hass- und Hetz-Postings macht eine Weiterleitung der Sachverhalte an die Staatsanwaltschaft mittlerweile zur Sisyphos-Arbeit, der Flächenbrand wurde entfacht.

Was der Unterschied zu damals ist: Es wurde in FPÖ- und FPÖ-Fan-Gruppen gehetzt. Dieses Feuer hat sich auf andere Gruppen, die wie Pilze aus dem Boden schießen, ausgeweitet. Ein Lauffeuer, das sich im Speziellen seit der Amokfahrt in Graz immer schneller verbreitet hat, immer neue Bereiche entzündet und heute allgegenwärtig scheint.

Die Politik sieht zu, verschärft halbherzig den Verhetzungsparagraphen und versteht nicht die Brisanz dessen, was gerade geschieht. Einzelne Fälle, wie der in den Medien aufgegriffene Fall, bei dem das Foto eines Flüchtlingskindes mit dem Wunsch nach einem Flammenwerfer beantwortet wurde, suggerieren der Bevölkerung, dass es sich wirklich nur um einzeln auftretende Anomalien handelt. Nein, es sind keine einzeln auftretetenden Anomalien, es ist längst ein Massenphänomen in den sozialen Netzen, eines, das den letzten Rest von Mitgefühl verschlingt, welches selbst den gemäßigten UserInnen suggeriert: Ihr könnt schreiben, was ihr wollt. Ihr könnt das Vergasen von Flüchtlingen fordern. Ihr könnt den Genozid an türkischen MitbürgerInnen fordern.

Von anständigen PolitikerInnen würde man erwarten, das Thema entweder tot zu schweigen, oder darauf zu reagieren. Aber nicht damit aufzuzeigen, dass auch die Gegenseite – die vermeintlichen Ausländer - es auch macht. Es wäre hoch an der Zeit, derartige Auswüchse generell zu verurteilen. Es zu verurteilen, nach einem neuen Holocaust zu schreien; es zu verurteilen, dass es Menschen gibt, die ihren Hass vor einer Computertastatur dazu verwenden, andere Menschen aufzuhetzen und sich die tiefsten Abgründe der Menschheit wieder herbei zu wünschen.

Es gehört zum guten Ton in Gruppen wie „FPÖ“, über alles zu schimpfen, was nach ihrer Meinung verwerflich ist. Über Flüchtlinge, über andere Politiker, andersdenkende, engagierte Mitbürger. Dies geschieht unter den Augen von Politikern. Politikern, die sogar einen Eid auf unsere Verfassung abgelegt haben, die Gesetze zu wahren und sich auch für die Schwächsten einzusetzen. Unter ihren Augen geschieht das schlimmste, das einer Gesellschaft passieren kann: die Entmenschlichung aller Feindbilder (vor allem der Minderheiten), das Absprechen der Würde, sogar wenn es um Kinder geht. Unter ihren Augen passiert etwas, das im letzten Jahrhundert schließlich in der industriellen Vernichtung von Leben geendet hat. Unter ihren Augen wurde in den letzten Jahren eben dieser Flächenbrand entfacht, der nun in den sozialen Medien wütet – und es wird nicht mehr lange dauern, bis sich dieser Zorn, dieser Hass von ihren kleinen Glutnestern in das verwandelt, vor dem viele seit langem und bisher vergeblich gewarnt haben.

HoH